OGH vom 13.12.2018, 4Nc18/18m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache betreffend Ö***** A*****, geboren am ***** 1975, Justizanstalt *****, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Dr. Reinhard Rosskopf, Rechtsanwalt in Wien, aufgrund der vom Bezirksgericht Baden verfügten Vorlage seines Akts AZ 2 P 239/16a zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die vom Bezirksgericht Baden verfügte Übertragung der Erwachsenenschutzsache an das Bezirksgericht Leoben wird genehmigt.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Bezirksgerichts ***** vom wurde für den Betroffenen ein Sachwalter gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB (= § 268 Abs 3 Z 2 ABGB idFd SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92) zur Regelung der finanziellen Angelegenheiten sowie zur Vertretung vor Behörden, Gerichten, Ämtern und privaten Vertragspartnern bestellt.
Der Betroffene wurde in der Folge wiederholt wegen Vermögensdelikten zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, wobei der Akt jeweils gemäß § 111 JN dem Gericht übertragen wurde, in dessen Sprengel sich die jeweilige Haftanstalt befand; phasenweise wurde das Verfahren vom Bezirksgericht ***** geführt, weil der Betroffene in dessen Sprengel über eine Wohnung verfügte. Zuletzt übertrug das Bezirksgericht ***** den Akt dem Bezirksgericht Baden, weil der Betroffene von der Justizanstalt ***** in die Justizanstalt ***** überstellt worden war.
Bereits wenige Tage nach seiner Entlassung aus dieser Haft (September 2017) wurde der Betroffene erneut straffällig und in der Folge wiederum zu einer Freiheitsstrafe – in der Dauer von nunmehr 21 Monaten – verurteilt; das urteilsmäßige Haftende ist der .
Der Betroffene verbüßte die Freiheitsstrafe vorerst in der Justizanstalt ***** und seit in der Justizanstalt *****, wo er seitdem auch gemeldet ist. Die bedingte Entlassung des Betroffenen nach Verbüßung der Hälfte der Strafhaft zum und von zwei Dritteln der Strafhaft zum wurde von den jeweiligen Vollzugsgerichten abgelehnt.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom , GZ 2 P 239/16a-220, übertrug das Bezirksgericht Baden die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Erwachsenenschutzsache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Leoben, weil sich der Betroffene nunmehr in der Justizanstalt ***** aufhalte.
Das Bezirksgericht Leoben verweigerte am die Übernahme der Zuständigkeit. Die Justizanstalt sei nicht der ordentliche Wohnsitz; zwei Drittel der Haftzeit würden bereits im November 2018 erreicht.
Das Bezirksgericht Baden legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN zur Entscheidung vor. Die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Baden gründe sich nur auf den früheren Aufenthalt in der Justizanstalt *****; eine Rückkehr des Betroffenen in diesen Sprengel nach der Haftentlassung sei nicht zu erwarten. Aufgrund des häufigen Wohnortwechsels (diverse Justizanstalten) sei davon auszugehen, dass der Betroffene keinen gewöhnlichen Aufenthalt habe und sich die Zuständigkeit daher nach dem aktuellen Aufenthalt richte.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist zu genehmigen.
Nach § 111 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder einer sonst schutzberechtigten Person gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzung ist regelmäßig bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Betroffenen, also seines Lebensmittelpunkts, gegeben. Wäre bei Einleitung des Verfahrens (erst) zum jetzigen Zeitpunkt nach § 109 JN das andere Gericht zuständig, kann die Zuständigkeit auf dieses übertragen werden. Die Zuständigkeitsübertragung setzt dabei einen stabilen Aufenthaltsort voraus, der allerdings auch im Fall einer auf Dauer angelegten Unterbringung etwa in einer Betreuungseinrichtung gesehen wird (vgl 6 Nc 11/17w mwN).
Dem letzten aktenkundigen Bericht des gerichtlichen Erwachsenenvertreters vom September 2017 ist zu entnehmen, dass die Finanzierung der Wohnung in ***** nicht mehr möglich und mit deren Verlust zu rechnen sei. Das Vorhandensein eines Mittelpunkts der gesamten Lebensführung des Betroffenen an einem anderen konkreten Ort, an den er nach seiner Haftentlassung wieder zurückkehren würde bzw könnte, lässt sich dem Akteninhalt ebenso wenig entnehmen wie ein Bezug zum Sprengel des Bezirksgerichts Baden oder zu einem anderen der bisher mit der Sache befassten Bezirksgerichte. Damit ist aber im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass sich der Lebensmittelpunkt des Betroffenen tatsächlich derzeit und voraussichtlich bis zum urteilsmäßigen Haftende in der Justizanstalt ***** befindet. Dies erhellt auch daraus, dass der soziale Dienst dieser Justizanstalt zwischenzeitig auch Fragen der Kommunikation mit dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter aufwarf und einen Wechsel in dessen Person anregte. Auch insofern erscheint eine wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes durch das Bezirksgericht Leoben im Interesse des in dessen Sprengel aufhältigen Betroffenen gelegen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0040NC00018.18M.1213.000 |
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Fundstelle(n):
PAAAD-70603