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OGH vom 25.05.2005, 7Ob96/05a

OGH vom 25.05.2005, 7Ob96/05a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf Franz F*****, vertreten durch Kortschak & Höfler, Rechtsanwälte OEG in Leibnitz, gegen die beklagte Partei Ernst H*****, vertreten durch Mag. Dr. Karner & Mag. Dr. Mayer, Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen (ausgedehnt und eingeschränkt) EUR 129.251,60 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 196/04t-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom , GZ 6 Cg 59/04d-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung der Beschlüsse Punkt I 1. und 2. der erstinstanzlichen Entscheidung richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Rekurs keine Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der am eingebrachten und in der Folge sowohl ausgedehnten als auch eingeschränkten Klage begehrte der Kläger zuletzt die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von EUR 129.251,60 sA. Zur Begründung brachte der Kläger vor, dass er und seine Frau 2002 ihre Geschäftsanteile an der Rudolf F***** GmbH (einem langjährig bestehenden Fleischereifamilienbetrieb mit bestem Ruf) dem Beklagten abgetreten und ihm damit das Unternehmen vollständig übertragen hätten, wobei (über Wunsch des Beklagten) der Kläger und seine Frau (im Folgenden: Eheleute) ihre Geschäftsanteile für den Beklagten (ohne Einfluss auf die Geschäftsführung) bereits seit treuhändisch „innegehalten" hätten. Im Zuge der Übernahmegespräche habe der Beklagte gegenüber den Eheleuten eine rechtsverbindliche Garantie- bzw Zahlungserklärung dahin abgegeben, dass er dem Kläger persönlich für die Rückführung eines von diesem im Jahr 2000 eingebrachten Gesellschafterdarlehens in Höhe von S 4,8 Mio (EUR 348.829,60) in fünf Jahresraten garantierte, welches Zahlungsversprechen vom Kläger auch angenommen worden sei. Die Vereinbarung habe zwar unter gewissen Umständen eine Reduktion dieser Rückführungsverpflichtung des Beklagten vorgesehen, nämlich, dass die Gesellschaft im Einklang mit den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen entweder bis oder bis einen Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens stelle, und habe die Gesellschaft auch am einen solchen Antrag auf Ausgleichseröffnung gestellt; eine Reduktion der Zahlungsverpflichtung des Beklagten ergebe sich jedoch dennoch nicht, weil dieser das ihm übertragene Unternehmen „vorsätzlich und ohne eine gesetzliche Notwendigkeit in das Ausgleichsverfahren geführt" habe, und das Unternehmen auch tatsächlich nicht zahlungsunfähig gewesen sei. Der Kläger habe seine Forderung zwar im Ausgleichsverfahren angemeldet, jedoch keinerlei Zahlung erhalten.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete seinerseits „vorsichtshalber" eine Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes bis zur Höhe der Klageforderung kompensando ein. Die ihm zur Verfügung gestellten Informationen über den Zustand der Gesellschaft (etwa den Lagerbestand iVm Fehlleistungen bei der Unternehmensbewertung) hätten nicht den Tatsachen entsprochen; damit sei die Geschäftsgrundlage für das Garantieversprechen weggefallen. Der Beklagte schulde dem Kläger aber auch nichts, da das Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital eingebracht worden sei; die Inanspruchnahme der Garantie sei rechtsmissbräuchlich.

Unmittelbar nach Einlangen der Klagebeantwortung forderte das Erstgericht die beklagte Partei mit Beschluss vom unter Hinweis auf „§§ 178 Abs 2, 180 Abs 2, 257 Abs 2 ZPO" auf, bis spätestens „in einem vorbereitendem Schriftsatz die bisher nur pauschal und unsubstantiiert vorgetragenen Einwendungen konkret und nachvollziehbar zu detaillieren und darzulegen, welche konkreten Auswirkungen die behaupteten Fehler für den Beklagten hatten". Daraufhin eingelangte Friststreckungsanträge vom („auf Grund der hohen Arbeitsbelastung vor den Gerichtsferien"), (ohne Begründung) und („da eine allfällige Erörterung der komplexen Sach- und Rechtslage bisher scheiterte") wurden vom Erstgericht beschlussmäßig zurückgewiesen (ON 6 und 10). Lediglich die zunächst für anberaumte vorbereitende Tagsatzung wurde über Antrag des Beklagten wegen Urlaubes seines Vertreters auf den verlegt (ON 14).

