OGH vom 22.09.2015, 4Ob96/15v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E***** Ö*****, vertreten durch Dr. Karl Krückl und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Ing. K***** K*****, vertreten durch Mag. Anatol Schürer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 182/14d 17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Perg vom , GZ 31 C 44/14s 13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Dr. J***** P***** und P***** P*****, die Großeltern der Streitteile, waren ursprünglich die Eigentümer der vom Streit betroffenen und benachbarten Liegenschaften EZ 122 und EZ 63, jeweils Grundbuch ***** (im Folgenden kurz EZ 122 bzw EZ 63).
Die Klägerin war zu Verfahrensbeginn die Alleineigentümerin der EZ 122, nunmehr ist sie mit ihrem Ehegatten Hälfteeigentümer dieser Liegenschaft.
Der Beklagte ist der Bruder der Klägerin und Alleineigentümer der EZ 63. Im Jahr 1979 erwarb er durch einen Schenkungsvertrag diese Liegenschaft von seiner Mutter E***** K***** und seiner Großmutter P***** P*****.
Bereits 1959 erwarben DI J***** K***** und E***** K*****, die Eltern der Streitteile, aufgrund eines Schenkungsvertrags die EZ 122 zu gleichen Anteilen von den Großeltern der Streitteile. Dabei wurde vereinbart:
„ Die Übergeber bewohnen das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Übergabsliegenschaft gelegene Wohnhaus ..., welches zum Gutbestand der Liegenschaft EZ 63 ... gehört.
Da dieses Wohnhaus nicht unterkellert ist, wird zwischen den Vertragsparteien zu Gunsten der Übergeber und ihrer Rechtsnachfolger im Eigentum der Liegenschaft EZ 63 ... ein Mitbenützungsrecht an den Keller des Hauses ... [auf der EZ 122] für immerwährende Zeit vereinbart.
Die Übernehmer können sich von diesem Mitbenützungsrecht jederzeit befreien, indem sie auf einem zum Gutsbestand der EZ 63 ... gehörigen unverbauten Grundstück auf eigene Kosten einen Keller im Umfang des halben Kellers des Hauses ... [auf der EZ 122] erbauen. Sollten die Übergeber oder ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der Liegenschaft EZ 63 ... die Errichtung des Kellers nicht gestatten, obwohl diese Errichtung von den Übernehmern angeboten wird, erlischt das Mitbenützungsrecht auch ohne Erbauung dieses Kellers.
Eine grundbücherliche Sicherstellung dieses Mitbenützungsrechts wird nicht vereinbart. “
Die Errichtung eines Keller auf der EZ 63 wurde nie vorgeschlagen.
E***** K***** wurde 1993 als Erbin nach DI J***** K***** Alleineigentümerin der EZ 122. Nach ihrem Tod wurde ihr Nachlass aufgrund ihres Testaments vom mit Einantwortungsbeschluss vom den Streitparteien je zur Hälfte eingeantwortet.
Die Streitteile schlossen am ein Erbteilungsübereinkommen und teilten unter anderem die verschiedenen Liegenschaften der Verstorbenen auf. Dabei vereinbarten sie auch, dass die Klägerin die EZ 122 in ihr Alleineigentum übernimmt.
Die Streitteile erlangten erst kurz vor dem Rechtsstreit Kenntnis vom Benützungsrecht am Keller gemäß Schenkungsvertrag 1959. Dieses Benützungsrecht wurde auch in den Verlassenschaftsakten des DI J***** K***** und der E***** K***** nicht erwähnt.
Mit ihrer Eigentumsfreiheitsklage machte die Klägerin mehrere Unterlassungsansprüche und die Freiheit ihres Eigentums von außerbücherlichen Nutzungsrechten des Beklagten geltend. Für das Revisionsverfahren noch relevant begehrte sie, dem Beklagten das Betreten der Liegenschaft zum halben Erdkeller und dessen Mitbenützung zu verbieten. Zu diesem Begehren brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie ihre Liegenschaft mangels Kenntnis von allfälligen Mitbenützungsrechten Dritter im Erbschaftsweg mit Einantwortungsbeschluss lastenfrei erworben habe. Eine Überbindung der Verpflichtung auf die Rechtsnachfolger sei nicht erfolgt.
Der Beklagte berief sich auf eine grundbücherlich nicht eingetragene Servitut laut dem Schenkungsvertrag zwischen den Großeltern und den Eltern der Streitteile im Jahr 1959. Die Klägerin habe die EZ 122 als Gesamtrechtsnachfolgerin nach E***** K***** erworben, weshalb sämtliche Rechte und Pflichten auf die Klägerin übergegangen seien.
Das Erstgericht wies das auf die Unterlassung der Benützung des Erdkellers gerichtete Begehren ab. Ausgehend vom oben zusammengefassten Sachverhalt ging es in rechtlicher Sicht davon aus, dass die Vertragspartner des Schenkungsvertrags 1959 das Mitbenützungsrecht am Keller der EZ 122 „für immerwährende Zeit“ und auch für die Rechtsnachfolger der EZ 63 vereinbart hätten. Es liege daher eine nicht verbücherte Dienstbarkeit vor, die auch die Gesamtrechtsnachfolger (der Eigentümer) der dienenden Liegenschaft binde. Wie 1993 E***** K***** habe auch die Klägerin im Jahr 2009 die Liegenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin erworben. Es bestehe somit bezüglich der Mitbenützung des Kellers ein vereinbartes und zu übernehmendes Recht des Beklagten, weshalb das Unterlassungsbegehren in diesem Umfang abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung in diesem Umfang keine Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und erachtete die ordentliche Revision zunächst für nicht zulässig.
