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OGH vom 29.03.2017, 7Ob98/16m

OGH vom 29.03.2017, 7Ob98/16m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Hinterlegung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 55/15k-20, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 16 Cg 24/14z-16, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin gewährte C***** E***** („Liegenschaftseigentümerin“) einen Kredit über 150.000 EUR für den Erwerb der Liegenschaft EZ 149 KG *****. Außerdem gewährte sie E***** E***** sen („Brandstifter“) ein Darlehen über 700.000 EUR zur Errichtung eines Gartenbaubetriebs, einen Agrarinvestitionskredit über 516.000 EUR sowie eine Aufstockung eines bereits bestehenden Kredits von 200.000 EUR auf 445.000 EUR. Zur Besicherung dieser Kredite räumte der Klägerin die Liegenschaftseigentümerin drei Höchstbetragspfandrechte an der Liegenschaft und der Brandstifter ein Pfandrecht an dem auf der Liegenschaft als Superädifikat errichteten, in seinem Alleineigentum stehenden Gebäude (Gärtnerei mit Glashaus) ein. Die Pfandbestellungsurkunde wurde hinterlegt. Im Superädifikat betrieb die P***** KG („Versicherungsnehmerin“) eine Gärtnerei. Die Versicherungsnehmerin hatte für den Gärtnereibetrieb bei der Beklagten eine Bündelversicherung abgeschlossen, aufgrund der (ua) das Superädifikat feuerversichert war.

Die Klägerin zeigte der Beklagten die Verpfändungen des Superädifikats an und erhielt von der Beklagten einen Sperrschein, in dem die Versicherungsnehmerin sowie der Brandstifter als Eigentümer und Kreditnehmer ausgewiesen waren. Im Sperrschein hieß es:

„Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie im Grundbuch der angeführten Liegenschaft als Hypothekargläubiger eingetragen sind und bestätigen diese Anmeldung. Es gelten die §§ 99107b VersVG.“

Der Masseverwalter anerkannte in den über das Vermögen der Liegenschaftseigentümerin und des Brandstifters eröffneten Konkursverfahren die von der Klägerin jeweils angemeldeten Insolvenzforderungen und Absonderungsrechte an der Liegenschaft und am Superädifikat. Im Rahmen der folgenden freihändigen Verwertung der Liegenschaft und des Superädifikats machte der Käufer ein verbindliches Kaufanbot von 470.000 EUR für das Superädifikat. Kurz vor der vorgesehenen Unterfertigung des Kaufvertrags sowie der Räumung und Übergabe des Superädifikats setzte der Brandstifter Teile des Superädifikats in Brand. Der Käufer reduzierte auf der Basis der von der Klägerin für die Instandsetzung eingeholten Kostenvoranschläge sein Kaufanbot um 65.000 EUR.

Die Beklagte lehnte gegenüber der Klägerin Deckung ab. Die Klägerin erklärte, nicht mit einer Auszahlung an die Versicherungsnehmerin bzw den Versicherten einverstanden zu sein, und forderte sie auf, den Schadensbetrag gerichtlich zu hinterlegen oder an den Masseverwalter auszuzahlen.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte dazu zu verhalten, beim Bezirksgericht Neulengbach 65.000 EUR sA zur Verteilung unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der Exekutionsordnung über die Meistbotsverteilung bei der Zwangsversteigerung von Liegenschaften zu erlegen, hilfsweise den Betrag an den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Brandstifters zum Zweck der Nachtragsverteilung hinsichtlich des Superädifikats zu zahlen, und hilfsweise an den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Liegenschaftseigentümerin zum Zweck der Nachtragsverteilung hinsichtlich der Liegenschaft. Die Klägerin sei als erstrangige Pfandgläubigerin an der Liegenschaft samt Gebäude/Superädifikat vom Schaden unmittelbar betroffen. Ihr Pfandrecht erstrecke sich gemäß dem auch für Hypotheken an Superädifikaten geltenden § 100 Abs 1 VersVG auf die Entschädigungsforderung gegen die beklagte Versicherung. Bei der bestehenden Versicherung für fremde Rechnung könne der Versicherte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte (ua) dann verfügen und diese gerichtlich geltend machen, wenn der Versicherungsnehmer diese Ansprüche nicht verfolgen wolle. Die Versicherungsnehmerin habe offenkundig kein Interesse an der Geltendmachung, weshalb der Brandstifter als Versicherter seine Rechte geltend machen könne.