In dieser Tagsatzung trugen beide Parteien ihre bisherigen Schriftsätze vor. Nachdem der Kläger sein Begehren zunächst um eine wegen inzwischen eingetretener Fälligkeit weitere Rate ausgedehnt hatte, schränkte er sodann das Begehren wegen der Ausgleichseröffnung innerhalb der in der Garantie genannten Frist auf 60 % des offenen Betrages ein. Davor erstatteten beide Parteien noch umfangreiches beiderseitiges Prozessvorbringen (mit Beweisanboten), das auch über insgesamt 10 Seiten protokolliert wurde, wobei die Zahlungsverweigerung durch den Beklagten letztlich „auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere Wegfall der Geschäftsgrundlage, List sowie arglistige Täuschung" gestützt wurde. Gemäß §§ 528a, 510 Abs 3 erster Satz ZPO kann auf das diesbezügliche Vorbringen im Streitverhandlungsprotokoll ON 16 verwiesen werden. Nachdem der Klagevertreter hiegegen repliziert hatte, dass das Bestreitungsvorbringen seines Prozessgegners „weiterhin unvollständig und unschlüssig" sei, erklärte auch der Erstrichter (in Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens der Parteien gemäß §§ 182, 182a ZPO) sowie unter Hinweis auf seine früheren Zurückweisungsbeschlüsse zu den Fristerstreckungen, dass das „erst heute" erstattete Bestreitungsvorbringen als verspätet anzusehen, „im Übrigen nach wie vor nicht ausreichend substantiiert" sei und „unschlüssig erscheint". Der Beklagte bestritt Verschleppungsabsicht; lediglich am Beginn des Streitverhandlungsprotokolls (S 3 desselben) findet sich auch die Protokollierung, dass der Beklagtenvertreter „über Befragen des Richters ausdrücklich erklärt, dass dies vorerst das gesamte Bestreitungsvorbringen sei" und „derzeit kein weiteres Vorbringen erstattet wird". Ein vom Beklagtenvertreter in der Folge vorgelegtes „Beilagenkonvolut Beil 1" wurde vom Erstrichter „zur Verbesserung im Sinne des § 297 ZPO zurückgestellt"; nachdem der Beklagtenvertreter daraufhin die Unterbrechung der Streitverhandlung auf 20 Minuten zur Vornahme dieser Verbesserung beantragt hatte, hierüber jedoch (nach dem Protokoll) keine Entscheidung getroffen worden war, legte er das Konvolut vor Schluss der Verhandlung (nunmehr in drei Teile aufgegliedert) neuerlich vor, dies jedoch (so der Erstrichter im Protokoll) „ohne Verbesserung im Sinne des Auftrages nach § 297 ZPO".

Das Erstgericht schloss hierauf die Verhandlung und verwarf mit Beschluss (Punkt I der Entscheidung) die Anträge der beklagten Partei auf Unterbrechung der Streitverhandlung auf 20 Minuten (I. 1. a) sowie „Gewährung einer Frist für die Vornahme einer angebotenen Abtretungserklärung" (I. 1. b); des weiteren wurde das von der beklagten Partei erstattete Vorbringen (in wörtlicher mehrseitiger Wiedergabe) - im Wesentlichen im Zusammenhang mit der behaupteten Irreführung durch Vorlage unrichtiger Informationen über den Lagerbestand, zur faktischen Geschäftsführertätigkeit des Vaters des Klägers (mit Anscheinsvollmacht zu Lasten des Klägers) sowie zur Gegenforderung - zurückgewiesen (I. 2. a und b). Schließlich wurde mit mehrgliedrigem Urteil (Punkt II.) zu Recht erkannt, dass die Klageforderung mit EUR 129.251,60 sA zu Recht und die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht besteht sowie die beklagte Partei schuldig erkannt, der klagenden Partei diesen Betrag samt 8 % Staffelzinsen (und die Prozesskosten) zu bezahlen.

Zusätzlich zum außer Streit stehenden Sachverhalt (über die Abtretung der Geschäftsanteile zwischen den Streitteilen samt Garantieerklärung des Beklagten mit Ratenvereinbarung und Reduktionsklausel für den Fall eines Insolvenzverfahrens samt Einleitung eines Ausgleichsverfahrens beim Landesgericht Leoben) stellte das Erstgericht noch den Urkundeninhalt der vom Kläger angenommenen Garantieerklärung des Beklagten wörtlich fest.

