OGH vom 05.11.1991, 4Ob95/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** S.p.A., ***** Italien, vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm.Otto F*****, Klagenfurt, *****, vertreten durch Dr.Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 460.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 302/90-24, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ 23 Cg 168/90-17, in seinen Punkten 3 und 4 abgeändert wurde, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der im Jahr 1965 verstorbene Architekt Le Corbusier hatte in den Jahren 1928/29 gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Charlotte Perriand und Pierre Jeanneret eine Serie von Möbelstückmodellen entworfen, die dem Bauhausstil zugerechnet werden. Zu diesen Möbeln gehört auch eine Caise-longue mit stufenloser Regulierung, welche vom Atelier Thonet, Paris, in verschiedenen Varianten (aus gebogenem Holz; aus laminierten Holz; mit vereinfachter Stützstruktur ohne Gewebeauflage, mit naturfarbenem Stoff bezogen, Kissen und Fußstütze aus Naturleder; mit Stützstruktur der Ruhefläche aus Metallnetzgewebe, Bezug aus Fohlenfell, Gestell in grau-blau und grau-schwarz lackiert) erzeugt wurde. Der Prototyp dieser Liege aus dem Jahr 1928 hatte folgendes Aussehen (Beilage F3):
Abbildung nicht darstellbar!
Am erneuerte die Klägerin - eine AG italienischen Rechtes - eine mit der Stiftung Le Corbusier als Erbin und Inhaberin der Urheberrechte Le Corbusiers und als Verteterin Charlotte Perriands und der Erbin nach Pierre Jeanneret geschlossene Vereinbarung über die Herstellung und den Verkauf der Möbel von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand; mit dieser Vereinbarung war der Klägerin das ausschließliche Recht eingeräumt worden, auf der ganzen Welt die Le Corbusier-Möbel, darunter auch die Chaise-longue mit stufenloser Regulierung (in dem Vertrag als "LC 4" bezeichnet), herzustellen und zu verkaufen. Die Klägerin produziert und vertreibt die Liege "LC 4" in einer Version aus vernickeltem Stahl seit 1965, in einer Version aus lackiertem Stahl seit 1974 und einer weiteren Version seit 1978. Diese von der Klägerin erzeugten Liegen haben folgendes Aussehen (Beilagen F4, F5 und E):
Abbildung nicht darstellbar!
Der Beklagte betreibt in Klagenfurt den Handel mit Möbeln. In der Zeit von 1988 bis 1990 bezog er von der Firma "Danish Rattan AS", Dänemark, insgesamt sieben Liegen, und zwar eine mit der Modellbezeichnung "Copenhagen" und sechs mit der Modellbezeichnung "Bolongia". Einige davon verkaufte er an Einzelhändler in Österreich; dabei verwendete er auch einen Katalog der "Danish Rattan AS", in welchem ua folgende gleichartige Liegen abgebildet waren (Beilage A):
Abbildung nicht darstellbar!
Der Katalog der Firma "Danish Rattan AS", in welchem der Beklagte als deren Vertreter in Österreich angeführt ist, enthält keinen Hinweis auf Le Corbusier. Dem Beklagten war weder bei Import noch bei der Weiterverkäußerung der Liegen bekannt, daß sie Nachbildungen der Chaise-longue des Architekten Le Corbusier sind.
