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OGH vom 18.10.2011, 4Nc21/11t

OGH vom 18.10.2011, 4Nc21/11t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Musger als weitere Richter in der beim Landesgericht Feldkirch zu 4 Cg 64/11a anhängigen Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Heinz Heher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Christian Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und 7.000 EUR sA (Gesamtstreitwert 46.000 EUR), über den Delegierungsantrag der beklagten Partei gemäß § 31 Abs 2 JN folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird anstelle des Landesgerichts Feldkirch das Handelsgericht Wien bestimmt.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Äußerungen im Delegierungsverfahren selbst zu tragen.

Die Kosten der von der beklagten Partei im Delegierungsverfahren eingebrachten Schriftsätze sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung, der Sitz der Klägerin ist in Wien, jener der Beklagten in Innsbruck.

Die Klägerin erhebt beim Landesgericht Feldkirch eine Unterlassungs- und Zahlungsklage. Die Beklagte betreibe in Vorarlberg vier Gaststätten und habe dort Rundfunkprogramme der Klägerin ohne deren Zustimmung öffentlich aufgeführt. Dadurch habe sie gegen Urheberrecht, Markenrecht und Lauterkeitsrecht verstoßen. Die Zuständigkeit des Erstgerichts ergebe sich aus § 83c JN (Niederlassungen der Beklagten).

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen. Nach Einbringen der Klagebeantwortung beantragte sie die Delegierung an das „Landesgericht Wien“. Ihr Geschäftsführer habe seinen Wohnsitz nach Wien verlegt, wo auch die Klägerin ihren Sitz habe und die Zeugen ansässig seien.

Die Klägerin sprach sich gegen die Delegierung aus. Die Rechtsverletzungen hätten in Vorarlberg stattgefunden, wo auch allfällige Ortsaugenscheine, die aber „grundsätzlich nicht erforderlich“ seien, stattfinden müssten. Zudem sei der Antrag nicht ausreichend bestimmt, da es kein „Landesgericht Wien“ gebe. Die Beklagte habe keine Zeugen genannt; die „noch namhaft zu machenden“ Zeugen der Klägerin seien in Tirol und Vorarlberg ansässig.

In weiterer Folge forderte das Landesgericht Feldkirch die Parteien auf, die Namen und Anschriften der von ihnen geführten Zeugen bekanntzugeben. Die Klägerin nannte den Leiter ihrer Rechtsabteilung mit Zustelladresse in Wien sowie zwei Personen mit Zustelladressen in Innsbruck und Salzburg; die Beklagte nannte zwei Personen mit Zustelladresse in Wien.

Das Landesgericht Feldkirch befürwortet die Delegierung und legt die Akten zur Entscheidung vor.

Der Antrag ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder ein maßgeblicher Teil davon vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RIS Justiz RS0046333 [T3]). Zweckmäßigkeitsgründe sind vor allem der Wohnort (Sitz) der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (RIS Justiz RS0046540; RS0053169 [T12]).

Im konkreten Fall überwiegen die Gründe für eine Delegierung. Für das Landesgericht Feldkirch spricht allein der Ort der angeblichen Rechtsverletzungen. Lokalaugenscheine wurden aber nicht beantragt; ihre Notwendigkeit ist wie auch die Klägerin erkennt nicht ersichtlich. Drei Zeugen und der Geschäftsführer der Beklagten sind nach dem Vorbringen der jeweiligen Beweisführer in Wien ansässig. Dass sie dort nicht gemeldet sind, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich. Die beiden weiteren Zeugen müssen unabhängig von der Entscheidung über den Delegierungsantrag entweder im Rechtshilfeweg vernommen werden oder zum Gericht anreisen. Dabei liegt für den einen Feldkirch, für den anderen Wien näher. Insgesamt führt daher eine Delegierung nach Wien zu einer deutlichen Vereinfachung des Verfahrens.

Aus diesen Gründen ist die Zuständigkeit dem Handelsgericht Wien (als einzigem sachlich in Betracht kommenden Gerichtshof erster Instanz) zu übertragen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Beteiligung am Delegierungsverfahren selbst zu tragen. Die Beklagte hat zwar in diesem Zwischenstreit obsiegt. Sowohl ihr Delegierungsantrag als auch die dazu aufgetragene Äußerung enthalten aber auch Vorbringen zur Sache (Bestreitung dem Grunde und der Höhe nach, Nennung von Zeugen); diese Prozesshandlungen sind daher auch im Hauptverfahren verwertbar. Das schließt eine Honorierung im Zwischenstreit aus (vgl 9 Ob 104/04s).