In rechtlicher Hinsicht begründete das Erstgericht seine Entscheidungen (zusammengefasst) wie folgt:

Zu I. 1. a: Die ZPO kenne keinen Antrag auf Unterbrechung einer Streitverhandlung. Da der (zum Anlass des Unterbrechungsantrages genommene) Verbesserungsauftrag jedenfalls vor 16.20 Uhr gestellt, die Tagsatzung jedoch erst um 16.41 Uhr geschlossen worden sei, seien dem Beklagtenvertreter ohnedies die begehrten 20 Minuten zur Verfügung gestanden. Schließlich habe dieser das beanstandete Urkundenkonvolut ohnedies neuerlich (wenngleich unverbessert) vorgelegt, sodass gar kein Unterbrechungsgrund mehr vorliege.

Zu I. 1. b: Auch der in derselben vorbereitenden Tagsatzung gestellte (jedoch dessen Protokoll nicht entnehmbare) Antrag auf Fristgewährung für die Vorlage dieser Urkunde (zur behaupteten Gegenforderung) könne nicht erfolgreich sein, sei diese doch im Hinblick auf die gesetzliche Prozessförderungspflicht spätestens in dieser Tagsatzung vorzulegen gewesen und hätte eine solche Fristgewährung eine Erstreckung der Verhandlung, sohin eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens zur Folge gehabt. Da die Gegenforderung nicht ausreichend substantiiert sei, scheide eine inhaltliche Prüfung derselben ohnedies aus.

Zu I. 2.: § 239 Abs 1 ZPO verlange für den Inhalt der Klagebeantwortung im Einzelnen kurze und vollständige Angaben, welchem Erfordernis das Bestreitungsvorbringen hier nicht entspreche. Nach der herrschenden Substantiierungstheorie müsse auch eine Gegenforderung entsprechend konkretisiert und spezifiziert sein. Der Beklagte habe auch die Anordnungen des Gerichtes nach § 180 Abs 2 ZPO nicht zeitgerecht beachtet. Für die Fristversäumnisse habe der Beklagte keine oder nur unzureichende Entschuldigungsgründe vorgebracht; die mangelnde Mitwirkung des Beklagten und seine daraus resultierende Verletzung seiner Prozessförderungspflicht erscheine „völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar"; eine „derart hartnäckige Verletzung der Prozessförderungspflicht verlangt nach Ausnützung der gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen". Insoweit habe auch die Konzentrationsmaxime Vorrang vor dem Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens, ansonsten Vorbringen in der vorbereitenden Tagsatzung niemals präkludiert werden könnte.

Zu II.: Die Entscheidung in der Hauptsache begründete das Erstgericht (ebenfalls zusammengefasst) damit, dass die Höhe der geltend gemachten Forderung als unstrittig anzusehen sei. Das Bestreitungsvorbringen des Beklagten in der Klagebeantwortung sei - wie bereits ausgeführt - nicht ausreichend substantiiert und daher einer inhaltlichen Prüfung nicht zugänglich gewesen. Das gelte im Übrigen auch dann, wenn man das in der vorbereitenden Tagsatzung erstattete Vorbringen beachtete; auch hier fehle nämlich die erforderliche Substantiierung und Konkretisierung. Insbesondere sei nicht vorgebracht worden, in welchem Umfang nachträgliche Abänderungen des Zahlenmateriales erfolgt seien und in welchem Ausmaß sich diese auf den Unternehmenswert ausgewirkt hätten. Auch damit sei die Gegenforderung nicht ausreichend konkretisiert worden. Die Behauptung, der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass kein insolvenzrechtlicher Tatbestand im Sinne einer Zahlungsunfähigkeit vorliege, übersehe den Inhalt seiner Garantieerklärung, die ausdrücklich auf eine solche Situation Bezug nehme. Der Einwand in Bezug auf das Eigenmittel ersetzende Gesellschafterdarlehen verkenne, dass Klagegrund im vorliegenden Verfahren nicht diese Darlehensgewährung, sondern die Vereinbarung zwischen den Streitteilen gewesen sei. Die Behauptung, der Kläger habe seine Ansprüche im Ausgleichsverfahren durchsetzen müssen, übersehe die außer Streit stehende Tatsache, dass der Kläger die Forderung im Ausgleichsverfahren ohnehin angemeldet, jedoch keinerlei Zahlung erhalten habe. Dies sei wegen des auch vom Beklagten behaupteten Eigenkapitalersatzcharakters nicht überraschend.

