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OGH vom 20.04.2018, 7Ob9/18a

OGH vom 20.04.2018, 7Ob9/18a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen J***** F*****, geboren am ***** 1958, *****, wegen Sachwalterbestellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des einstweiligen und Verfahrenssachwalters Mag. Dr. W***** G*****, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 491/16f-36, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Ein Begründungsmangel nach § 57 Z 1 AußStrG liegt dann vor, wenn die Fassung des Beschlusses so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, der Beschlusss mit sich selbst im Widerspruch ist oder keine Gründe enthält.

Keiner dieser Tatbestände ist hier dadurch erfüllt, dass das Rekursgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausführte, der Betroffene habe keinen Kontakt zu Verwandten, weshalb keine anderen geeigneten Personen vorhanden seien. Eine entsprechende – dislozierte – Feststellung, wonach keine anderen geeigneten Personen vorhanden seien, findet sich bereits im erstinstanzlichen Beschluss und blieb vom Rekurswerber unangefochten.

Auch im Außerstreitverfahren ist aber der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0006737, RS0007236); Fragen der Beweiswürdigung können daher nicht mehr überprüft werden (RIS-Justiz RS0007236 [T4]; RS0069246).

2. Die Frage, ob die im Einzelfall vorgetragenen Argumente eines Rechtsanwalts, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach die konkrete Sachwalterschaft unzumutbar ist, gerechtfertigt sind, wirft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS-Justiz RS0123440 [T9]). Es bildet daher keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen die vom Revisionsrekurswerber (auch im vorliegenden Fall) ins Treffen geführten Ablehnungsgründe nicht als berücksichtigungswürdig ansahen

3.1. Nach § 279 Abs 2 und 3 ABGB ist eine Rangordnung für die Sachwalterbestellung vorgesehen, nämlich geeignete nahestehende Personen, sodann ein geeigneter Verein, und zuletzt ein Rechtsanwalt(-sanwärter) oder Notar(-kandidat) – „nach Maßgabe des § 274 Abs 2 ABGB“ – oder eine andere geeignete Person; alle in Frage kommenden Personen außer Rechtsanwälten und Notaren können demnach nur mit ihrer Zustimmung bestellt werden. Diese Rangordnung kann nach § 279 Abs 4 ABGB durchbrochen werden, wenn vorwiegend Rechtskenntnisse gefordert oder wenn „besondere Anforderungen“ mit der Sachwalterschaft verbunden sind. Bei der Beurteilung, ob Angelegenheiten zu besorgen sind, für die vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind, kommt dem Gericht stets ein Ermessensspielraum zu (RIS-Justiz RS0117452 [T2]).

§ 279 ABGB ist auch auf die Auswahl eines Verfahrenssachwalters (§ 119 AußStrG) und einstweiligen Sachwalters (§ 120 AußStrG) anzuwenden (RIS-Justiz RS0110987 [T2]).

3.2. Nach den unangefochtenen Feststellungen ist der Betroffene nicht in der Lage, sein Geld einzuteilen, und verbraucht es üblicherweise bereits zu Monatsbeginn. Er hat Schulden in derzeit unbekannter Höhe, wobei eine der Forderungen durch ein Inkassobüro geltend gemacht wird. Der Betroffene ist nicht in der Lage, seine finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln und seine Schulden zu regulieren. Es ist zu prüfen, ob er im Rahmen des oö Chanchengleichheitsgesetzes eine Wohnmöglichkeit erlangen kann. Der Betroffene selbst ist weder zur Klärung dieser Frage und zur Führung eines allenfalls notwendigen Verfahrens noch generell in der Lage, sich vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern selbst zu vertreten.

Der Rechtsmittelwerber wurde zum einstweiligen Sachwalter für dringende Angelegenheiten (§ 120 AußStrG) bestellt, nämlich für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, die Einkommensverwaltung, die Schuldenregulierung und die Organisation einer Wohnmöglichkeit.

In diesem Lichte begegnet es keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen einen Rechtsanwalt zum Sachwalter bestellten, weil einerseits nach den Feststellungen weder geeignete Nahestehende verfügbar sind noch der Verein VertretungsNetz über Kapazitäten verfügt, womit nach der erwähnten Rangordnung ein Rechtsanwalt zu bestellen ist, und zudem andererseits diese Tätigkeiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordern (§ 279 Abs 3 und 4 ABGB).

4. Nach § 86 Abs 2 Geo hat unter anderem bei Bestellung von Kuratoren im außerstreitigen Verfahren, soweit Rechtsanwälte und Notare hiezu herangezogen werden, ein angemessener Wechsel stattzufinden; zu diesem Zwecke ist bei jedem Gericht ein alphabetisches Verzeichnis der im Gerichtssprengel ansässigen Rechtsanwälte und Notare zu führen und jede Kuratorbestellung durch Tagesangabe und Aktenzeichen ersichtlich zu machen. Doch ist das Gericht an die Liste und an die Reihenfolge in der Liste nicht gebunden, wenn im einzelnen Falle sachliche oder persönliche Gründe ein Abgehen erheischen.

Die Auswahl von geeigneten Sachwaltern ist Sache der unabhängigen Gerichte, eine iSd § 86 Geo geführte Liste ist nur als Vorschlag anzusehen (RIS-Justiz RS0129266; RS0123440 [T10]).

Die vom Revisionsrekurswerber vertretene Ansicht, entweder sei die Liste sehr wohl verbindlich oder eine Bestellung bedürfe – über den Hinweis auf die Listenreihenfolge hinaus – einer besonderen Begründung, warum der konkrete Rechtsanwalt die konkrete Sachwalterschaft zu übernehmen habe, ist aus dieser Rechtslage nicht ableitbar. Wenn sich das Erstgericht nach den Feststellungen an die Liste hielt, ergibt sich daraus zwanglos, dass im vorliegenden Einzelfall weder sachliche noch persönliche Gründe – weder in Ansehung des Betroffenen noch in Ansehung des Anwalts – ein Abgehen von ihr erforderlich machen. Warum eine zusätzliche Begründung geboten sein sollte, warum das Gericht gerade der Liste gemäß vorgeht, ist nicht nachvollziehbar.

5. Die Relevanz der Ausführungen des Revisionsrekurswerbers in Bezug auf eine vom Rekursgericht angeblich angestellte Differenzierung zwischen einstweiliger und endgültiger Sachwalterschaft ist nicht erkennbar.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00009.18A.0420.000

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