Die Klägerin sei als Gesamtrechtsnachfolgerin ihrer Mutter anzusehen. Eine vertragliche Servitut sei auch ohne Verbücherung gegen Gesamtrechtsnachfolger wirksam. Die mit dem im Schenkungsvertrag vereinbarten Mitbenützungsrecht verbundene Belastung sei auf die Klägerin übergegangen. Die Klägerin könne sich nicht nach § 1500 ABGB auf einen lastenfreien Eigentumserwerb berufen, weil sie im Erbweg erworben habe. Auf die Argumentation der Berufungswerberin, der Beklagte habe auf ein Mitbenützungsrecht konkludent verzichtet, sei wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot nicht einzugehen.
Über einen Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erachtete. Die Klägerin habe mit schlüssigen Argumenten dargetan, dass unter Berücksichtigung des Erbübereinkommens zwischen den Streitteilen mitunter vom Vorliegen einer Einzelrechtsnachfolge auszugehen sei.
Im Sinne eines Rückstellungsbeschlusses des erkennenden Senats sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des den Erdkeller betreffenden Unterlassungsbegehrens 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige.
In ihrer Revision vertritt die Klägerin im Wesentlichen die Ansicht, dass sie die EZ 122 von ihrer Mutter als Legat erworben habe und daher Einzelrechtsnachfolgerin und nicht Gesamtrechtsnachfolgerin sei. Daran ändere auch der Abschluss des Erbübereinkommens nichts. Zudem sei das Erbübereinkommen entgeltlich, weshalb sich die Klägerin auf § 1500 ABGB berufen können.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche Rechtsfrage ausgeführt.
2. Rechtsprechung und Lehre anerkennen die Gültigkeit von Vereinbarungen, mit denen Berechtigungen, die ihrem Inhalt nach sonst den Gegenstand von Dienstbarkeitsbestellungsverträgen an Liegenschaften bilden, denen im Bereich des Eintragungsgrundsatzes nach § 481 Abs 1 ABGB dingliche Wirkung erst durch die Eintragung in den öffentlichen Büchern zukommt, mit bloß obligatorischer Wirkung eingeräumt werden (RIS Justiz RS0011659). Die bloß obligatorischen Wirkungen eines derartigen Nutzungsvertrags sind aber gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger des Verpflichteten und bei Übernahme auch gegenüber einem Einzelrechtsnachfolger wirksam (zB 1 Ob 300/01a; 1 Ob 259/02y; 7 Ob 290/03b; RIS Justiz RS0011673 [T5]).
3.1 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das im Schenkungsvertrags 1959 eingeräumte Nutzungsrecht ungeachtet der fehlenden Verbücherungsabsicht der Vertragspartner (vgl RIS Justiz RS0097244; RS0011659 [T2]) auch Gesamtrechtsnachfolger bindet, hält sich daher im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur.
3.2 Entsprechendes gilt für die rechtliche Beurteilung, dass die Klägerin die EZ 122 als Erbin durch Einantwortung und somit als Gesamtrechtsnachfolgerin (zB 4 Ob 242/08d; RIS Justiz RS0007748; RS0008390; RS0007899; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth § 177 AußStrG Rz 2) von einer der Vertragspartner des Schenkungsvertrags erworben hat und daher an den Inhalt des 1959 eingeräumten Nutzungsrechts gebunden ist, zumal auch das vor der Einantwortung geschlossene Erbteilungsübereinkommen nichts daran ändert, dass die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erben (5 Ob 28/90; 7 Ob 581/94; RIS Justiz RS0008347, RS0124538; Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth § 181 AußStrG Rz 5 mwN; Bittner in Rechberger 2 § 181 AußStrG Rz 5).
3.3 § 1500 ABGB ist bei einem Erwerb im Erbgang nicht anzuwenden (7 Ob 581/94; RIS Justiz RS0034880). Abgesehen davon ist diese Bestimmung bei einem bloß obligatorischen Nutzungsrecht weder einschlägig noch erforderlich: Ein solches Recht geht anders als (grundsätzlich) eine zufolge Ersitzung auch sachenrechtlich bestehende, aber (noch) nicht verbücherte Dienstbarkeit ohnehin nur dann auf den Erwerber der dienenden Sache über, wenn er es vertraglich übernimmt oder wenn (wie hier) ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vorliegt. Im erstgenannten Fall ist der Natur der Sache nach kein Vertrauensschutz iSd § 1500 ABGB erforderlich. Erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge bedeutet nach allgemeinen Grundsätzen das Eintreten in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen; ein (schützenswertes) Vertrauen auf das Nichtbestehen von Verpflichtungen gibt es in diesem Zusammenhang nicht.
4. Im erstinstanzlichen Verfahren vertrat die Klägerin, sie habe das Eigentum an der Liegenschaft nach einem Erbteilungsübereinkommen mit dem Beklagten im Verlassenschaftsverfahren nach ihrer Mutter bzw „im Erbschaftsweg mit Einantwortungsbeschluss“ erworben. Soweit sich die Klägerin nun im Rechtsmittel erstmals darauf beruft, sie habe die EZ 122 (bereits) aufgrund eines Legats und daher als Einzelrechtsnachfolgerin erworben, hat sie ein solches Vorbringen in erster Instanz nicht erstattet. Wegen dieses Verstoßes gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) sind ihre Ausführungen im Rechtsmittel über ein Legat unbeachtlich.
5. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision damit zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat (auch) auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen. Für die Bemessungsgrundlage war an die Bewertung des hier zu prüfenden Unterlassungsanspruchs durch die Klägerin anzuknüpfen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00096.15V.0922.000