Gegen die gesamte erstinstanzliche Entscheidung erhob die beklagte Partei Berufung, über die das Berufungsgericht wie folgt entschied:

Die Berufung wegen Nichtigkeit (gestützt auf § 477 Abs 1 Z 4, 8 und 9 ZPO) wurde verworfen. Im Übrigen wurde der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Mit der Berufung im Kostenpunkt wurde der Beklagte auf diese Entscheidung verwiesen. Schließlich wurde ausgesprochen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Zu den in die Entscheidung des Erstgerichtes aufgenommenen prozessleitenden Beschlüssen führte das Berufungsgericht zunächst (zusammengefasst) aus, dass diese - da im untrennbaren Zusammenhang mit der Sachentscheidung - nicht mittels aufgeschobenen (gesonderten) Rekurses, sondern mit der Berufung gegen das Urteil im Rahmen deren Mängelrüge bekämpfbar seien. Dabei sei die Auffassung des Erstgerichtes, dass das in der Klagebeantwortung enthaltene Vorbringen zur Erfüllung des Bestimmtheitsgrundsatzes nach § 226 ZPO nicht ausreiche, zutreffend; insbesondere sei die Gegenforderung weder dem Grunde noch der Höhe nach konkretisiert worden. Das Erstgericht habe daher zutreffend nach § 257 Abs 2 iVm § 180 Abs 2 ZPO entsprechende Aufträge erteilt. § 180 Abs 2 ZPO sehe zwar die Zurückweisung verspäteten Vorbringens (ohne nach dem Stadium des Verfahrens zu differenzieren) vor, befinde sich jedoch in einem Spannungsverhältnis zum Mündlichkeitsgrundsatz, der neben der durch die ZVN 2002 besonders betonten Prozessförderungspflicht zu beachten sei. Eine Präklusion bloß auf Grund eines vor Beginn der Verhandlung erteilten schriftlichen Auftrages müsse die Ausnahme bleiben, weil ansonsten („im Extremfall") die vom Gesetz vorgesehene vorbereitende Tagsatzung durch eine Reihe von Aufträgen nach § 180 Abs 2 ZPO ersetzt werden könnte. In Abwägung dieser beiden Verfahrensprinzipien sei im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Beklagte jedenfalls erkennbar rechtsvernichtende Einwendungen schon in der Klagebeantwortung erhoben habe, sodass das Vorbringen insoweit nicht zurückgewiesen hätte werden dürfen. Die Unschlüssigkeit sei mit dem Beklagten in der Tagsatzung zu erörtern, neues Vorbringen zur Substantiierung seiner Einwendungen möglich gewesen.

Die Verwerfung des Antrages auf Unterbrechung der Verhandlung (I. 1. a) samt Nichtgewährung einer Frist zur Vorlage der Abtretungserklärung (I. 1. b) sei unbedenklich, weil selbst bei Beachtung des zurückgewiesenen Vorbringens keine ausreichenden Behauptungen zur Gegenforderung vorgelegen seien (weder zum behaupteten pflichtwidrigen Verhalten des Klägers noch zum daraus angeblich der Gesellschaft verursachten Schaden). Beweise seien daher zur Gegenforderung nicht aufzunehmen gewesen. Das vom Erstgericht angenommene Zugeständnis der Höhe der Klageforderung sei ebenfalls unbedenklich, da der Beklagte nur den Grund des klägerischen Anspruches bestritten und eine Gegenforderung eingewendet habe. Da die gegen die getroffenen Feststellungen erhobene Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt sei, seien die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich zugrundezulegen. Das Vorbringen des Beklagten habe lediglich zu den angeblich unrichtigen Lagerbeständen „gerade noch" ausgereicht, sodass diesbezüglich ein ausreichendes Tatsachensubstrat in Bezug auf listige Irreführung nach § 870 ABGB vorliege. Insoweit lägen daher sekundäre Feststellungs- und Verfahrensmängel vor, die zur Aufhebung der bekämpften Entscheidung führten. Das Erstgericht werde daher in diesem Umfang die angebotenen Beweise aufzunehmen haben (Punkt 6. 3 und 4 der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz).

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde zugelassen, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes von einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechtes abhänge; die Auffassung des Erstgerichtes, § 180 Abs 2 ZPO sei auch vor der vorbereitenden Tagsatzung in vollem Umfang anwendbar, sei „nicht unvertretbar"; nehme man auf dieser Grundlage an, dass in der Zurückweisung des Vorbringens kein Verfahrensmangel liege, so fiele der tragende Grund für die Aufhebung weg.

