OGH vom 21.10.2014, 4Ob96/14t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Österreichischer Verband der Impfstoffhersteller ÖVIH, *****, und 2. „P***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch DLA Piper Weiss Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 235/13 11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 53/13k 7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 7.877,83 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 858,97 EUR USt und 2.724 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstbeklagte ist ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder Impfstoffhersteller sind. Die Zweitbeklagte betreibt Import und Großhandel mit pharmazeutischen Produkten. Seit 1999 führen die Apothekerkammer und die Impfstoffhersteller jährlich im Herbst/Winter eine österreichweite Impfaktion für sämtliche zugelassenen Pneumokokken Impfstoffe durch.
Der Erstbeklagte veranstaltete mit finanzieller Unterstützung der Zweitbeklagten und einem weiteren Pharmaunternehmen von Mitte November bis Ende Dezember 2012 sowie von Mitte Jänner bis Ende Februar 2013 eine Inseratenkampange zum Thema Pneumokokken („Awarenesskampagne“). Dabei inserierte der Erstbeklagte mit dem Hinweis auf die freundliche Unterstützung der Zweitbeklagten und des weiteren bereits erwähnten Pharmaunternehmens in Printmedien unter der Schlagzeile „Für Erwachsene ab 50 sind Pneumokokken Thema!“ und schaltete Werbespots ähnlichen Inhalts im Österreichischen Rundfunk und Fernsehen. Ähnliche Inhalte bietet auch die Website des Erstbeklagten www.pneumokokkenab50.at, die auch einen entsprechenden Folder zum Download bereitstellt.
Das in den Printmedien geschaltete Inserat war wie folgt gestaltet:
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Gleichzeitig versandte der Erstbeklagte Informationsfolder an Ärzte und Apotheker mit der Überschrift „Pneumokokken sind Thema für ihre Patienten ab 50!“.
Im selben Zeitraum bewarb die Zweitbeklagte den von ihr gegen Pneumokokken entwickelten rezeptpflichtigen Impfstoff Prevenar 13 im Zug einer Impfaktion vom bis in der Apotheker und der Ärztekrone. Zusätzlich übermittelte sie auch eine entsprechende Patienteninformation an ordinierende Ärzte, wobei darin ein Hinweis, dass diese nicht zur Kenntnisnahme durch die Patienten, sondern ausschließlich durch Fachleute bestimmt sei, nicht enthalten war.
In Österreich sind für Erwachsene lediglich zwei Pneumokokken Impfstoffe zugelassen, nämlich der 13 Valente Impfstoff Prevenar 13 der Zweitbeklagten, zugelassen ab 18 Jahren, und der ab zwei Jahren zugelassene Impfstoff Pneumovax 23 des anderen Pharmaunternehmens, der mehr Bakterienstämme abdeckt. Beide Impfstoffe bilden den Gegenstand der vorher beschriebenen Impfaktion. Im Impfplan 2012 des Bundesministeriums für Gesundheit wurde die Empfehlung zur einmaligen Pneumokokken Impfung für Erwachsene ab dem Alter von 50 Jahren ausgesprochen. Dies mit dem Hinweis, dass die Durchimpfungsrate im geriatrischen Bereich noch viel zu niedrig sei, sodass Senioren häufig einer Pneumokokken Infektion erlägen. Der Impfplan 2013 empfiehlt eine derartige Impfung für Erwachsene ab dem 51. Lebensjahr, und zwar im Jahresabstand sowohl mit dem 13 als auch mit dem 23 valenten Impfstoff.
Die AGES berichtete für 2012 für Österreich von 255 Fällen invasiver Pneumokokken Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen, davon 21 Todesfälle. Von den Serotypen der 143 Erkrankten über 50 Jahren wurden die Typen bei 94 Erkrankten durch PNC13 (Prevenar), bei 111 Erkrankten durch PPV23 (Pneumovax 23) abgedeckt.
Für die Immunisierung der Bevölkerung gegen Pneumokokken ist vor allem die Impfung bei Kindern wesentlich, weil diese zu einem vielfach höheren Prozenzsatz Pneumokokken tragen und daher auch häufig eine Ansteckungsquelle für Ältere sind.