Im Zuge des vorliegenden Verfahrens teilte der Beklagte seinen Kunden in einem Rundschreiben mit, daß solche Liegen ab sofort bei ihm nicht mehr erhältlich seien. Er bot der Klägerin den Abschluß eines Unterlassungsvergleiches unter Tragung von 75 % deren Kosten an; zur gleichfalls geforderten Rechnungslegung war er im Vergleichsweg jedoch nicht bereit. Er verlangte von der Klägerin auch, daß sie ihn gegenüber Regreßforderungen allfälliger Nachmänner schad- und klaglos halte.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, eine Imitation der Corbusier-Liege gemäß Beilage A anzubieten und zu verkaufen. Sie habe das ausschließliche und weltweite Nutzungsrecht an Modellen des Architekten Le Corbusier und dessen Mitarbeitern erworben, sohin auch für das Gebiet der Republik Österreich. Die Chaise-longue mit stufenloser Regulierung genieße hier als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz. Für diese weltbekannte Liege habe kein Werk eines anderen Künstlers als Vorbild gedient. Die Eigentümlichkeit dieser Schöpfung liege insbesondere in der dreifach gebrochenen Linie der Sitz- bzw Liegefläche, der markanten Nackenrolle und der - im Gegensatz zur gebrochenen Linienführung der Liegefläche stehenden - halbkreisförmigen Halterung. Durch den Vertrieb von Plagiaten solcher Liegen greife der Beklagte in die Verwertungsrechte der Klägerin ein. Sollte aber die Chaise-longue mit stufenloser Regulierung keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, dann verstoße die Handlungsweise des Beklagten gegen § 1 UWG.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Die Klägerin habe mit den von ihr vorgelegten Urkunden weder den Werkcharakter der Le Corbusier-Liege noch das Bestehen eines Ausschließlichkeitsrechtes bescheinigt. Für die Beurteilung eines allfälligen urheberrechtlichen Schutzes wäre zumindest die Vorlage von Originalskizzen sowie einer Expertise erforderlich gewesen. Die Klägerin bezeichne die von ihr selbst vertriebenen Liegen als die weltberühmte "Le Corbusier-Liege"; diese sei jedoch nicht das Orginalmodell, sondern eine Nachbildung eines allfälligen Originals. Da es auch mehrere Varianten der Chaise-longue mit stufenloser Regulierung gegeben habe, müsse gefolgert werden, daß die von der Klägerin vertriebenen Liegen nicht mit dem Urentwurf übereinstimmten. Nur ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der angewandten Kunst könne beurteilen, welche Variante dem Urentwurf entspricht. Aus den vorgelegten Abbildungen ließen sich aber auch nicht die für die Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzes wesentlichen Maße des Originals entnehmen; auch diese nur durch Sachverständige lösbare Frage könne im Provisorialverfahren nicht geklärt werden. Bei der Corbusier-Liege überrage das technische Prinzip bei weitem die Gestaltungsmöglichkeiten. Dieses technische Prinzip liege in der 3-fach geknickten Liegefläche und der durch den Halbkreis verwirklichten stufenlosen Verstellbarkeit; es sei urheberrechtlich nicht geschützt. Im übrigen seien in den Jahren 1910 bis 1930 eine Reihe gleichartiger Möbelstücke von diversen Künstlern entworfen worden. So weise auch der verstellbare Liegestuhl Ludwig Mies van der Rohes (Endentwurf 1931) die 3-fach geknickte Liegefläche auf. Ohne Sachverständigen könne auch nicht geklärt werden, ob die Entwürfe Ludwig Mies van der Rohes zeitlich vor dem des Architekten Le Corubsier liegen. Auch mehrere tschechische Funktionalisten hätten gleichartige Möbelstücke entworfen. Die in Rede stehende Liege habe sich später zum allgemein gebräuchlichen Gebrauchsmöbel entwickelt und unterliege keinem Urheberechtsschutz mehr; zumindest aber sei der Schutzbereich auf die Besonderheiten des historischen Originalmodells, insbesondere die von Le Corbusier verwendeten Werkstoffe, beschränkt.
Schließlich fehle es auch an der Wiederholungsgefahr. Der Beklagte habe der Klägerin den Abschluß eines Unterlassungsvergleiches angeboten, allen seinen Kunden bekanntgegeben, daß derartige Liegen bei ihm nicht mehr erhältlich seien, und keine weiteren Liegen dieser Art mehr vertrieben.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Mit den von der Klägerin vorgelegten Urkunden könnten weder der Werkcharakter der Le Corbusier-Liege noch allfällige Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin daran bescheinigt werden.
Das Rekursgericht verbot dem Beklagten, eine Imitation der Corbusier-Liege, wie sie in Beilage A abgebildet ist, anzubieten und zu verkaufen; weiters sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Aus den von der Klägerin vorgelegten Urkunden traf das Rekursgericht die eingangs im wesentlichen wiedergegebenen, durch den weiteren Inhalt der Urkunden verdeutlichten Feststellungen; in rechtlicher Hinsicht führte es folgendes aus:
Auch Werke der angewandten Kunst seien vom Schutz des UrhG umfaßt, wenn sie entsprechende Werkhöhe, also individuelle Züge ihres Schöpfers, aufweisen, durch die sie sich von der Masse alltäglicher Gebilde abheben. Geometrische Formen und technische Lösungen könnten den Werkcharakter allerdings nicht begründen. Seien einzelne Formelemente technisch bedingt, dann komme es nur auf jene Elemente an, die lediglich der Form halber aus Gründen des Geschmacks, der Schönheit und der Ästhetik gewählt wurden; seien solche Gestaltungsmöglichkeiten nur in geringem Umfang vorhanden, dann sei auch der urheberrechtliche Schutz schwächer. Im Plagiatstreit entscheide allein die Übereinstimmung zwischen dem Original und dem Verletzungsgegenstand in seinem schöpferischen Teil. Im vorliegenden Fall habe es für die Liege eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten gegeben; Technik und Kunst hätten sich so eng verbunden, daß die Form wesentlich dem Künstler zuzurechnen sei. Zwar träfen gemeinfreie und geschützte Gestaltungselemente zusammen; unabhängig von ihrem Gebrauchszweck offenbare sich aber in der Liege eine solche Gestaltungshöhe, daß dieser Liege Werkcharakter zukomme. Die vom Beklagten in Österreich vertriebenen Liegen seien dem Erscheinungsbild des "Modells LC 4" so ähnlich, daß sie ein Betrachter zwangsläufig miteinander in Verbindung bringen müsse; damit sei aber auch die Plagiateigenschaft bescheinigt.