Überdies entfalte eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 102 VersVG keine Wirkung im Verhältnis zur Klägerin.

Sollten die §§ 99107b VersVG auf Superädifikate nicht anwendbar sein, hätte die Beklagte die Klägerin davon in Kenntnis setzen müssen, weil die Gebäudefeuerversicherung Voraussetzung für die Kreditauszahlung gewesen sei. Die Höhe des Schadens ergebe sich aus der Minderung des Verkehrswerts des Gebäudes in Höhe der Reduktion des Kaufanbots um 65.000 EUR.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren und wandte ein, die Klägerin sei nicht aktiv klagslegitimiert, weil die Privilegierung des Hypothekargläubigers nach den §§ 100 ff VersVG nicht für den Pfandgläubiger eines Superädifikats gelte. Die Vinkulierung bewirke lediglich eine Auszahlungssperre, verschaffe dem Gläubiger aber kein eigenes Recht auf die Versicherungsleistung. Der Eigentümer habe das Superädifikat selbst in Brand gesetzt, was die Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 61 VersVG (iVm § 78 VersVG) zur Folge habe. Die Vinkulierung bewirke keine Privilegierung des Gläubigers nach § 102 VersVG. Ein Anspruch aus culpa in contrahendo bestehe nicht. Solange der Versicherungsnehmer das beschädigte Gebäude nicht wiederherstellen lasse, habe er nur Anspruch auf den Ersatz des Zeitwertschadens. Es stehe gegebenenfalls nur der nach dem Verhältnis Zeitwert zu Neuwert verringerte Reparaturkostenbetrag zu. Wenn der Zeitwert vor Eintritt des Schadens kleiner als 40 % des Neuwerts gewesen sei, sei nach den Versicherungsbedingungen nur der Zeitwertschaden zu ersetzen.

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Es war rechtlich der Ansicht, dass die Klagebegehren schon mangels eines gesetzlichen Pfandrechts der Klägerin an der Versicherungssumme nicht berechtigt seien. Das Superädifikat sei unabhängig von der Liegenschaft mit einem eigenen Vertrag verpfändet worden. Das gesetzliche Pfandrecht nach § 100 Abs 1 VersG und die Privilegierung des § 102 Abs 1 VersVG seien als Ausnahmevorschriften zum Schutz der Pfandgläubiger eng auszulegen und nicht auf Überbauten anzuwenden. Für eine Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo fehle eine taugliche Grundlage.

Das Berufungsgericht bestätigte mit seinem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Teilurteil die Abweisung des Hauptbegehrens. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der Abweisung der Eventualbegehren, gab es der Berufung der Klägerin dahin Folge, dass es das Urteil des Erstgerichts aufhob und diesem die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auftrug. Es vertrat – ausführlich begründet – die Rechtsansicht, dass die §§ 100, 102 VersVG als echte Sonderbestimmungen grundsätzlich eng ausgelegt werden müssten. In § 100 Abs 1 Satz 1 VersVG sei vom Pfandrecht an einem versicherten „Gebäude“ die Rede und zwar ohne Unterschied, ob sich dieses auf eigenem oder fremdem Grund befinde. Der Wortlaut des Gesetzes spreche demnach für eine Anwendung der §§ 99 ff VersVG auch auf Superädifikate. Der Begriff „Hypothek“ sei auch nicht zwangsläufig mit „Pfandrecht an Grund und Boden“ gleichzusetzen, sondern bedeute „besitzloses Pfand“, was ebenfalls auf ein Superädifikat zutreffe.