Die an die ordinierenden Ärzte übermittelte Patienteninformation hat einen ähnlichen Inhalt wie die oben dargestellten Inserate der Sensibilisierungskampagne. Sie unterscheiden sich aber dadurch, dass ausdrücklich auf die Pneumokokkenschutzimpfung verwiesen bzw diese empfohlen wird und weiters auf die Internetseite www.impfwelt.at hingewiesen wird, die unter anderem darlegt, dass die Erreger die bei 10 bis 40 % der Bevölkerung vorhanden seien, bei Risikogruppen wie älteren Menschen zu lebensbedrohlichen, auch tödlich verlaufenden, Erkrankungen führen könnten. Weltweit treten etwa 800.000 Todesfälle jährlich bei Erwachsenen auf. Bei 10 % der Erkrankten entwicklt sich eine invasive Erkrankung, die trotz intensivmedizinischer Behandlung tödlich verlaufen könne. Weder der konkret von der Zweitbeklagten vertriebene Impfstoff noch der des anderen Pharmaunternehmens wird in dieser Patienteninformation genannt. Diese sind ausschließlich in der Werbung in der Apotheker und der Ärztekrone genannt.
Der klagende Verein für Konsumenteninformation begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, es gegenüber medizinischen Laien zu unterlassen, Werbung für Impfstoffe der Zweitbeklagten zu machen, wenn darin ein Risiko, an Pneumokokken zu erkranken, dargestellt und der Patient zu näheren Information auf Arzt und Apotheker verwiesen werde, wobei gegenüber Ärzten und Apothekern zeitgleich Werbung für den Impfstoff der Zweitbeklagten gemacht werde (1.); Werbung für Impfstoffe in Foldern zu betreiben, die sie an Ärzte zur Auflage in ihren Praxen verteile (2.); medizinische Laien im Alter ab 50 Jahren zur Impfung gegen invasive Pneumokokkenerkrankungen mit dem Impfstoff der Zweitbeklagten zu bewegen, ohne gleichzeitig die ziffernmäßige Höhe des Risikos der angesprochenen Altersgruppe anzugeben, an einer invasiven Pneumokokkeninfektion zu erkranken (3.) und den unrichtigen Eindruck zu erwecken, der Impfstoff der Zweitbeklagten sei für die Indikation von Pneumokokkenerkrankungen allgemein zugelassen, sofern sich seine Zulassung tatsächlich nur auf invasive Pneumokokkenerkrankungen erstrecke (4.). Zusätzlich begehrte der Kläger die näher spezifizierte Urteilsveröffentlichung. Die Erstbeklagte habe sowohl in Printmedien als auch auf ihrer Website und im Rahmen von TV Werbespots im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass Pneumokokken ständig in der Bevölkerung zirkulierten und das Risiko für eine Pneumokokken Erkrankung sich ab dem Alter von 50 Jahren erhöhe und bestehende Erkrankungen das Risiko weiter erhöhten. Finanziert sei diese Werbung durch die Zweitbeklagte worden, die wiederum ihren Impfstoff in der Apotheker und der Ärztekrone beworben habe. Ärzte seien mit Flyern der Zweitbeklagten ausgestattet worden, auf deren Rückseite der Patient erfahre, dass es sich bei Pneumokokken um Bakterien handle, die zu gefährlichen und auch tödlichen Erkrankungen führen könnten. Der Impfstoff der Zweitbeklagten sei ein rezeptpflichtiges Arzneimittel, weswegen das Laienwerbungsverbot des § 51 Abs 1 Z 1 AMG gelte. Die Impfaktion der Zweitbeklagten, die auch der Erstbeklagte bewerbe, sei nicht von einer Gebietskörperschaft durchgeführt oder unterstützt, sodass die Ausnahmebestimmung des § 51 Abs 2 AMG nicht anzuwenden sei. Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 50 Abs 2 Z 3 AMG, zumal es sich nicht um seriöse Informationen über die Gesundheit oder Krankheiten von Menschen handle, zum anderen jedenfalls zumindest in indirekter Weise auf ein Arzneimittel Bezug genommen werde. Zusätzlich verwirkliche das Verhalten der Beklagten auch eine aggressive und irreführende Geschäftspraktik iSd §§ 1a und 2 Abs 1 Z 1 und 2 UWG.
