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OGH vom 18.09.2012, 4Ob94/12w

OGH vom 18.09.2012, 4Ob94/12w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Harlander und Mag. Peter Harlander, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei J***** C*****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 100.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 37/12z 49, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofs mit Urteil vom , C 569/08, zu Recht erkannt, dass Art 21 Abs 3 VO (EG) Nr 874/2004 der Kommission vom zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domain oberster Stufe „.eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung dahin auszulegen sei, dass Bösgläubigkeit durch andere Umstände als die in den Buchstaben a bis e dieser Bestimmung aufgeführten nachgewiesen werden könne. Für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten iSv Art 21 Abs 1 Buchstabe b in Verbindung mit Abs 3 VO Nr 874/2004 vorliege, habe das nationale Gericht alle im Einzelfall erheblichen Faktoren und insbesondere die Umstände, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, sowie die Umstände, unter denen der Name der Domain oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, zu berücksichtigen.

Der Oberste Gerichtshof hat in den Entscheidungen 17 Ob 7/10v und 17 Ob 9/10p das Verhalten der auch hier klagenden Partei bei der Registrierung von Domains als bösgläubig iSv Art 21 VO (EG) Nr 874/2004 beurteilt, weil die Klägerin in Schweden insgesamt 33 Marken eintragen ließ, die Gattungsbegriffen der deutschen Sprache entsprachen, wobei in allen angemeldeten Zeichen vor und nach jedem Buchstaben das Sonderzeichen „ “ eingefügt war, weil sie ihre schwedische Marke erst wenige Tage vor Beginn der ersten Phase der gestaffelten Registrierung eintragen ließ, und in 180 Fällen Anträge auf Registrierung von Gattungsbegriffen als Domainnamen oberster Stufe „.eu“ eingereicht hatte.

(Auch) im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die Entscheidung der Schiedskommission iSd Art 22 der VO (EG) Nr 874/2004, die Klägerin sei im Verfahren zur Erlangung der Top Level Domain „hotel.eu“ bösgläubig gewesen und habe die Domain an den Beklagten, einen seit 1998 in der Hotelbranche tätigen Unternehmer, zu übertragen, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung unwirksam und daher nicht durchzuführen sei.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Entscheidung der Schiedskommission sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe von Anfang an Domains an möglichst vielen generischen Begriffen erlangen wollen. Sie habe 180 Anträge auf Registrierung von Gattungsbegriffen eingebracht. Erst kurz vor Beginn der Sunrise Periode 1 (), nämlich am , habe sie ihre österreichische Marke (eine Wort Bild Marke) registrieren lassen. Der Klägerin stünden im Gegensatz zum Beklagten auch keine „früheren Rechte“ an der Marke „HOTEL“ zu. Diese Umstände ließen die Klägerin als bösgläubig iSd Art 21 Abs 1 lit b und Abs 3 der VO (EG) Nr 874/2004 erscheinen. Soweit sich die Klägerin gegen die Übertragung der Domain an den Beklagten wende und sie insoweit die Unwirksamkeit der schiedsgerichtlichen Entscheidung festgestellt haben wolle, fehle ihr das rechtliche Feststellungsinteresse. Denn dazu hätte die Klägerin behaupten müssen, dass wegen der gesamten Bewerbersituation und der generellen Bösgläubigkeit aller Mitbewerber die Domain aufgrund der Anmeldung in der Sunrise Periode dennoch der Klägerin hätte zugewiesen werden müssen. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision geltend, dass sie im Gegensatz zu den zitierten Parallelfällen hier über eine „legitime, in tatsächlicher Verwendung befindliche“ österreichische Marke verfüge. Sie habe ein rechtliches Interesse daran, die Domain nicht an den Beklagten zu verlieren.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen zeigt die Klägerin jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Das Berufungsgericht hat sich bei der Beurteilung der Bösgläubigkeit der Klägerin an den vom EuGH herausgearbeiteten Kriterien orientiert (vgl EuGH C 569/08; OGH 17 Ob 7/10v). Es gründete seine Annahme der Bösgläubigkeit auf die Anmeldung der Marke nur kurze Zeit vor Beginn des Domain Registrierungsverfahrens, auf die Verwendung eines Gattungsbegriffs, dessen grafische Gestaltung erst die Eintragung als (Wort Bild )Marke ermöglichte, auf die fehlende Geschäftstätigkeit in dem mit der Marke typischerweise assoziierten Geschäftsbereich zum Zeitpunkt des Beginns des Registrierungsverfahrens, auf die zeitgleiche Anmeldung von 30 bis 40 weiteren Marken in Österreich, sowie auf die Erlangung von 180 Domains mit generischen Begriffen.

Auf Basis dieser Fakten und im Lichte der Entscheidungen 17 Ob 7/10v und 17 Ob 9/10p ist die Beurteilung, dass die Klägerin bei der Registrierung der strittigen Domain bösgläubig iSv Art 21 VO (EG) Nr 874/2004 gehandelt habe, jedenfalls vertretbar. Dass sie bei Registrierung ihrer Marke im vorliegenden Fall keine Sonderzeichen verwendete, macht keinen Unterschied. Sie erreichte die Registrierung der Gattungsbezeichnung „HOTEL“ auf anderem Weg nämlich (nur) durch Gestaltung einer Wort Bild Marke. Von einer „unsachlichen Benachteiligung von erst kürzlich gegründeten Startups bzw erst kürzlich entwickelten Produktideen“ kann bei der Klägerin, welche bei der Registrierung ihrer eu-Domains schon wiederholt rechtsmissbräuchlich vorging, nicht gesprochen werden.

2. Zur Begründung eines rechtlichen Interesses gemäß § 228 ZPO muss das festzustellende Recht eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers besitzen ( Fasching in Fasching , ZPO 2 § 228 Rz 79).

Geht man wie die Vorinstanzen von der Bösgläubigkeit der Klägerin bei der Registrierung ihrer eu Domain aus, ist es für die Klägerin unerheblich, wem die Domain letztlich zufällt. Das Berufungsgericht hat daher vertretbar das rechtliche Interesse der Klägerin hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Übertragung des Domainnamens „hotel“ an den Beklagten verneint.

Fundstelle(n):
IAAAD-70277