Die Urkundenhinterlegung zum Erwerb des Pfandrechts müsse die genaue Angabe des Pfandgegenstands und der Forderung mit einer ziffernmäßig bestimmten Geldsumme und die ausdrückliche Zustimmung des Verpfänders zu der gerichtlichen Hinterlegung enthalten. Für den Versicherer sei demnach der Bestand eines Pfandrechts erkennbar sowie überprüfbar und durch die Vinkulierung erhalte er davon regelmäßig Kenntnis. Wirtschaftlich betrachtet gelte der Zweck des Gesetzes, dass nämlich nicht der Hypothekargläubiger anstelle des Versicherungsnehmers zum wirtschaftlich Geschädigten werde, auch für Superädifikate, die ebenfalls als wertbeständige Haftungsobjekte für den Realkredit große praktische Bedeutung hätten. Insgesamt würden daher die besseren Argumente dafür sprechen, dass der Gesetzgeber die Pfandrechtserstreckung auch zu Gunsten der Pfandgläubiger von Superädifikaten bezweckt habe.

Das bereits vor der Konkurseröffnung bestandene Pfandrecht bestehe nunmehr kraft gesetzlichen Surrogats an der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer und begründe in der Insolvenz ein Absonderungsrecht. Der im Fall einer außergerichtlichen Verwertung erzielte Erlös aus der Sondermasse sei vom Insolvenzgericht zu verteilen. Die Berufung sei daher zwar nicht hinsichtlich der Abweisung des Hauptbegehrens, aber in ihrem Aufhebungsantrag betreffend die Eventualbegehren berechtigt. Das Erstgericht habe nämlich infolge anderer Rechtsansicht weder zur Schadenshöhe noch zu den insoweit maßgeblichen Versicherungsbedingungen Feststellungen getroffen, was im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein werde.

Das Berufungsgericht sprach (ua) deshalb aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil er sich mit der Frage der Pfandrechtserstreckung nach § 100 Abs 1 Satz 1 VersVG zugunsten des Pfandgläubigers eines Superädifikats noch nicht auseinandergesetzt habe.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die gänzlich klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werde.

Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zur Klärung der – allein den Gegenstand der Rekursausführungen bildenden – Anwendbarkeit der §§ 100 ff VersVG auf Superädifikate zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht in ihrem Rekurs zusammengefasst geltend, dass die Pfandrechtserstreckung nach § 100 Abs 1 Satz 2 VersVG zugunsten des Pfandgläubigers eines Superädifikats, jedenfalls aber die Gläubigerprivilegierung nach § 102 Abs 1 VersVG bei Superädifikatspfandrechten abzulehnen sei, weil insbesondere Letztere vom Gesetzeswortlaut nicht umfasst und eine analoge Anwendung nicht geboten sei. Die Wertung des Gesetzgebers, den Hypothekargläubiger besonders zu begünstigen, könne aufgrund der erheblichen Unterschiede des rechtlichen (Publizitätswirkung) und faktischen Schicksals (Wertbeständigkeit) von Liegenschaften und Superädifikaten nicht auf Letztere übertragen werden.

Dazu hat der Fachsenat Folgendes erwogen:

1. Die §§ 100 ff VersVG (zur Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen vgl 3 Ob 173/94 = SZ 67/178; Grassl-Palten, Feuerversicherung und Realkredit [1992] 20 ff) regeln die Rechtsstellung des Hypothekargläubigers bei einer abgeschlossenen Gebäudefeuerversicherung (7 Ob 21/99k; Saria in Fenyves/Schauer§ 100 VersVG Rz 1). Insbesondere erstreckt sich nach § 100 Abs 1 Satz 1 VersVG das Pfandrecht an einem versicherten Gebäude auch auf die Entschädigungsforderung gegen den Versicherer (vgl auch 5 Ob 35/09x). Ist bei der Gebäudeversicherung der Versicherer wegen des Verhaltens des Versicherungsnehmers von der Verpflichtung zur Leistung frei, so bleibt nach § 102 Abs 1 Satz 1 VersVG gleichwohl seine Verpflichtung gegenüber einem Hypothekargläubiger bestehen. Das von den §§ 100 ff VersVG etablierte System des Gläubigerschutzes umfasst weiters eine Zahlungssperre nach § 100 Abs 1 und 2 VersVG und bestimmte Informationspflichten über die allfällige Gefährdung der Sicherheit des Gläubigers (näher dazu etwa 7 Ob 21/99k; Saria in Fenyves/Schauer§ 100 VersVG Rz 1 mwN).