Die Beklagten wendeten ein, dass die Awarenesskampagne, die Fachwerbung für den Impfstoff der Zweitbeklagten und die seit dem Jahr 1999 jährlich im Herbst/Winter durchgeführte österreichweite Impfaktion für sämtliche zugelassene Pneumokokken Impfstoffe sowohl zeitlich als auch inhaltlich und somit auch rechtlich vollkommen getrennt zu sehen seien. Einerseits gehe es um die Sensibilisierung für das erhöhte Risiko einer derartigen Infektion für Personen ab 50 Jahren, aus der nicht ersichtlich sei, dass es sich um eine Impfung handle. Um aber das Fachpublikum entsprechend vorzubereiten, da möglicherweise aufgrund dieser Kampagne vermehrt Anfragen zu diesem Thema kommen könnten, sei das Fachpublikum ohne Verweis auf die Impfstoffe über deren Stattfinden informiert worden. Die Fachwerbung wiederum habe sich ausschließlich an das Fachpublikum und nicht an Konsumenten gerichtet. Die Zweitbeklagte habe daher für ihren Impfstoff mit den beanstandenden Foldern keine Laienwerbung betrieben. Die von den Beklagten gesetzten Maßnahmen seien daher nicht wettbewerbswidrig, es liege keine unzulässige Arzneimittelwerbung und daher auch kein Verstoß gegen das UWG vor. Die Beklagten hätten allgemeine Informationen über die Gesundheit in Art und Weise und in einem Umfang wie es in den Impfplänen gut geheißen werde, erteilt.
Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Die Sensibilisierungskampagne habe keinen Bezug zu konkreten Impfstoffen hergestellt und sei daher durch den Ausnahmetatbestand des § 50 Abs 2 Z 3 AMG gedeckt. Die Inserate der Zweitbeklagten in der Apotheker und in der Ärztekrone hätten sich lediglich an Fachpersonal gerichtet und seien durch § 54 Abs 1 AMG gedeckt. Auch die an die Ärzte übergebenen Folder beinhalteten keinen Hinweis auf den Impfstoff der Zweitbeklagten, sodass auch keine Irreführung vorliege, zumal der kleingedruckte Hinweis auf die Zweitbeklagte im Verhältnis zur Sachinformation keine relevante Bedeutung für Patienten entfalte.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil sich die Beurteilung, ob unzulässige Arzneimittelwerbung vorliege, stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls richte. Die Beklagten stellten bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung aller durch das Erstgericht festgestellten, breit gestreuten Maßnahmen die Gefahr einer Pneumokokkenerkrankung ab dem 50. Lebensjahr blickfangartig ohne Hinweis auf die statistische Wahrscheinlichkeit einer Infektion und die Zulassung des Impfstoffs der Zweitbeklagten lediglich für invasive Pneumokokken Erkrankungen heraus. Gleichzeitig werde immer auf die „freundliche Unterstützung“ gerade auch der Zweitbeklagten hingewiesen, während diese in der Apotheker- und Ärztekrone unter Hinweis auf die Impfaktion Werbung für ihren Impfstoff mache. Auch diese zeitgleiche, an sich nach § 54 AMG zulässige Fachwerbung dürfe nicht von den anderen Maßnahmen isoliert betrachtet werden, weil es auf das Gesamterscheinungsbild ankomme. Nicht unerhebliche Teile der angesprochenen Kreise würden die „Informationen“ daher dahin verstehen, dass sie einen Arzt oder Apotheker konsultieren sollten, der wiederum bereits Adressat der Werbemaßnahme der Zweitbeklagten gewesen sei, die ihrerseits auf das statistische Infektionsrisiko nicht aufmerksam gemacht hätte. Dass die hier verwendeten, besorgniserregenden Angaben angesichts der verdünnten Informationslage geeignet seien, einen Kaufanreiz für den Impfstoff der Zweitbeklagten auszuüben, sei daher naheliegend. Dieser Anreiz werde auch nicht dadurch aufgehoben, dass der Handelsname des von der Zweitbeklagten vertriebenen Medikaments erst beim Arzt, in der Apotheke oder im Internet erfragt werden müsse, weil dieser Impfstoff ausreichend individualisierbar sei. Die beanstandenden Maßnahmen seien daher nach ihrem Inhalt (obgleich getarnte) Maßnahmen der Absatzförderung. Darin liege bei der gebotenen vernetzten Betrachtungsweise Kern und Inhalt der weit über eine bloße Sensibilisierung hinausgehenden Kampagne, die somit als Werbung zu beurteilen sei. Im Ergebnis liege eine unzulässige, an Laien adressierte Werbung für ein rezeptpflichtiges Arzneimittel vor, sodass schon deswegen die Unterlassungsklage berechtigt sei. Zusätzlich sei auch ein Lauterkeitsverstoß der Beklagten zu bejahen, weil ein Wettbewerber, der eine Vorschrift missachte, die seine gesetzestreuen Mitbewerber befolgen, sich gegenüber diesen einen ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb verschaffe, wenn der Verstoß geeignet sei, die Wettbewerbslage irgendwie zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Angesichts der Breite der von den Beklagten veranstalteten Kampagne sei die Eignung zur Wettbewerbsbeeinflussung zu bejahen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung sämtlicher Klagebegehren anstreben, ist mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 50 Abs 2 Z 3 AMG zulässig und auch berechtigt.