Gegen die gesamte Entscheidung des Berufungsgerichtes, die ausdrücklich „voll inhaltlich angefochten" wird, richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil „zur Gänze zu bestätigen"; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag (mit Zurückverweisung an das Berufungsgericht) gestellt.

Die beklagte Partei hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben, erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er (auch) gegen die Bestätigung der verfahrensleitenden Beschlüsse in der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtet ist, schon deshalb unzulässig, weil es dem Kläger diesbezüglich an der Beschwer mangelt, betrafen doch sämtliche hievon betroffenen Entscheidungspunkte ausschließlich Anträge und Vorbringen seitens der beklagten, also gegnerischen Partei, hinsichtlich derer das Erstgericht jeweils abschlägig entschied. Darüber hinaus wäre er aber auch aus dem Grunde des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, da insoweit zur Gänze bestätigende Beschlüsse beider Instanzen vorliegen. Sollte man schließlich - wie vom Berufungsgericht präferiert - das gemäß § 515 ZPO beurteilte Rechtsmittel als Berufung im Rahmen deren Mängelrüge beurteilen, wäre auch darüber endgültig abgesprochen, weil dann, wenn eine derartige Mängelrüge nach sachlicher Prüfung erfolglos bleibt, eine weitere Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof ebenfalls ausgeschlossen ist (10 Ob 308/99p mwN).

Im Übrigen ist der Rekurs (im Sinne des § 519 Abs 2 ZPO) zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur ZVN 2002 BGBl I 2002/76 (962 BlgNR 21. GP) war es allgemeines Ziel des Novellengesetzgebers, das gerichtliche Verfahren schneller und effizienter zu gestalten. Den zentralen Reformansatz bildete der Gedanke, den Parteien die Mitverantwortung für eine rasche Prozessführung aufzuerlegen und sie zu verpflichten, ihr Vorbringen so zu erstatten, dass das Verfahren so rasch wie möglich durchgeführt werden kann (RV aaO 16;7 Ob 253/04p). Die Prozessförderungspflicht der Parteien ist programmatisch in § 178 Abs 2 ZPO festgelegt: Danach hat jede Partei ihre Vorträge so zeitgerecht und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann. Die Parteien können zwar nach § 179 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorbringen; ein solches Vorbringen kann jedoch vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen zurückgewiesen werden, wenn es, insbesondere im Hinblick auf die Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens (§ 182a ZPO), grob schuldhaft nicht früher vorgebracht wurde und seine Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde. Zur besseren Effektuierung hat die ZVN 2002 als weitere wesentliche Neuerung die Möglichkeit geschaffen, den Parteien aufzutragen, innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden Frist Vorbringen zu erstatten, Urkunden und Augenscheinsgegenstände vorzulegen sowie die zur Zeugenladung erforderlichen Daten bekannt zu geben (§ 180 Abs 2 ZPO); damit wird einerseits die Prozessförderungspflicht konkretisiert und andererseits dem Gericht eine Möglichkeit an die Hand gegeben, das Prozessverhalten einer Partei im Sinne des § 381 ZPO (in der Regel zu ihrem Nachteil) zu würdigen, sofern sie einem solchen Auftrag nicht nachkommt (M. Bydlinski, ZPO Anm zu § 180). Ob hiefür der von dieser Sanktion betroffenen Parteien zumindest grobes Verschulden vorzuwerfen ist oder bereits leichtes Verschulden für die Zurückweisung ausreicht (s hiezu nochmals M. Bydlinski aaO), kann hier dahingestellt bleiben, weil - wie der erkennende Senat erst jüngst zu 7 Ob 253/04p ausführlich dargetan hat - die Präklusion solchen Vorbringen jedenfalls erst nach der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens der Parteien in der vorbereitenden Tagsatzung (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) Platz greifen kann und diese Erwägungen auch für die Vorgangsweise nach § 180 Abs 2 ZPO (auf Grund derselben ratio des Gesetzgebers) spiegelbildlich zur Anwendung zu kommen haben. Im Einzelnen hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung außerdem noch Folgendes ausgeführt:

„Die Bestimmungen der §§ 179 und 258 ZPO sind im Zusammenhang zu lesen, wie sich dies schon aus dem Text ergibt. Im § 179 ZPO wird als Kriterium der groben Schuldhaftigkeit insbesondere die Erstattung des Vorbringens nach erfolgter Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens genannt, was nach § 258 Abs 1 Z 3 ZPO Gegenstand der vorbereitenden Tagsatzung ist. Nach § 258 Abs 1 Z 2 ZPO dient die vorbereitende Tagsatzung dem Vortrag der Parteien, wobei hier auf die §§ 177 bis 179 ZPO verwiesen wird, was nur bedeuten kann, dass in dieser Tagsatzung der Prozessförderungspflicht von den Parteien bei sonstiger Präklusion des Vorbringen nach § 179 ZPO (bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen) Genüge getan werden muss. Dies lässt sich auch aus den Erläuterungen ableiten, nämlich aus 962 BlgNR 21. GP, S 33, wonach im Hinblick auf die möglichen Präklusionswirkungen im Anschluss an die möglichst frühzeitige Feststellung und Erörterung der Streitpunkte in der vorbereitenden Tagsatzung die Vorbereitungsfrist für diese Verhandlung von bisher mindestens 8 Tagen auf nunmehr mindestens 3 Wochen erhöht wird und aus 962 BlgNR 21. GP, S 35, wonach nach der Erörterung der voraussichtlich entscheidungserheblichen Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Natur in dieser ersten Verhandlung das weitere - das Verfahren erheblich verzögernde - Vorbringen und Beweisanträge dann für unstatthaft erklärt werden können, wenn die Partei diese grob schuldhaft verspätet vorgebracht hat.

Die Konzentration des Vorbringens spätestens in der vorbereitenden Tagsatzung ist unverzichtbare Voraussetzung für die zügige Abwicklung des Beweisverfahrens (G. Kodek in Fasching2, § 258 ZPO, Rz 3, 13). Jedes spätere Vorbringen ist an sich verspätet (Schragel in Fasching2, § 179 ZPO, Rz 5; idS auch G. Kodek, aaO, § 258 ZPO, Rz 36).

Soll aber die vorbereitende Tagsatzung dem Vortrag der Parteien unter Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens iSd § 258 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO effizient dienen, so muss den Parteien gestattet werden, in dieser Tagsatzung noch ergänzendes Vorbringen und Beweisanbot zu erstatten, auch wenn sie dazu im Einzelfall bereits zu einem früheren Zeitpunkt (etwa in der Klagebeantwortung oder in einem Schriftsatz) Gelegenheit gehabt hätten (in diesem Sinn auch Beran et al, Die Zivilverfahrensnovelle 2002 aus der Sicht des 'Arbeitskreisesverfahrensvereinfachung' in RZ 2002, 258). Die Präklusion des Vorbringens iSd § 179 ZPO soll eben erst nach der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens der Parteien in der vorbereitenden Tagsatzung (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) Platz greifen können, was sich insbesondere aus § 258 Abs 1 Z 2 ZPO ergibt, in dem ausdrücklich auf die Präklusion des Vorbringens nach § 179 ZPO verwiesen wird. Es macht dann keinen Unterschied, ob dieses Vorbringen zu Beginn der vorbereitenden Tagsatzung oder erst nach Beginn des Beweisverfahrens in der vorbereitenden Tagsatzung erstattet wird, da die Tagsatzung an sich ja im Hinblick auf eine mögliche Verzögerung eine Einheit bildet."

Diesen Ausführungen ist weiterhin zu folgen. Ihre Grundsätze und Grundzüge sind auch auf die Vorgangsweise nach § 180 Abs 2 ZPO anzuwenden, woraus jedoch folgt, dass jedenfalls das nicht vom rechtskräftigen Zurückweisungsbeschluss erfasste weitere Vorbringen samt Beweisanbot der beklagten Partei in der besagten vorbereitenden Tagsatzung grundsätzlich zulässig und nicht allein deshalb zurückzuweisen war, weil es früher hätte erstattet werden können. Insoweit dürfen Prozessbeschleunigungs- und Konzentrationsmaxime nicht Selbstzweck sein. Ob die Verfahrensergänzung überhaupt notwendig ist, hat der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht zu prüfen (RIS-Justiz RS0042179; 7 Ob 253/04p). Dieser Aufhebungsauftrag erfasst dabei freilich - was nur der Vollständigkeit und Klarheit halber für das fortgesetzte Verfahren betont werden soll - nur (mehr) die beklagtenseits eingewendeten und in Punkt 6. 3 und 4 der berufungsgerichtlichen Entscheidung zusammengefassten Beweisthemen; alle übrigen sind aus dem Verfahren (bindend) ausgeschieden und daher im fortgesetzten Rechtsgang nicht mehr aufzugreifen.

Es war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt ist in § 52 Abs 1 ZPO begründet.