Der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch sei von einem Verschulden des Verletzters unabhängig, so daß es nicht auf die Gutgläubigkeit des Beklagten ankomme. Die Wiederholungsgefahr sei im Hinblick auf den erfolgten Eingriff zu vermuten. Die bloße Behauptung des Beklagten, von weiteren Verletzungshandlungen Abstand nehmen zu wollen, reiche im vorliegenden Fall nicht aus, den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu begründen, weil der Beklagte noch im Prozeß behauptet habe, zu der beanstandeten Handlung berechtigt gewesen zu sein.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Frage, ob der vom Architekten Le Corbusier entworfenen Chaise-longue mit stufenloser Regelung Werkcharakter zukommt, an Hand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum urheberrechtlichen Schutz von Erzeugnissen der angewandten Kunst nicht ohne weiteres beantwortet werden kann (ÖBl 1988, 139 und 162; MR 1989, 97). Auch fehlt eine Rechtsprechung zu der Frage, wie die Bescheinigungslast im Provisorialverfahren zur Sicherung eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruches verteilt ist. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Der Beklagte meint, das Rekursgericht hätte auf Grund der von der Klägerin vorgelegten Urkunden keine Feststellungen treffen dürfen, weil die von ihm dagegen erhobenen Einwendungen begründet seien; auch habe es den vom Beklagten angebotenen Gegenbescheinigungsmitteln nicht den "entsprechenden Wert" beigemessen. Damit bekämpft aber der Beklagte in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Rekursgerichtes: Auch im Provisorialverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz; er muß daher von dem Sachverhalt ausgehen, den das Rekursgericht als bescheinigt angenommen hat (SZ 54/76; ÖBl 1987, 21 uva). Damit ist aber der Oberste Gerichtshof an die Feststellungen gebunden, daß die von dem 1965 verstorbenen französischen Architekten Le Corbusier und zwei weiteren Mitarbeitern in den Jahren 1928/29 entworfene Chaise-longue mit verstellbarer Regulierung das in Beilage F3 dokumentierte Aussehen hatte und die Klägerin das ausschließliche und weltweite Recht erworben hat, ua solche Liegen herzustellen und zu verkaufen.
Das Rekursgericht hat die Frage, ob die Chaise-longue mit stufenloser Regulierung ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist und die vom Beklagten vertriebenen, von der "Danish Rattan AS" erzeugten Liegen (Beilage ./A) Plagiate der erstgenannnten Liege sind, im Ergebnis zutreffend nach österreichischem Recht beurteilt. Ist die von Ausländern geschaffene Liege gleichzeitig im Sinne des § 9 Abs 2 UrhG (auch) in Österreich erschienen (Feststellungen darüber liegen allerdings nicht vor), dann genießt sie gemäß § 95 UrhG den Schutz dieses Gesetzes; ist sie aber ein im Ausland erschienenes Werk ausländischer Urheber, dann besteht sein urheberrechtlicher Schutz gemäß § 96 UrhG nach Maßgabe von Staatsverträgen oder unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit.
