OGH vom 22.06.2010, 5Ob6/10h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beatrix P*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Teilung (Streitwert 400.718,01 EUR), über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 211/08y-19, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 22 Cg 275/07b-10, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Beide Rekurse werden zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind ungeachtet des vom Berufungsgericht ausgesprochenen, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) Rechtskraftvorbehalts nicht zulässig . Gemäß der auch hier anwendbaren Regelung des letzten Satzes des § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (RIS-Justiz RS0043691).
1. Zum Rekurs der Klägerin:
1.1. Die für die Naturalteilung nach § 843 ABGB aufgestellten Grundsätze gelten auch für die Begründung von Wohnungseigentum durch Richterspruch nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG (RIS-Justiz RS0110439 [T1]). Dieser als Sonderform der Naturalteilung qualifizierten Teilung (RIS-Justiz RS0106352; RS0013236 [T2]) kommt demnach der Vorrang vor der Zivilteilung dann zu, wenn sie möglich und tunlich ist (RIS-Justiz RS0106351 [T3]). Die Naturalteilung ist möglich, wenn die Sache ohne wesentliche Wertminderung geteilt werden kann und rechtliche Hindernisse nicht entgegen stehen (RIS-Justiz RS0013831 [T5]), wenn also die Sache (physisch bzw im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung käme (vgl 5 Ob 36/09v = RIS-Justiz RS0013831 [T10] = RS0013829 [T13] = RS0013854 [T9] = RS0013856 [T11]). Der von der Beklagten in Erwiderung der von der Klägerin behaupteten „Teilbarkeit ohne jede Äquivalenzstörung“ (S 3 der Klage) eingewendeten „drastischen Wertminderung“ bei Begründung von Wohnungseigentum (S 3 ON 4; weiters ON 8) kommt daher entscheidende Bedeutung zu, auch wenn sie ihre Ursache in einer gesetzlich zulässigen Teilungsart haben sollte. Eine erhebliche Rechtsfrage vermag die Klägerin dazu somit nicht darzustellen.
1.2. Die Klägerin missversteht die im Aufhebungsbeschluss vertretene Rechtsansicht, wenn sie vermeint, das Berufungsgericht habe die Prüfung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit aufgetragen. Vielmehr erachtet es die vom Erstgericht als gerichts- und/oder offenkundig angesehene Tatsache des Eintritts einer wesentlichen Wertminderung im Fall der begehrten Teilung durch Begründung für Wohnungseigentum als beweisbedürftig. Angesichts der Judikatur, wonach Allgemeinkundigkeit einer Tatsache voraussetzt, dass sie ohne besondere Fachkenntnisse einer beliebig großen Anzahl von Menschen bekannt oder doch ohne Schwierigkeiten jederzeit zuverlässig wahrnehmbar sind (RIS-Justiz RS0040237; RS0110714), was für die hier zu beurteilende Tatfrage, die unter anderem Fachkenntnisse über den Immobilienmarkt erfordert, keinesfalls zutrifft, kann darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erblickt werden. Im Übrigen bedarf die rechtliche Beurteilung, ob eine allenfalls eintretende Wertminderung erheblich ist, der Feststellung der gegenüberzustellenden Schätzwerte.
2. Zum „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs - § 519 iVm § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO) der Beklagten:
2.1. Es ist nach herrschender Rechtsprechung unzulässig, bei der Ausführung eines Rechtsmittels auf den Inhalt anderer Schriftsätze oder pauschal auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen; nur die im Rechtsmittel selbst enthaltenen Ausführungen und Argumente können Berücksichtigung finden (RIS-Justiz RS0043616). In der Rechtsrüge muss bestimmt begründet werden, warum der festgestellte Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt wurde oder dass infolge eines Rechtsirrtums eine entscheidungswesentliche Tatsache nicht festgestellt wurde; es fehlt daher an einer gesetzmäßigen Ausführung, wenn sich die Klägerin mit den Argumenten des Berufungsgerichts gar nicht auseinandersetzt (RIS-Justiz RS0043312 [T9 und T 13]).
2.2. Warum die zum Anlass für die Zulassung des Rekurses genommene Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Belastung mit einem Fruchtgenussrecht bei hohem Alter des Berechtigten könne zwar bei begehrter Zivilteilung das vorübergehende Teilungshindernis der Unzeit begründen, mangels bevorstehender Feilbietung nicht jedoch im Fall einer Realteilung unrichtig sein sollte, zeigt die Beklagte nicht auf; sie bezeichnet sie nur unbegründet als unrichtig. Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage releviert die Beklagte daher gar nicht (gesetzmäßig), sodass darauf nicht weiter einzugehen ist (RIS-Justiz RS0043312 [T3]).
2.3. Soweit die Beklagte den Eintritt einer Wertminderung bei Begründung von Wohnungseigentum „bereits für sich“ aus der Änderung von schlichtem Miteigentum auf Wohnungseigentum ableitet, ist sie auf Punkt 1.2. dieses Beschlusses und die dort dargelegte Beweisbedürftigkeit dieser (und aller für die Schätzung relevanter) Tatsachen zu verweisen.
2.4. Die von der Beklagten ohne Bezug zu einer Wertminderung eingewendete, vor allem aus der Änderung der Rechtslage abgeleitete Nachteiligkeit der Begründung von Wohnungseigentum hat das Berufungsgericht nicht als Teilungshindernis iSd § 830 ABGB angesehen. Diese Rechtsansicht erweist sich schon deshalb als jedenfalls vertretbar, weil nach ständiger Judikatur nur vorübergehende Ausnahmezustände, die in absehbarer Zeit aufhören oder beseitigt werden können, einen Hinderungsgrund darstellen (RIS-Justiz RS0013287 [T1]; RS0013321; Sailer in KBB² § 830 ABGB Rz 6), was die teilungsunwillige Beklagte konkret zu behaupten gehabt hätte (RIS-Justiz RS0013279).
2.5. Sie hat in erster Instanz auch weder Vorbringen zu einem (dem Grundbuch gar nicht entnehmbaren) „Schenkungsvertrag“ zwischen der Klägerin und dem Fruchtgenussberechtigten noch zur Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots zu dessen Gunsten oder einem bestimmten „Vertragswillen der Fruchtgenussparteien“ erstattet. Die somit auf unzulässigen Neuerungen aufbauende Argumentation zu einem vertraglichen Teilungshindernis und fehlenden Feststellungen muss daher unberücksichtigt bleiben.
2.6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Rekursbeantwortung der Klägerin hat nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rekurses hingewiesen (RIS Justiz RS0035962).