Als „Werbung für Arzneimittel“ gelten alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und Marktbearbeitung und zur Erschaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern (§ 50 Abs 1 AMG). Darunter fällt nach der Rechtsprechung jede Maßnahme, die nach ihrem Gesamterscheinungsbild bestimmte oder zumindest individualisierbare (vgl RIS Justiz RS0108558) Arzneimittel in der Absicht anpreisen, damit deren Absatz zu fördern (4 Ob 33/09w mwN; RIS Justiz RS0117614). Für die Frage, ob die veröffentlichte Information Angaben über ein bestimmtes Arzneimittel enthält und das Ziel verfolgt, den Absatz dieses Arzneimittels zu fördern, ist die Auffassung der Verkehrskreise entscheidend, an die sich die Angaben richten (4 Ob 33/09w mwN).
Die vom Kläger beanstandete Laienwerbung ist daher danach zu beurteilen, welchen Eindruck die angesprochenen Patienten aufgrund der an sie gerichteten Inserate in verschiedenen Medien, allenfalls ergänzt um die Patienteninformation, die niedergelassenen Ärzten zur Weiterleitung an die Patienten überlassen wurde, gewinnen. Dass die Zweitbeklagte daneben konkret auf ihren Impfstoff bezogene Werbung an Ärzte und Apotheker richtet, etwa durch Inserate in einschlägigen Zeitschriften, hat hingegen außer Betracht zu bleiben, weil sich diese Werbung nicht an die Patienten (Laien) richtet, welche durch das Laienwerbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel geschützt werden sollen.
Für die Frage, ob die veröffentlichte Information Angaben über ein bestimmtes Arzneimittel enthält und das Ziel verfolgt, den Absatz dieses Arzneimittels zu fördern, ist das Fehlen der Produktbezeichnung nicht ausschlaggebend. Arzneimittelwerbung liegt auch dann vor, wenn zwar die Bezeichnung des Arzneimittels nicht ausdrücklich genannt wird, den angesprochenen Verkehrskreisen aber aufgrund der Werbeaussage klar ist, auf welches Arzneimittel sich die (als Kaufanreiz verstandene) Aussage bezieht (4 Ob 81/07a mwN). Im vorliegenden Fall beziehen sich die vom Kläger beanstandeten Inserate, aber auch die an niedergelassene Ärzte übermittelte Patienteninformation, nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, dieses wird nicht nur nicht ausdrücklich genannt, sondern auch nicht etwa nach dem enthaltenen Wirkstoff oder seiner konkreten Wirkungsweise beschrieben (anders als zu 4 Ob 81/07a). Aus der Erwähnung der Zweitbeklagten (und des anderen Pharmaunternehmens) als Unterstützer der Inserate und Folder mag der Verbraucher schließen, dass die Zweitbeklagte (und das andere genannte Unternehmen) in der einen oder anderen Form an den Vorsorgemaßnahmen im Allgemeinen oder auch an der in der Patienteninformation ausdrücklich angesprochenen Schutzimpfung ein wirtschaftliches Interesse hat, allenfalls auch der Hersteller eines Impfstoffes ist, die Information stellt sich aber nicht als Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel dar.