Da der Architekt Le Corbusier französischer Staatsangehöriger war und die von ihm und seinen Mitarbeitern entworfene Liege vom französischem Atelier Thonet im Jahr 1928 produziert wurde (Beilage F4), ist davon auszugehen, daß diese Liege in einem Verbandsland der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst erschienen ist; auch Österreich gehört der RBÜ an. Beide Staaten sind auch Vertragsstaaten des Welturheberrechtsabkommens, wobei im Verhältnis zwischen ihnen die Pariser Fassung der RBÜ (BGBl 1982/319) und die Pariser Fassung des WUA gelten (BGBl 1982/293). Bei Staaten, die sowohl Vertragsstaaten des WUA als auch Verbandsstaaten der RBÜ sind, geht der Schutz nach der RBÜ vor (Art XVII Abs 1 WUA (Paris); vgl ÖBl 1985, 24). "Verbandseigene Werke" der RBÜ - das sind alle Werke, deren Ursprungsland (Art 5 Abs 4 RBÜ (Paris)) ein Verbandsland dieser Übereinkunft ist - können in Verbandsländern der RBÜ nur den Schutz nach der RBÜ in Anspruch nehmen (ÖBl 1983, 28; ÖBl 1985, 24). Art 5 Abs 1 RBÜ (Paris) gewährt den einem Verbandsland angehörenden Urhebern die gleichen Rechte wie einem inländischen Urheber (ÖBl 1981, 137; ÖBl 1983, 28; ÖBl 1985, 24). Der in Österreich auch Werken der angewandten Kunst (§ 3 Abs 1 UrhG: Werke des Kunstgewerbes) gewährte Schutz erstreckt sich auch auf den Regelungsbereich der RBÜ; Österreich hat von den Möglichkeiten einer Beschränkung des Schutzes von Werken der angewandten Kunst keinen Gebrauch gemacht. Auch im Ursprungsland Frankreich sind die Werke der angewandten Kunst seit dem Gesetz von 1902 urheberrechtlich geschützt, und zwar unabhängig davon, ob auch ein Schutz nach dem Gesetz über Muster und Modelle besteht (Möhring-Schulze-Ulmer-Zweigert, Quellen des Urheberrechts, Abschnitt Frankreich, Teil I, Einführung 3 und 30 f). Werke der angewandten Kunst aus dem Ursprungsland Frankreich genießen daher auch in Österreich urheberrechtlichen Schutz (Art 2 Abs 7 RBÜ (Paris)).
Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ÖBl 1985, 24 (mwN) ausgesprochen hat, ist die Bestimmung eines Werkes, also der Zweck, zu dem es geschaffen wurde, für die Frage des urheberrechtlichen Schutzes bedeutunglos. Für Werke des Kunstgewerbes, welche die nach § 1 Abs 1 UrhG erforderliche schöpferische Eigenart und Werkhöhe (Individualität) aufweisen, kann neben dem Musterschutz auch der urheberrechtliche Schutz in Anspruch genommen werden. Die Grenze zwischen Urheberrechtsschutz (Kunstschutz) und Musterschutz darf allerdings nicht zu niedrig angesetzt werden; vielmehr muß ein erheblicher "ästhetischer Überschuß" bzw eine entsprechende künstlerische Gestaltungshöhe gegeben sein. Ebenso können an einem und demselben Gebrauchsgegenstand Kunstschutz und Patent- oder Musterschutz nebeneinander bestehen.
Nach Lehre und Rechtsprechung ist ein Erzeugnis des menschlichen Geistes dann eine eigentümliche geistige Schöpfung (ein "Werk") im Sinne des § 1 UrhG, wenn es das Ergebnis schöpferischer Geistestätigkeit ist, das seine Eigenheit, die es von anderen Werken unterscheidet, aus der Persönlichkeit seines Schöpfers empfangen hat; diese muß in ihm so zum Ausdruck kommen, daß sie dem Werk den Stempel der Einmaligkeit und der Zugehörigkeit zu seinem Schöpfer aufprägt, also eine aus dem innersten Wesen des geistigen Schaffens fließende Formung vorliegt. Auf dem Gebiet der bildenden Künste (§ 3 UrhG) muß diese Gestaltung schon begrifflich mit einem gewissen Maß an Originalität verbunden sein; hier ist eine entsprechende Werkhöhe erforderlich, also eine Gestalt gewordene Idee, die den Stempel der persönlichen Eigenart ihres Schöpfers trägt oder sich zumindest durch eine persönliche Note von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt (ÖBl 1985, 24 mwN). Werke einer Stilrichtung, deren Anliegen es ist, ästhetische Formen von Gebrauchsgegenständen unter Vermeidung schmückender Zutaten allein aus dem Verwendungszweck zu entwickeln ("Zweckform"), können zwar "ästhetisch wirken", müssen damit aber nicht zwangsläufig als Kunst geschützt werden. Wenn einer Kunstrichtung, die bewußt auf alle nicht funktionell bedingten Gestaltungselemente verzichtet, im ästhetischen Bereich somit zwangsläufig nur geringere Gestaltungsmöglichkeiten als anderen Kunstrichtungen offenstehen, also weniger von der Individualität des Schöpfers in das Werk eingeht, dann ist auch sein Schutz entsprechend schwächer (ÖBl 1985, 24 mwN).