2. Die rechtliche Sonderstellung des Hypothekargläubigers ist auf die Feuerversicherung von Gebäuden beschränkt. Die Feuerversicherung von beweglichen Sachen ist davon ausgenommen (Grassl-Palten, Feuerversicherung und Realkredit [1992] 30). Weithin anerkannter, auch vom Berufungsgericht schon zutreffend aufgezeigter Zweck der beschriebenen Regelungen ist der Schutz des Hypothekargläubigers und damit die Stärkung und Verbesserung des Realkredits (Saria in Fenyves/Schauer§ 100 VersVG Rz 1 mwN).

3. Der Fachsenat hat bereits in 7 Ob 2238/96k (VersE 1714 = VersRdSch 1997/451) darauf hingewiesen, dass die §§ 100, 102 VersVG eng ausgelegt werden müssten, handle es sich bei diesen Normen doch um echte Sonderbestimmungen, um Ausnahmevorschriften zum Schutz der Pfandgläubiger. Nach den Materialien sollten die gesetzlichen Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Pfandgläubigers im Rahmen des Versicherungsverhältnisses auf Gebäude beschränkt sein, weil eine Ausweitung des Schutzes auf bewegliche Sachen in den Augen des Gesetzgebers mit einer schweren Behelligung des Versicherers verbunden wäre. Damit habe der Gesetzgeber dem Versicherer offensichtlich eine ganz spezifische aus der Eigenart des Pfandrechts an Mobilien folgende Belastung nicht zumuten wollen. Das rechtliche Schicksal versicherter Mobilien sei vom Versicherer schwerer zu verfolgen als das von Immobilien. Bewegliche Sachen seien im Gegensatz zu diesen recht einfach und ohne vergleichbaren Publizitätsaufwand verpfändbar, es falle dann dem Feuerversicherer schwerer, zu überblicken, wann zu wessen Gunsten ein Pfandrecht begründet wurde und zu welchem Zeitpunkt es gegebenenfalls wieder erloschen ist. Dem Versicherer sollte es nach den Materialien offensichtlich erspart werden, ständig mühevolle Nachforschungen über die Existenz und die Dauer beschränkter dinglicher Rechte Dritter an versicherten Sachen anzustellen oder sich darauf verlassen zu müssen, dass der Versicherungsnehmer seine Verfügungen stets prompt und unverzüglich melde. Im Hinblick auf diese Überlegungen kam der Fachsenat in 7 Ob 2238/96k zum Ergebnis, dass es nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche, den §§ 100 ff VersVG auch versichertes Zubehör (dort: untergegangene Waren und eingelagerte Mobilien) zu unterwerfen. Hier ist allerdings nicht die Pfandrechtserstreckung auf das Zubehör des versicherten Gebäudes zu beurteilen, sondern die Frage zu klären, ob unter dem „Gebäude“ iSd § 100 VersVG auch ein (selbständig feuerversichertes) Superädifikat zu verstehen ist.

