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OGH vom 27.06.2017, 5Ob85/17m

OGH vom 27.06.2017, 5Ob85/17m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Daniel G*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt, Moosbach 11, 6392 St. Jakob im Haus, gegen den Antragsgegner Gernold G*****, vertreten durch Brüggl & Harasser Rechtsanwaltspartnerschaft in Kitzbühel, wegen Unterhalt, infolge des Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 78 R 5/17h55, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom , GZ 5 Fam 47/15g44, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Sachwalter wird aufgetragen, binnen acht Wochen den Beschluss über die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Unterhaltsantrags vom vorzulegen.

Text

Begründung:

Für den am geborenen Antragsteller ist aufgrund einer Aufmerksamkeits und Hyperaktivitätsstörung seit November 2013 ein Sachwalter unter anderem zur Einkommens und Vermögensverwaltung sowie Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt. Der Antragsgegner ist der Vater des Antragstellers.

Der Sachwalter begehrte für den Antragsteller am Unterhalt und zwar „rückwirkend mit monatlich zumindest 400 EUR bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Antragstellers“. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung sei er nicht in der Lage, ein laufendes Einkommen zu erzielen.

Der Antragsgegner wendete ein, der Antragsteller sei arbeitsfähig. Dass er die ihm zumutbare Therapie verweigere, führe zum Verlust seines Unterhaltsanspruchs. Außerdem unterstütze er den Antragsteller mit 50 EUR pro Woche und habe seit Sommer 2015 insgesamt 1.805 EUR bezahlt.

Das verpflichtete den Antragsgegner rückwirkend ab monatlich 400 EUR an Unterhalt zu leisten und zwar den bis entstandenen Rückstand von insgesamt 14.000 EUR binnen einem Monat ab Rechtskraft der Entscheidung, die daran anschließenden monatlichen Unterhaltsbeiträge jeweils am Monatsersten im Vorhinein.

Das gab dem Rekurs des Antragsgegners betreffend laufenden Unterhalt von monatlich 400 EUR ab nicht Folge. Hinsichtlich des Unterhaltsrückstands hob es die Entscheidung auf, weil Feststellungen zu den eingewendeten Zahlungen des Antragsgegners fehlten. Dem Rekurs des Antragstellers gab es insoweit Folge, als der Zuspruch des laufenden Unterhalts nur als Teilbeschluss bestätigt wurde, im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht den Antragsteller aufzufordern haben ein vollständig bestimmtes Begehren in Ansehung des laufenden Unterhalts zu stellen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs in Bezug auf den bestätigenden Teil seines Beschlusses ließ das Rekursgericht über Abänderungsantrag des Antragsgegners mit Beschluss vom nachträglich zu.

Rechtliche Beurteilung

Über den Revisionsrekurs des Antragsgegners kann derzeit noch nicht entschieden werden.

1.1. Nach dem gemäß §§ 275 Abs 3, 229 Abs 2 ABGB auch im Sachwalterschaftsverfahren anzuwendenden § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Das Gesetz erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Die Klagserhebung ist daher jedenfalls dann zustimmungs und genehmigungspflichtig, wenn ihr Gegenstand nicht in den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb fällt, was aber umgekehrt nicht bedeutet, dass eine Klage, deren Gegenstand in den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb fällt, stets genehmigungsfrei wäre. Soweit im Verfahren ein Kostenersatzrisiko besteht, ist nämlich auch dieses in die Gesamtbeurteilung einzubeziehen und zumindest ein Indiz für eine Genehmigungspflicht (Nademleinsky in Schwimann/Kodek ABGB4§ 167 Rz 24; 10 Ob 23/08t = iFamZ 2008/157 [Fucik]).

1.2. Auch die Einleitung eines außerstreitigen Verfahrens kann im Hinblick auf die Kostenersatzpflicht nach § 78 AußStrG oder aufgrund der Bedeutung des geltend gemachten Anspruchs genehmigungspflichtig sein (Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3§ 154a ABGB aF Rz 38). Dementsprechend sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus (6 Ob 3/09y) dass etwa die Abgabe einer widerstreitenden Erbantrittserklärung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung gemäß § 154 Abs 3 ABGB (aF) bedürfe, zumal im Verfahren über das Erbrecht nicht nur relative Anwaltspflicht bei einem vermutlichen Wert der Nachlassaktiva bis 4.000 EUR und absolute Anwaltspflicht bei Überschreitung dieses Betrags bestehe, sondern auch ein Ersatz der Verfahrenskosten für die rechtsfreundliche Vertretung vorgesehen sei, sodass ein Kostenersatzrisiko bestehe.

1.3. Ein mit der Antragstellung zwingend verbundenes Kostenersatzrisiko und die konkrete Gefahr einer finanziellen Belastung des Betroffenen (vgl RISJustiz RS0107440) indizieren, dass die Einbringung des gegenständlichen Antrags nicht mehr zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, der durch üblicherweise im Rahmen gewöhnlicher Vermögensverwaltung anfallende Angelegenheiten definiert wird (1 Ob 211/08y = EvBl 2009/574 [Nademleinsky]), zumal als maßgebliche Kriterien bei der Beurteilung neben Art und Umfang der Verwaltung immer das damit verbundene wirtschaftliche Risiko sowie die Frage der Vorläufigkeit oder Endgültigkeit einer Maßnahme und ihre Dauer zu berücksichtigen sind (RISJustiz RS0048207 [T17, T 18]).

1.4. Hier macht der Sachwalter für den längst volljährigen Antragsteller, der keiner Beschäftigung nachgeht und seine psychische Erkrankung nicht therapieren lässt, nicht nur laufenden Unterhalt, sondern auch erheblichen Unterhaltsrückstand geltend. Gemäß § 101 Abs 1 AußStrG gilt hier aufgrund des 5.000 EUR übersteigenden Streitwerts relative Anwaltspflicht. Ein Kostenersatz findet gemäß § 101 Abs 2 AußStrG nur im Verfahren über Unterhaltsansprüche eines mj Kindes nicht statt, während im Verfahren über Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder Kostenersatzpflicht nach den allgemeinen Bestimmungen des § 78 AußStrG besteht (Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 101 Rz 78). Von einer bloßen „Bagatellangelegenheit“, die nach der Rechtsprechung (RISJustiz RS0048151) zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört und daher keiner Genehmigung bedarf, kann hier nicht mehr die Rede sein (vgl auch 10 Ob 23/08t).

2. Gemäß § 5 Abs 1 AußStrG hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens (somit auch noch im Rechtsmittelverfahren – Rechberger in Rechberger, AußStrG² § 5 Rz 1) zur Beseitigung des Mangels der erforderlichen besonderen Ermächtigung zur Verfahrensführung das Erforderliche anzuordnen. Dabei hat das Rechtsmittelgericht die seiner Meinung nach unterlassenen Verfügungen gemäß § 5 Abs 1 AußStrG selbst zu treffen und kann dabei auch angemessene Fristen setzen, selbst wenn § 5 Abs 1 AußStrG (im Gegensatz zu § 6 Abs 2 ZPO) solches nicht ausdrücklich vorsieht (RISJustiz RS0125145).

3. Da somit die konkrete Antragstellung im Außerstreitverfahren der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedarf und eine solche ausdrücklich und schriftlich zu erteilende Genehmigung bislang nicht aktenkundig ist (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 5 Rz 10), war dem Sachwalter die Vorlage eines entsprechenden Genehmigungsbeschlusses binnen angemessener Frist aufzutragen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00085.17M.0627.000
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