In derselben Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof auch begründet (mwN), daß neuartige technische Lösungen urheberrechtlich nicht schutzfähig sind. Bei der Verbindung von Technik und Kunst in einem Werk muß untersucht werden, wie weit die verwendeten Formelemente technisch bedingt sind und wie weit sie lediglich der Form halber, aus Gründen des Geschmacks, der Schönheit, der Ästhetik gewählt wurden. Auch die Wahl einer bestimmten geometrischen Form allein reicht für die Anerkennung als Kunstwerk nicht aus, weil die geometrische Form an sich Gemeingut ist. Ebensowenig ist auch ein Kunststil für sich allein schützbar.
Nach der mehfach genannten Entscheidung kommt es für diese Beurteilung auf die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Schöpfung an; die Entwicklung, die sich seither vollzogen hat, ist hingegen nicht zu berücksichtigen, weil sonst der Schutz gerade bei solchen Schöpfungen binnen kurzer Zeit wegfiele, die wegen ihrer besonders auffälligen künstlerischen Eigenart zur Schaffung einer Fülle ähnlicher Erzeugnisse angeregt haben.
Nach dem allgemeinen Grundsatz, daß jede Partei die ihren Anspruch begründenden Tatsachen zu beweisen hat (EvBl 1959/38; Fasching, LB2 Rz 882), muß auch derjenige, der ein urheberrechtliches Ausschließlichkeitsrecht geltend macht, die seinen Anspruch begründenden Tatsachen nachweisen. Diese Beweislastregel gilt auch im Bescheinigungsverfahren (Fasching aaO). Behauptet der Kläger ausschließliche Verwertungsrechte an einem Werk des Kunstgewerbes als Werk der bildenden Künste im Sinne des § 3 Abs 1 UrhG, dann können die zum Nachweis des Werkcharakters erforderlichen Tatsachen im wesentlichen schon durch Vorlage des Werkes oder von Abbildungen davon dokumentiert werden; ob dadurch ein Werk im Sinne des UrhG verkörpert wird, ist eine - vom Gericht zu beurteilende - Rechtsfrage (SZ 26/273; SZ 37/27; SZ 55/25; SZ 58/201; ÖBl 1985, 24 ua). Dabei können Hinweise, welche Gestaltungselemente dem Werk den Charakter der Einmaligkeit geben, naturgemäß sehr hilfreich sein; zu Behauptungen, wonach der Schaffung kein fremdes Werk als Vorlage gedient habe und etwa einzelne, werkbegründende Gestaltungselemente weder durch den Verwendungszweck technisch bedingt noch gemeinfrei seien, ist aber der Kläger nicht verpflichtet. Die Beweis-(Bescheinigungs-)last dafür, daß der in Anspruch genommene Schutzgegenstand selbst nur ein Plagiat ist oder bloß technisch bedingte oder gemeinfreie Gestaltungselemente aufweist - also für die den Anspruch des Klägers vernichtenden Tatsachen - trifft vielmehr den Beklagten.