§ 50 Abs 2 Z 3 AMG (wortgleich mit dem zugrundeliegenden Art 86 Abs 2 4. Spielstrich der RL 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Erschaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel) nimmt Informationen über die Gesundheit oder die Krankheiten des Menschen, sofern darin nicht, auch nicht in indirekter Weise auf ein Arzneimittel Bezug genommen wird, von den Werbebeschränkungen des AMG aus. Rein informatorische Angaben ohne Werbeabsicht fallen nicht unter die genannte Richtlinie über die Werbung für Arzneimittel. Die Frage, ob die Verbreitung von Informationen ein Werbeziel beinhaltet, ist durch eine konkrete Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Die Verschreibungspflichtigkeit von Arzneimitteln stellt sicher, dass mögliche Anreize aufgrund objektiver Informationen über Arzneimittel nicht unmittelbar in eine Kaufentscheidung umgesetzt werden können und dass die endgültige Entscheidung über das vom Patienten einzunehmende Mittel weiterhin beim behandelnden Arzt liegt. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Arzt aufgrund der Bitte eines informierten Patienten dazu veranlasst werde, ein anderes Arzneimittel als das von ihm zunächst bevorzugte zu verschreiben, und dass sich die sachliche Information daher wenn auch nur geringfügig absatzsteigernd auswirkt. Eine solche Möglichkeit reicht aber nicht aus, um dem Arzneimittelhersteller Werbeabsicht zu unterstellen. Außerdem stellt sie grundsätzlich keine besondere Gefahr für die Gesundheit des Patienten dar, wenn aus ärztlicher Sicht die Verschreibung des einen wie des anderen Mittels in Betracht kommt, und kann nicht die Objektivität beeinträchtigen, die der Arzt ohnehin wahren muss, wenn er einem Patienten ein Arzneimittel verschreibt (EuGH, 10 316/09, Rz 32 f, Rz 36 f).
Selbst bei Anlegung des bei Arzneimittelwerbung gebotenen strengen Maßstabs (vgl RIS Justiz RS0121785) ist für den Durchschnittsempfänger der beanstandeten an Laien gerichteten Werbemaßnahmen der Beklagten die Information über die für bestimmte Personengruppen mit Pneumokokken verbundenen Gefahren nicht mit einer Werbung für einen bestimmten Impfstoff der Zweitbeklagten gleichzusetzen, selbst wenn aus der Patienteninformation klar erkennbar wird, dass dies aber ganz allgemein eine Schutzimpfung und deswegen ein Besuch bei einem niedergelassenen Arzt empfohlen wird. Ein konkreter Kaufanreiz in Ansehung des Impfstoffs der Zweitbeklagten wird durch die Informationskampagne nicht geschaffen. Im Übrigen müsste sonst jede auch noch so zurückhaltende sachliche Information der Öffentlichkeit über Impfungen und Impfaktionen immer eine unzulässige Laienwerbung sein, weil aus dem Zweck der Impfung fast immer auf ein konkretes Arzneimittel (Impfstoff) geschlossen werden kann und allein daraus Werbeabsicht unterstellt werden könnte.
Mag auch die in der beanstandeten Sensibilisierungskampagne gebotene Information bloß kursorisch sein, kann doch keine Rede davon sein, dass falsche oder in Bezug auf den ohnehin nie genannten Impfstoff der Zweitbeklagten irreführende Angaben gemacht worden wären. Auch das vom Kläger mehrfach behauptete „Horrorszenario“ ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar. Dass die Angesprochenen den Eindruck gewinnen, eine Impfung gegen Pneumokokken sei geeignet, Gesundheitsrisiken zu vermindern bzw für ihre gesundheitliche Situation förderlich, ist im Hinblick auf die festgestellte Impfempfehlung des Bundesministeriums für Gesundheit (Impfpläne 2012 und 2013) nicht zu beanstanden. Gesundheitsinformationen müssen immer einen Mittelweg zwischen dem Erfordernis deutlicher Ansprache möglicher gesundheitlicher Probleme und Gefahren einerseits und der möglichsten Schonung allenfalls besonders empfindlich reagierender Einzelpersonen andererseits finden.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Beklagten nicht gegen die Werbebeschränkungen des AMG (verbotene Laienwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel) verstoßen haben. Es liegt daher auch kein Lauterkeitsverstoß im Sinne ungerechtfertigten Vorsprungs im Wettbewerb durch Rechtsbruch vor. Ebensowenig ist die beanstandete Information als aggressive oder irreführende Werbung zu beurteilen. Da keine Information über den konkreten Impfstoff der Zweitbeklagten erteilt wurde, scheidet eine diesbezügliche Irreführung über dessen beschränkte Zulassung für invasive Pneumokokkenerkrankungen von vornherein aus.
Das klageabweisende Ersturteil ist daher wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00096.14T.1021.000