OGH vom 22.06.2010, 5Ob84/10d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** AG, *****, vertreten durch Schopf, Zens Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Albert M*****, vertreten durch Mag. Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in Wien, 2. Robert M*****, wegen Zustimmung (Streitwert 6.962,53 EUR) über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 36 R 33/09h 42, womit infolge Berufung des Erstbeklagten das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 17 C 348/07g 30, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 17 C 348/07g 39, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Erstbeklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 556,99 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 92,83 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Über qualifizierte Mahnung der Klägerin an den Erstbeklagten, seine Bürgschaftsschuld in Höhe einer 20%igen Ausgleichsquote binnen 14 Tagen zu bezahlen, überwies der Zweitbeklagte, der Bruder des Erstbeklagten, fristgerecht den geforderten Betrag von 6.962,53 EUR an die Klägerin. Er fügte dem den Vorbehalt bei, dass die Höhe des Betrags richtig sei und in einem damals laufenden Verfahren [6 Cg 30/97v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien] eine vom Erstbeklagten eingewendete Gegenforderung vom Gericht nicht anerkannt werde.
Die Klägerin hinterlegte diesen Betrag gemäß § 1425 ABGB bei Gericht. Der Erlag wurde vom Bezirksgericht Döbling am zu 8 N[c] 22/96g 6 angenommen („zur Kenntnis genommen“).
Im Verfahren 6 Cg 30/97v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wurde die Zahlung des Zweitbeklagten für den Erstbeklagten von 6.962,53 EUR als Tilgung der Ausgleichsquote des Erstbeklagten als Bürgen gewertet (S 11 des Ersturteils; 6 Cg 30/97v 140; 146).
Während der Zweitbeklagte bereits laut rechtskräftigem Versäumungsurteil zur Zustimmung zur Ausfolgung des Hinterlegungsbetrags verpflichtet ist, hält der Erstbeklagte dem Begehren der Klägerin auf Zustimmung zur Ausfolgung des Hinterlegungsbetrags zusammengefasst entgegen, dass die beiden vom Zweitbeklagten der Zahlung beigesetzten Bedingungen nicht eingetreten seien, dass die Kreditforderung verjährt sei, und dass die Klägerin durch die Hinterlegung des Betrags in Gläubigerverzug geraten sei, weil sie die Zahlung nicht hätte zurückweisen dürfen. Tatsächlich habe die Klägerin durch die Hinterlegung eine schuldbefreiende Rückzahlung an den Zweitbeklagten bewirkt. Nur ein rechtskräftiger Titel [gemeint wohl über seine Zahlungsverpflichtung] berechtige die Klägerin, vom Erstbeklagten die Zustimmung zur Ausfolgung zu verlangen.
Beide Vorinstanzen verpflichteten den Erstbeklagten, in die Ausfolgung des hinterlegten Betrags einzuwilligen.
Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, und erst über Abänderungsantrag des Erstbeklagten (§ 508 ZPO), dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Voraussetzungen für die Ausfolgung eines gerichtlich hinterlegten Geldbetrags vorliege, wenn die Hinterlegung wegen der Absicht des Zahlenden auf Rücküberweisung [gemeint: Rückforderung] erfolgt sei und überdies die Anschrift des Zahlenden nicht bekannt gewesen sei.
Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben, wies jedoch ausführlich auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hin.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. An einen gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung und überwiegender Lehre verhindert die Zahlung einer Verbindlichkeit unter Vorbehalt der Rückforderung für den Fall des Nichtbestehens der Verbindlichkeit nicht die Tilgung der Schuld, falls sie besteht. Der Gläubiger darf daher die Leistung unter Vorbehalt nicht zurückweisen (9 ObA 44/88 = RdW 1988, 431; 2 Ob 188/99g; zuletzt 8 Ob 123/08h = JBl 2009, 451; Reischauer in Rummel 3 Rz 3 zu § 1412 ABGB mwN).
Tut er das dennoch, wie hier durch gerichtlichen Erlag, ist dem Erstbeklagten insoweit Recht zu geben, als der Gläubiger diesfalls in Annahmeverzug gerät. Allerdings wurde die Zahlung des Zweitbeklagten für den Erstbeklagten im Verfahren 6 Cg 30/97v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien der Klägerin gegenüber als die Schuld des Erstbeklagten in Höhe der Ausgleichsquote der Klägerin tilgend qualifiziert. Jedenfalls seit der Rechtskraft dieser Entscheidung wäre ein Annahmeverzug der Klägerin beendet.
Die Ausführungen der Revision über die Verjährung des quotenmäßigen Zahlungsanspruchs der Klägerin sind schon deshalb irrelevant, weil selbst ausgehend vom Datum der festgestellten Kreditgewährung bzw Bürgschaftsübernahme (1983) die maßgebliche 30 jährige Verjährungsfrist (vgl RIS Justiz RS0111283; RS0018003 [T1; T 2]; RS0034376 [T4] = SZ 71/201; M. Bydlinski in Rummel , ABGB 3 § 1480 Rz 7) nicht verstrichen wäre. Weder das Konkursverfahren noch der Zwangsausgleich veränderten zugunsten des Erstbeklagten die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln der Verjährung (vgl Lovrek in Konecny/Schubert , KO § 156 Rz 17 f).
Das Argument der Revision, die Klägerin habe durch die Hinterlegung einen Rückforderungsanspruch des Zweitbeklagten erfüllt, ist schon angesichts der Tatsache, dass der Zweitbeklagte rechtskräftig zur Zustimmung zur Ausfolgung verpflichtet wurde, obsolet. Dafür, dass dem Erstbeklagten selbst ein Rückforderungsanspruch aus rechtsgrundloser Leistung zustünde und er deshalb zur Verweigerung der Zustimmung zur Ausfolgung berechtigt wäre, kann der Erstbeklagte keinen mit der Sach und Rechtslage in Einklang zu bringenden schlüssigen Grund aufzeigen.
Ohne jede Relevanz für seine Verpflichtung, der Ausfolgung zuzustimmen, wäre auch, welche Hinterlegungsgründe seinerzeit von der Klägerin als Antragstellerin im Erlagsverfahren angegeben wurden. Diesbezüglich fehlt es auch an jeglichem Parteivorbringen, sodass entsprechende Feststellungen verzichtbar sind (§§ 482 Abs 2, 504 Abs 2 ZPO).
Insgesamt vermag die Revision daher keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Sie war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Auf die Unzulässigkeit der Revision hat die Klägerin hingewiesen, sodass selbst ohne ausdrücklichen Zurückweisungsantrag der Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente (vgl RIS Justiz RS0035979; RS0035962 ua).