OGH vom 15.09.2015, 4Nc18/15g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Rassi als weitere Richter in der beim Handelsgericht Wien anhängigen Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Cizek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** KG, *****, 2. Ing. Markus H*****, beide vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung/Stufenklage und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 70.000 EUR), über den Delegierungsantrag der beklagten Parteien in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der beklagten Parteien, die Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck zu delegieren, wird abgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 765,25 EUR (darin 127,54 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Äußerung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit ihrer beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage macht die klagende Partei Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung wegen behaupteter Verletzungen ihrer unter anderem durch eine Gemeinschaftsmarke geschützten Marken- bzw Kennzeichenrechte geltend. Sie stützte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf § 69d MSchG.
Die beklagten Parteien beantragten, die Rechtssache aus Gründen der Zweckmäßigkeit an das Landesgericht Innsbruck zu delegieren. Die angebotenen Zeugen seien in Tirol aufhältig. Auch sei der von ihr beantragte Lokalaugenschein im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck durchzuführen. Der ausschließliche Gerichtsstand stehe der Delegation nicht entgegen.
Die klagende Partei bestritt die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegation und sprach sich dagegen aus. Eine solche sei wegen des in Art 96 GMV normierten Zwangsgerichtsstands auch nicht zulässig. Sie wies darauf hin, dass ihr Geschäftsführer im Raum Mailand wohne. Er könne zur Parteienvernehmung einfacher und kostengünstiger nach Wien anreisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist nicht begründet.
1. Eine Delegation nach § 31 JN soll nur den Ausnahmefall darstellen; keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS Justiz RS0046441). Gegen den Willen der anderen Partei ist eine Delegation nach ständiger Rechtsprechung nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS Justiz RS0046589; RS0046324).
2. Neben der von der klagenden Partei für Streitigkeiten aus einer Gemeinschaftsmarke herangezogenen Bestimmung des § 69d MSchG ordnet § 53 JN an, dass das Handelsgericht Wien für Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten ausschließlich zuständig ist. Es handelt sich bei § 69d MSchG bzw § 53 JN um eine individuelle Zwangszuständigkeit, bei der eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen ist ( Mayr in Rechberger 4 § 53 JN Rz 2; Simotta in Fasching/Konecny 3 § 53 JN Rz 9, Vor §§ 83a, 83b JN Rz 11 und § 104 JN Rz 151/2). Bei Vorliegen eines Zwangsgerichtsstands ist eine besondere sorgfältige Prüfung der Zweckmäßigkeitsprüfung notwendig ( Mayr in Rechberger 4 § 31 JN Rz 1 und 4).
3.1 Hier ist vor allem der Zweck der Konzentration der Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten beim Handelsgericht Wien zu berücksichtigen. Dadurch, dass über Klagen wegen Verletzung von gewerblichen Schutzrechten ein und dasselbe Gericht zu entscheiden hat, soll eine einheitliche rechtliche Beurteilung bei der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten erreicht werden. Die Konzentrierung dieser Verfahren beim Handelsgericht Wien trägt dazu bei, dass sich Richter auf dieses Fachgebiet spezialisieren können ( Simotta in Fasching/Konecny 3 § 53 JN Rz 7).
3.2 Bereits die ratio legis der vom Gesetz angeordneten bundesweiten Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien schließt es im Allgemeinen aus, die Zweckmäßigkeit einer Delegation allein auf den Umstand zu stützen, dass Teile des Beweisverfahrens mit geringerem Aufwand vor einem anderen Gericht durchgeführt werden könnten. Zudem sind keine Gründe offensichtlich, die einer Vernehmung auswärtiger Zeugen im Wege einer Videokonferenz entgegenstehen würden.
4. Der Antrag war daher abzuweisen, ohne dass darauf eingegangen werden musste, ob Art 96 GMV einer Delegation zwingend entgegensteht.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO. Der erfolglose Delegierungswerber hat dem Prozessgegner dessen notwendige Kosten seiner ablehnenden Äußerung zum Delegierungsantrag unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen (RIS Justiz RS0036025), dies allerdings nach TP 2 (9 Nc 8/15y; RIS Justiz RS0036025 [T1]).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0040NC00018.15G.0915.000