OGH vom 29.06.2011, 7Ob99/11a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen 169.125,07 EUR (sA) und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 254/10v 44, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Revisionswerberin erachtet ihr außerordentliches Rechtsmittel entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts für zulässig, weil sich zwei im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfragen stellten: 1. gebe es keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Anwendbarkeit und Reichweite der Haftungsbeschränkung des § 7 Abs 1 des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes; 2. stehe die Ansicht des Berufungsgerichts, während des Zweiten Weltkriegs errichtete Luftschutzstollen seien im Hinblick auf ihren Zweck ohne Belassungsabsicht errichtet worden, im Widerspruch zu oberstgerichtlicher Judikatur; zumindest aber gebe es keine „ausdrückliche“ Judikatur zu dieser ebenfalls über den vorliegenden Fall hinaus bedeutsamen Frage.
Damit vermag die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:
Rechtliche Beurteilung
Zu 1.: § 7 des 1. Staatsvertragsdurchführungs-gesetzes regelt die Haftung für Verbindlichkeiten, die zu den in das Eigentum der Republik Österreich übergegangenen Vermögenswerten deutscher physischer oder juristischer Personen gehören. Die Haftung der Republik Österreich soll gemäß Abs 1 „eine sachlich beschränkte sein, wobei die Gesamtheit der aus dem ehemaligen Eigentum einer deutschen physischen oder juristischen Person in das Eigentum der Republik Österreich übergegangenen Vermögenswerte (Vermögensstücke) als ein Sondervermögen zu behandeln sein wird“ (RV 26 BlgNR 8. GP, 15). Nach diesen Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage und insbesondere nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Bestimmung bezieht sich die Haftungsbeschränkung auf bereits bestehende Verbindlichkeiten. Dass nicht etwa auch künftiges schädigendes Verhalten in Bezug auf einen an die Republik Österreich übergegangenen Vermögenswert erfasst werden sollte, liegt auf der Hand. Das damit gegebene Vorliegen einer klaren, eindeutigen Regelung schließt auch wenn dazu noch keine oberstgerichtliche Judikatur vorhanden ist eine erhebliche Rechtsfrage aus (RIS Justiz RS0042656).
Zu 2.: Maßgeblich für die Qualifikation eines Bauwerks als Superädifikat ist das Fehlen der Belassungsabsicht durch den Erbauer im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks (RIS Justiz RS0011252 [T11]). Nach herrschender Ansicht kommt es dabei nicht auf die unkontrollierbare innere Absicht des Erbauers, sondern auf objektiv erkennbare Umstände an. Das Fehlen der Belassungsabsicht kann sich aus der Beschaffenheit des Gebäudes, seinem Zweck oder aus anderen Umständen ergeben ( Hinteregger in Schwimann , ABGB 3 II, § 435 Rz 4 mwN; vgl RIS Justiz RS0011252 [T8]). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Luftschutzstollenanlage sei insbesondere wegen ihres Verwendungszwecks als ein vom Deutschen Reich ohne Belassungsabsicht errichtetes Superädifikat zu beurteilen, folgt diesen Grundsätzen. Davon, dass diese Ansicht von oberstgerichtlicher Judikatur abwiche, kann entgegen der Behauptung der Revisionswerberin keine Rede sein. Der Oberste Gerichtshof hat vielmehr in den Entscheidungen 1 Ob 513/93, SZ 66/38 = NZ 1994, 15 und 6 Ob 2164/96w ausgesprochen, dass eine während des Zweiten Weltkriegs geschaffene Luftschutzstollenanlage ihrer Beschaffenheit nach ein sonderrechtsfähiges Rechtsobjekt sein könne. Errichte jemand auf Grund eines auf eine Bauführung abzielenden Grundbenützungsrechts ein Bauwerk auf oder in dem Grundstück, so sei entweder (im Fall der Verbücherung) an Kellereigentum oder an Superädifikate zu denken, die auch unterirdisch angelegt sein könnten (RIS Justiz RS0009887).
Damit erweisen sich die von der Revisionswerberin in der Zulassungsbeschwerde vorgebrachten Gründe für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels als nicht stichhältig. Eine erhebliche Rechtsfrage wird von der Beklagten schließlich auch im Rahmen der Rechtsrüge nicht aufgezeigt. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt insbesondere weder hinsichtlich der Frage des behaupteten Vorliegens einer verbindlichen Übereinkunft über das Eigentum der Klägerin an der Stollenanlage, noch betreffend das Thema Besitzhandlungen der Klägerin, noch bezüglich der Frage der Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB vor.
Die mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes unzulässige außerordentliche Revision ist zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).