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OGH vom 29.01.2014, 7Ob9/14w

OGH vom 29.01.2014, 7Ob9/14w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** P*****, vertreten durch Dr. Josef Hofer, Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 12.600 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom , GZ 23 R 74/13s 17, womit das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 13 C 79/13i 13, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,63 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob im Zusammenhang mit der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften (hier bei Entleerung einer Heizanlage) die Nichtbeiziehung eines Fachmanns an sich schon grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 61 VersVG begründe. Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden (AWB) zugrunde. Nach deren Art 6.2 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, während der möglichen Heizperiode sämtliche wasserführende Leitungen und Anlagen zu entleeren, sofern die Heizung nicht durchgehend in Betrieb gehalten wird.

2. Nach § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Dabei handelt es sich um einen (verhaltensabhängigen) Risikoausschluss (RIS Justiz RS0080128), für dessen Vorliegen der Versicherer beweispflichtig ist (RIS Justiz RS0107031). Grobe Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Gesetzesstelle liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (RIS Justiz RS0030477; RS0030359; RS0031127). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (RIS Justiz RS0030272 und RS0031127). Zur Annahme grober Fahrlässigkeit ist es erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Kläger dieser auch subjektiv schwer vorwerfbar sein muss (7 Ob 17/11t mwN ua). Als brauchbare Anhaltspunkte von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanpassung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (7 Ob 20/08d, 7 Ob 17/11t mwN ua). In diesem Sinn ist es für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (RIS Justiz RS0030331 und RS0080371).

3. Ob eine Fehlhandlung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigt, bildet bei Vertretbarkeit der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (stRsp; 7 Ob 17/11t mwN uva). Die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn die Beurteilung des Sachverhalts auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (7 Ob 11/06b, 7 Ob 17/11t mwN uva).

Die vom Berufungsgericht im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO als erheblich angesehene Frage, ob die Entleerung einer Heizanlage jedenfalls die Beiziehung eines Fachmanns erfordert, lässt sich nicht allgemein gültig, sondern nur abhängig von den Umständen des Einzelfalls beantworten.

Gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe im vorliegenden Fall nach dem 20 bis 30 Minuten dauernden Entleerungsvorgang davon ausgehen dürfen, dass eine vollständige Entleerung erfolgt sei, bestehen keine Bedenken. Der hier zu beurteilende Sachverhalt hält sich im Rahmen der von der Judikatur für die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien. Im Übrigen hat die Beklagte im erstgerichtlichen Verfahren gar nicht behauptet, dass der Entleerungsvorgang der Heizanlage einen derartigen technischen Vorgang darstelle, der jedenfalls der Beiziehung eines Fachmanns bedurft hätte.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00009.14W.0129.000