OGH vom 11.08.2005, 4Ob96/05d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kammer der Wirtschaftstreuhänder, *****, vertreten durch Dr. Hanno Liebmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Watzenböck, Dr. Christa Watzenböck, Rechtsanwälte in Kremsmünster, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 10/05m-12, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom , GZ 26 Cg 160/04f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist die Körperschaft öffentlichen Rechts, die zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder, das sind all jene, die durch Bestellung oder Anerkennung zur selbstständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs berechtigt sind, errichtet wurde.
Die Beklagte übt einerseits das Güterbeförderungsgewerbe aus und betreibt andererseits einen Handel mit Mineralölen und Treibstoffen. Sie hat sich auf die Betankung von Lastkraftwagen ausländischer Unternehmen spezialisiert und betreibt eigene Tankstellen. Für ausländische Unternehmer bietet die Beklagte einen Mehrwertsteuer-Rückerstattungs-Service an. Über Kundenwunsch wickelt sie im Vollmachtsnamen bei dem dafür zuständigen Finanzamt Graz-Stadt die Mehrwertsteuer-Rückerstattung ab. Anfangs unterschrieben die Kunden noch selbst die entsprechenden Rückerstattungsanträge, dann wies das Finanzamt die Beklagte darauf hin, dass sie dies im Vollmachtsnamen für ihre Kunden machen könne. Am stellte die Beklagte einen Antrag auf Zulassung als Fiskalvertreterin für ihre ausländischen Kunden zur Geltendmachung der Vorsteuererstattungsansprüche. Eine schriftliche bescheidmäßige Erledigung dieses Antrags erfolgte nie. Das Finanzamt Graz-Stadt erlässt einen schriftlichen Bescheid nur im Falle der Ablehnung eines Antrags auf Zulassung als Fiskalvertreter. Ansonsten werden die im Vollmachtsnamen gestellten Rückerstattungsanträge - die Beklagte reichte im Jahr 2004 etwa 200 für ausländische Kunden ein - ohne jegliche Einwände positiv erledigt.
Die Beklagte lässt sich von den Kunden, die ihr Mehrwertsteuer-Rückerstattungs-Service in Anspruch nehmen, eine bis auf ausdrücklichen Widerruf geltende Vollmacht zum Einschreiten als Fiskalvertreterin und als Zustellungsbevollmächtigte unterschreiben, die auch eine Zessionserklärung enthält. Diese Vollmacht legt sie dem Finanzamt Graz-Stadt bei der erstmaligen Einreichung eines Rückerstattungsantrages für den betreffenden ausländischen Kunden vor. Die Tätigkeit der Beklagten erschöpft sich im Ausfüllen der dafür aufgelegten Antragsformulare (U 5), in der Sortierung und Nummerierung der Belege und in der Eintragung der sich daraus ergebenden Mehrwertsteuersumme. Nach Rückerstattung oder Gutschrift der Mehrwertsteuer durch das Finanzamt an die Beklagte erteilt diese ihrerseits ihren Kunden eine entsprechende Gutschrift. Weitere Tätigkeiten führt die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht aus.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ohne die erforderliche Berechtigung einen Wirtschaftstreuhandberuf auszuüben und insbesondere die Vertretung vor Finanzbehörden anzubieten, die Steuerberater, Buchprüfern und Wirtschaftsprüfern vorbehalten ist. Die vertretungsweise Geltendmachung der Umsatzsteuer-Rückerstattung sei Steuerberatern, Buchprüfern und Wirtschaftsprüfern vorbehalten. Die Beklagte sei nicht Mitglied der Klägerin, erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe nicht und sei daher nicht berechtigt, mit Leistungen zu werben oder Leistungen anzubieten und zu erbringen, die den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehalten seien. Sie verstoße dadurch, dass sie die laufende vertretungsweise Geltendmachung der Umsatzsteuer-Rückerstattung vor den Finanzbehörden anbiete und ausübe, bewusst gegen die §§ 3 bis 5 sowie 116 Z 1 WTBG und erwecke damit den unzutreffenden Eindruck, sie dürfe als Vertreterin vor Finanzbehörden auftreten. Das Verhalten der Beklagten sei grob sittenwidrig und irreführend im Sinn der §§ 1 und 2 UWG.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Beim Verfahren betreffend die Mehrwertsteuer-Rückvergütung handle es sich um einen standardisierten und rein technischen Vorgang, der keine Kenntnisse des österreichischen Steuerrechts erfordere und daher nicht vom Vorbehaltsbereich der Wirtschaftstreuberufe erfasst werde. Die Beklagte sei über ihren Antrag schlüssig als Fiskalvertreterin zugelassen worden und seither als solche ohne Anstände tätig. Ihr Vorgehen sei rechtlich gedeckt, weder sittenwidrig noch irreführend, sie stehe auch in keinem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte übe keine den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehaltene Tätigkeit aus. Die Rechtmäßigkeit der durch Vollmacht gedeckten Vertretungstätigkeit der Beklagten werde dadurch nicht berührt, dass das zuständige Finanzamt Graz-Stadt entgegen bestehenden Vorschriften in der Praxis keine schriftliche Zulassung ausfertige, sondern die Beklagte lediglich stillschweigend als Fiskalvertreterin zulasse.
Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Sicherungsantrags und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000,-- EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs wegen über den Einzelfall hinausgehender Problematik zulässig sei. Dass sich die Beklagte mit der bloß faktischen Akzeptanz als Fiskalvertreterin zufrieden gegeben habe und keine Rechtsbehelfe zur Erzwingung eines förmlichen Zulassungsbescheids ergriffen habe, könne nicht als sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG gewertet werden. Da eine Vertretung in Abgabenverfahren grundsätzlich möglich sei und die Abgabenbehörde die Behebung etwaiger Mängel der Vertretungsbefugnis amtswegig zu veranlassen oder Bevollmächtigte abzulehnen habe, welche die Vertretung anderer ohne entsprechende Befugnis geschäftsmäßig betreiben, habe die Beklagte mangels jeglicher Beanstandungen durch das Finanzamt Graz-Stadt davon ausgehen können, dass sie (bis auf Widerruf) zugelassene Fiskalvertreterin ihrer ausländischen Kunden sei. Jedenfalls sei eine solche Rechtsauffassung mit gutem Grund vertretbar, weshalb das darauf beruhende Tätigwerden der Beklagten bei der Beantragung und Abwicklung der Umsatzsteuer-Rückerstattung für ihr dazu Vollmacht erteilende ausländische Kunden nicht als ein subjektiv vorwerfbares, gegen das Anstandsgefühl der betroffenen Verkehrskreise verstoßendes Handeln anzusehen sei. Fehle Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines bestimmten Verhaltens, so sei bei der Beurteilung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung im Sinn des § 1 UWG gerade auf die von der zuständigen Verwaltungsbehörde vertretene Rechtsauffassung und die ständige Verwaltungspraxis abzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts (§§ 508a Abs 1, 528 Abs 3 letzter Satz ZPO iVm §§ 78 und 402 Abs 4 EO) nicht zulässig.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass sittenwidriges Handeln im Sinn des § 1 UWG dann ausscheidet, wenn die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (4 Ob 256/02d = ÖBl 2003, 270 - Screening mwN; 4 Ob 44/02b = ÖBl 2002, 270 - Unternehmensberater = SZ 2002/35 mwN uva). Im Gegensatz zu der von der Revisionsrekurswerberin vertretenen Auffassung steht der Wortlaut der für die Zulassung als Fiskalvertreter maßgeblichen Gesetzesbestimmung (§ 27 Abs 8 UStG) der Ansicht des für das Zulassungsverfahren allein zuständigen Finanzamts Graz-Stadt, berechtigte Zulassungsanträge nicht schriftlich bescheidmäßig erledigen zu müssen, nicht entgegen. Darüber hinaus ist es für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten unerheblich, ob die für die Zulassung als Fiskalvertreter zuständige Behörde ihren Willen in der richtigen Form zum Ausdruck gebracht hat (4 Ob 1045/94). Ebenso unerheblich ist, ob die behördliche Entscheidung inhaltlich richtig ist (4 Ob 49/92, 4 Ob 1045/94).
Das beanstandete Verhalten ist im Übrigen schon deshalb nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil es - klammert man den unwahrscheinlichen Fall aus, dass ein Unternehmen darauf besteht, einen (positiven) Bescheid zu erhalten, obwohl das Finanzamt es auf Grund seines Antrags ohnehin als Fiskalvertreter akzeptiert - gar nicht geeignet ist, der Beklagten einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Das Finanzamt behandelt alle Unternehmen gleich; positiv beurteilte Anträge auf Zulassung als Fiskalvertreter werden nicht bescheidmäßig erledigt. Auch die Mitbewerber der Beklagten brauchen daher nicht abzuwarten, bis das Finanzamt ihren Zulassungsantrag mit Bescheid bewilligt, sondern die von ihnen im Vollmachtsnamen eingereichten Anträge auf Umsatzsteuer-Rückerstattung werden sachlich erledigt.
Da das Rekursgericht den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt ist und die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist ihr Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Fundstelle(n):
NAAAD-70566