Die von Le Corbusier und seinen Mitarbeitern im Jahr 1928 entworfene Liege (Beilage F3) weist trotz ihrer Zweckbestimmung eine Fülle ästhetischer Details auf, die ihr den Stempel der Einmaligkeit aufprägen. Hervorzuheben ist hier vor allem die besondere Art der Gegenüberstellung der gebrochenen Linienführung der Liegefläche einerseits mit der - das Auflegen auf ein Grundgestell, aber auch das stufenlose Verstellen ermöglichenden - bogenförmigen Auflagekonstruktion andererseits. Daß dabei lediglich schon bekannte Merkmale sowie die technische Funktion der einzelnen Gestaltungselemente zwangsläufig die vorliegende Form ergeben, ist nicht ersichtlich. Auch die Ausgestaltung der Liegefläche an den Kopf- und Fußenden weist durchaus eigenpersönliche Züge auf; diese Formen sind weder durch den Verwendungszweck bestimmt, noch enthalten sie Elemente einer bestimmten Stilrichtung. Alle diese individuellen Merkmale ergeben sich schon aus der vorgelegten Abbildung des Prototyps; warum dadurch der Nachweis für den erforderlichen Werkcharakter nicht erbracht worden sein sollte, ist nicht zu sehen. Daß der in Beilage F3 abgebildete "Prototyp" lediglich der Nachbau eines "allfälligen" Originalmodelles sei, ist nicht bescheinigt. Ebenso sagt der Umstand, daß mehrere Varianten dieser Liege geschaffen wurden, über seinen Werkcharakter nichts aus. Der Beklagte ist auch jede konkrete Erklärung dafür schuldig geblieben, aus welchen Gründen die Gestaltung der Liege bloß das Ergebnis des ergonometrischen Prinzips und einer technischen Idee sein soll. Er hat aber auch nicht dargetan, welches Werk dem Architekten Le Corbusier als Vorlage gedient haben soll: Die von Ludwig Mies van der Rohes geschaffene Liege (Beilage 6) weist nur die Dreiteilung der Liegefläche auf; im Vergleich mit ihrer Ausgestaltung im Detail ist die Chaise-longue des Architekten Le Corbusier mit ihrer stufenlosen Regulierung völlig verschieden. Der Beklagte hat auch nicht einmal behauptet, daß diese Liege vor der Chaise-longue mit stufenloser Regulierung geschaffen wurde. Damit ist aber dem Beklagten die ihm obliegende Gegenbescheinigung nicht gelungen. Mangels konkreter ausreichender Behauptungen und tauglicher Gegenbescheinigungsmittel ist somit im Provisorialverfahren davon auszugehen, daß die durch Beilage F3 dokumentierte Liege eigenständig von Le Corbusier und seinen Mitarbeitern geschaffen wurde und daß ihre Form weder durch ein technisches Prinzip oder durch ihre Funktion vorgegeben noch auch gemeinfrei war.
Im Plagiatstreit entscheidet allein die Übereinstimmung zwischen den Original und dem Verletzungsgegenstand im Schöpferischen, also jenem Teil des Originals, der diesem das Gepräge der Einmaligkeit gibt (ÖBl 1985, 24 mwN). Daß der Verletzungsgegenstand mit den künstlerischen Gestaltungselementen des Originals übereinstimmt, hat der Kläger zu beweisen (bescheinigen); Sache des Beklagten ist es hingegen zu beweisen (bescheinigen), daß Original und Plagiat nur in urheberrechtlich nicht geschützten Gestaltungselementen übereinstimmen. Alle in dem vom Beklagten verwendeten Katalog abgebildeten Liegen laut Beilage A weisen die eigentümlichen Merkmale der Chaise-longue mit stufenloser Regulierung auf. Daß die in Beilage A enthaltenen Modelle "Napoli" und "Bolongia" nicht auf gleichartig geformten Untergestellen ruhen, kann daran nichts ändern. Damit hat aber die Klägerin ausreichend bescheinigt, daß diese Liegen in die ihr zustehenden Verwertungsrechte eingreifen.
Die - aus den bescheinigten Werknutzungsrechten
folgende - Aktivlegitimation der Klägerin zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel; er bekämpft lediglich unter Hinweis auf das Verhalten des Beklagten während des Prozesses die Annahme der Wiederholungsgefahr durch das Rekursgericht. Die für den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist jedoch nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen wie im Verfahren nach dem UWG. Auch hier darf bei der Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden; vielmehr ist eine solche Gefahr schon bei einem einmaligen Gesetzesverstoß anzunehmen, wenn das Verhalten des Beklagten nach der Beanstandung keine ernstliche Willensänderung erkennen läßt (SZ 51/157 uva). Die - erst im Zuge des Prozesses veranlaßte - Mitteilung an Kunden des Beklagten, daß die beanstandeten Liegen nicht mehr erhältlich seien, reicht für die Bescheinigung einer ernstlichen Willensänderung nicht aus; auch mit der bloßen Erklärung, am Verkauf solcher Liegen nicht mehr interessiert zu sein, kann eine solche Willensänderung nicht dokumentiert werden. Auf das von ihm gemachte, nicht alle berechtigten Ansprüche umfassende und überdies an Bedingungen geknüpfte Vergleichsangebot kommt der Beklagte in seinem Rechtsmittel - mit Recht - nicht mehr zurück.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich, soweit sie die Klägerin betrifft, auf § 393 Abs 1 EO, soweit sie den Beklagten betrifft, auf §§ 78, 402 EO,§§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.