4. Der Gesetzgeber hat in § 100 VersVG, wie schon der historische Gesetzgeber in § 79 Abs 1 Satz 1 VVG (Gesetz vom über den Versicherungsvertrag; Reichsgesetzblatt 1917/501) nicht den Begriff „Liegenschaft“ oder „Grundstück“, sondern „Gebäude“ verwendet. Die Pfandrechtserstreckung erfasst daher nicht etwa schlechthin die Entschädigung für das unbewegliche Gut insgesamt, sondern nur jene für das Gebäude (Klang,Pfandrechtsschutz bei der Feuerversicherung von Gebäuden, Heft 1 der Veröffentlichungen des österreichischen Vereines für Versicherungs-Fachwissen [1918] 9 f). Schon daraus folgt, dass sich die hier gebotene Auslegung des Gebäudebegriffs nicht allein auf die allgemein zivilrechtliche Differenzierung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen beschränken kann.

5. Terminologisch stammt der Begriff „(Häuser und andere) Gebäude“ aus der Urmasse des ABGB; als „Bauwerk“ bezeichnet die 3. TN selbständige Werke auf fremdem Grund iSd § 435 ABGB, wobei die Redaktoren diesen Begriff „mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der möglicherweise in Betracht kommenden Werke“ bewusst weiter gewählt hatten (Holzner in Rummel/Lukas4§ 297 ABGB Rz 1). Ein Gebäude (Bauwerk) ist nach allgemein anerkanntem Verständnis alles, was auf Grund gebaut und mit diesem fest verbunden (grundfest errichtet) ist. Eine Verankerung im Boden ist nicht erforderlich. Es darf aber nicht dem Zweck dienen, an einen anderen Ort bewegt zu werden (Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02§ 297 ABGB Rz 3 f mwN; Eccher/Riss in KBB4§ 297 ABGB Rz 1). Auch Superädifikate können in diesem Sinn Gebäude sein (vgl Holzner in Rummel/Lukas4§ 297 ABGB Rz 4; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02§ 297 ABGB Rz 4 und 8; Eccher/Riss in KBB4§ 297 ABGB Rz 3; vgl auch Kletečka, Die Belastungen der Kreditwirtschaft durch das Superädifikat – Analyse und Rechtspolitk, RdW 2008/3, 12). Die Anwendung der §§ 99 ff VersVG auch auf Superädifikate ist insoweit durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt (in diesem Sinn schon Klang,Pfandrechtsschutz bei der Feuerversicherung von Gebäuden, Heft 1 der Veröffentlichungen des österreichischen Vereines für Versicherungs-Fachwissen [1918] 10; Grassl-Palten, Feuerversicherung und Realkredit 39) und der Gebäudecharakter des hier feuerversicherten Objekts ist angesichts seiner Größe und Beschaffenheit unzweifelhaft und überdies unstrittig.

6. Die Beklagte verweist auf die aus § 448 ABGB ableitbare Definition des Hypothekargläubigers und schließt auch daraus, dass die §§ 99 ff VersVG nicht auf den Pfandgläubiger an einem Superädifikat angewendet werden könnten. Nun enthält § 448 ABGB zwar die Beschreibung von „Handpfand“ einerseits und „Hypothek“ oder „Grundpfand“ andererseits. Der Zweck dieser Regelung besteht aber vornehmlich in einer Differenzierung, die im Lichte der §§ 451 ff ABGB für die Frage der unterschiedlichen Erwerbsarten des Pfandrechts maßgeblich ist. Dabei kann aber zufolge § 451 Abs 2 ABGB gerade kein Zweifel daran bestehen, dass das Pfandrecht an einem Superädifikat eben nicht wie jenes an einer „handpfandtauglichen“ beweglichen Sache erworben werden kann. Die in § 448 ABGB vorgezeichnete Begriffsbildung erlaubt daher keinen entscheidenden Schluss dahin, dass allein der im spezifisch versicherungsrechtlichen Kontext der §§ 99 ff VersVG verwendete Begriff „Hypothekargläubiger“ die Anwendung dieser Bestimmungen auf Superädifikate ausschließe (so im Ergebnis auch Grassl-Palten, Feuerversicherung und Realkredit 39).

7. Die von der Beklagten letztlich angestrebte teleologische Reduktion einer gesetzlichen Regelung erfordert einen entsprechend klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die (letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende) Auslegung orientieren soll (RIS-Justiz RS0106113 [T3]). Es ist zweifelsfrei nachzuweisen, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RIS-Justiz RS0008979 [T6]). Dies ist für die Pfandrechtserstreckung nach § 100 Abs 1 Satz 2 VersVG zugunsten des Pfandgläubigers eines Superädifikats und auch für dessen Privilegierung nach § 102 Abs 1 VersVG nicht zu erkennen:

8. Die Beklagte verweist zunächst auf die dem Liegenschaftsverkehr im Grundbuch zukommende Publizität, die mit jener der Urkundenhinterlegung nach dem UHG nicht vergleichbar sei. Nun ist nach § 1 Abs 1 Z 1 lit a UHG (ua) die Urkunde zum Erwerb des Pfandrechts (§ 451 Abs 2 ABGB) an einem Superädifikat in die Sammlung der bei Gericht hinterlegten Urkunden aufzunehmen (K. Binder in Kodek, Grundbuchsrecht2§ 1 UHG Rz 2). Damit stellt das Gesetz aber gerade für Superädifikate ein – wenngleich nicht in allen Belangen dem Grundbuch vergleichbares – System besonderer Publizität zur Verfügung, das diese Gebäude über die Mobilien im Allgemeinen ganz signifikant heraushebt, was nicht gegen, sondern für deren Einbeziehung in die Rechtswirkungen der §§ 100 ff VersVG spricht. Auch aus dem von der Beklagten bemühten Blick ins Grundbuch, der ihr vermeintlich überragende Rechtssicherheit biete, folgt etwa keineswegs die rechtliche Qualität eines auf der Liegenschaft errichteten Gebäudes und stellt sich, wie die Beklagte hervorhebt, trotz Urkundenhinterlegung die fehlende Eigenschaft eines Gebäudes als Superädifikat heraus, dann entfallen ohnehin aus den §§ 100 ff VersVG folgende Pflichten des Versicherers.

9. Die Beklagte meint, dass ein weiterer Unterschied zwischen Liegenschaften und Superädifikaten in deren Wertbeständigkeit liege. Im Gegensatz zu Liegenschaften komme den Superädifikaten aufgrund ihrer Kurzlebigkeit und wegen der Publizitätsmängel als Kreditsicherheit nur eine äußerst untergeordnete Bedeutung zu, weshalb der ursprüngliche Gesetzeszweck der Förderung des Vertrauens in den Realkredit insoweit nicht zutreffe. Dem ist zu entgegnen, dass gerade bei realistischer und der von der Beklagten geforderten ökonomischen Betrachtungsweise als Objekte der Kreditfinanzierung sowie -besicherung einerseits und als Objekt der Feuerversicherung andererseits typischerweise wohl nur solche Superädifikate in Frage kommen werden, die sich durch Wertigkeit sowie eine gewisse Dauerhaftigkeit auszeichnen und gerade auf solche Gebäude trifft der genannte Gesetzeszweck, nämlich die Förderung des Kreditvertrauens, zu.

10.1. Aus den zuvor dargestellten Erwägungen fehlen insgesamt überzeugende Gründe dafür, dem Gläubiger eines Kredits, der mit einem Pfandrecht an einem selbständig feuerversicherten Superädifikat (Gebäude einer Gärtenerei mit Glashaus) besichert ist, die Stellung eines Hypothekargläubigers iSd §§ 100 ff VersVG oder auch nur die Begünstigung des § 102 Abs 1 VersVG zu verweigern. Damit erweist sich der Rekurs der Beklagten, die keine sonstigen Rechtsfragen aufgreift, als nicht berechtigt und das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren dem vom Berufungsgericht erteilten Ergänzungsauftrag zu entsprechen haben. Ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auch auf andere Grundlagen (vertragliche Vereinbarung durch den Sperrschein; culpa in contrahendo) gestützt werden könnte, muss bei dieser Sachlage nicht mehr geprüft werden.

10.2. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00098.16M.0329.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,9 Vertragsversicherungsrecht

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