OGH vom 02.06.2003, 5Ob58/03w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller Friedrich und Elfriede W*****, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1.) Marion M*****, 2.) Karlheinz P*****, 3.) Mardotte P*****, 4.) Karin R*****, 5.) Walter W*****, 6.) Milanka R*****, 7.) Maria F*****, 8.) Johannes F*****, 9.) Irma B*****, 10.) Josef B*****, 11.) Petra S 12.) Robert K*****, 13.) Hermine M***** und 14.) Isabella J*****, alle *****, die zu 2.) und 3.) angeführten Antragsgegner vertreten durch Mag. Olga Zloklikovits, Rechtssekretärin der Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation NÖ/Bgld, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, wegen Erhöhung der Hauptmietzinse, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 50/02m-93, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom , GZ 4 Msch 5/97k-84, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Mietrechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die vom Zweitantragsgegner und der Drittantragsgegnerin verzeichneten Barauslagen für die Beantwortung des Revisionsrekurses sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.
Text
Begründung:
Die Antragsteller sind Miteigentümer des Hauses J***** in K*****. Sie haben zur Durchführung diverser Erhaltungsarbeiten gemäß §§ 18 ff MRG die Erhöhung der Hauptmietzinse beantragt. Das Verfahren ist mittlerweile bis zu einer Grundsatzentscheidung nach § 18a MRG gediehen, in der ua ausgesprochen wurde, dass bestimmte Baumeisterarbeiten, Maler- und Anstreicherarbeiten, die Erneuerung der Fenster, Elektroinstallationsarbeiten, Dachdecker- und Spenglerarbeiten, Arbeiten zur Feuchtigkeitsisolierung, die Arbeiten am Haustor und Kanalarbeiten die Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigen.
Nicht als die Mietzinserhöhung rechtfertigende Erhaltungsarbeiten wurden die Wärmedämmung des Hauses und die dadurch notwendige Erneuerung von Fensterblechen sowie der Einbau eines Personenaufzugs gewertet. Ob dies zutrifft, ist die einzige im Revisionsrekursverfahren strittig gebliebene Frage. Es erübrigen sich daher weitere Ausführungen zum Sachverhalt. Nur so viel sei erwähnt, dass die Antragsteller (ua) für Isolierungsarbeiten und den Lifteinbau eine Förderung des Landes Niederösterreich erhalten haben (die bei Errechnung des Deckungsfehlbetrages berücksichtigt wurde) und dass sich zu den mit ATS 483.200,-- veranschlagten Kosten der "Wärmedämmung der Fassaden, Kellerdecke und oberster Geschoßdecke", zu den mit ATS 109.448,-- veranschlagten Kosten der Fensterbleche und zu den mit ATS 844.251,89 veranschlagen Kosten des Personenaufzugs lediglich eine Stellungnahme der Stadtgemeinde K***** beim Akt befindet, wonach "auf Grund örtlicher Überprüfung festgestellt wurde, dass die beiliegenden Kostenvoranschläge (darunter die für die Wärmedämmung, die Fensterbleche und den Lifteinbau) keine notwendigen Arbeiten zur Instandhaltung des Gebäudes beinhalten, sondern eindeutig eine Verbesserung darstellen".
Das Erstgericht begründete die Herausnahme der für die Wärmedämmung, die Fensterbleche und den Lifteinbau verzeichneten Kosten aus dem eine Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigenden Erhaltungsaufwand damit, dass zwar auch Verbesserungsarbeiten zu einer Erhöhung der Hauptmietzinse führen könnten, doch müssten dazu die Voraussetzungen des § 18b MRG vorliegen, die im konkreten Fall nicht erfüllt seien. Die dazu angestellten umfangreichen Berechnungen sind den Seiten 7 f der ON 84 zu entnehmen. Als Ergebnis dieser Berechnungen nahm das Erstgericht an, dass die Erhöhung der Hauptmietzinse unter Berücksichtigung der Kosten für die Wärmedämmung, die Fensterbleche und den Lifteinbau das Ausmaß übersteigen würde, das sich bei bloßer Durchführung von Erhaltungsarbeiten iSd § 3 MRG ohne Gewährung öffentlicher Förderungsmittel nach dem Wohnhaussanierungsgesetz ergeben würde.
Das von den Antragstellern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:
Dass zu den Isolierungsarbeiten kein Sachverständigenbeweis aufgenommen wurde, stelle keinen Verfahrensmangel dar, weil die Antragsteller in Kenntnis der Stellungnahme der Stadtgemeinde K*****, wonach es sich eindeutig um Verbesserungsarbeiten handle, keine Beweisanträge gestellt hätten. Das Erstgericht sei nicht gehalten gewesen, die gemäß § 38 MRG eingeholte Stellungnahme der Stadtgemeinde K***** durch ein Sachverständigengutachten untermauern zu lassen. Mit den vom Erstgericht zu § 18b MRG angestellten Erwägungen setzte sich das Rekursgericht nicht auseinander; es nahm offenbar als gegeben an, dass die Wärmedämmung des Hauses samt Erneuerung der Fensterbleche ? wie "festgestellt" ? eine Verbesserungsarbeit sei. Auf die Kosten des Lifts, die offenbar auch nach Ansicht der Antragsteller nur dann eine Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigen könnten, wenn man sie ? bei gleichzeitiger Anerkennung der Wärmedämmung als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG - dem § 18b MRG unterstellt und dementsprechend die dazu angestellten Berechnungen des Erstgerichtes korrigiert, ging das Rekursgericht ebenfalls nicht ein.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine iSd § 502 Abs 1 ZPO (gemeint ist § 528 Abs 1 ZPO) erhebliche Rechtsfrage habe sich nämlich nicht gestellt.
Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluss haben die Antragsteller ao Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn so abzuändern, dass zu den anerkannten Erhaltungsarbeiten auch die Wärmedämmung und die hiedurch notwendige Anbringung von neuen Fensterblechen als Erhaltungsarbeiten anerkannt werde, die gesamten Erhaltungsarbeiten also mit Euro 280.294,93 und ? unter Berücksichtigung der Kosten für die Errichtung eines Personenaufzugs gemäß § 18b MRG ? das Gesamtausmaß der auf die Mieter aufzuteilenden Kosten mit Euro 355.369,35 festgesetzt werde. Hilfsweise wurde auch noch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Den Antragsgegnern wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Der Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin haben von dieser Äußerungsmöglichkeit auch Gebrauch gemacht und in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die vollinhaltliche Bestätigung des zweitinstanzlichen Sachbeschlusses beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, zulässig und iS seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
Die Antragsteller bekämpfen im vorliegenden Revisionsrekurs lediglich die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Wärmedämmung des Hauses samt dem erforderlichen Austausch der Fensterbleche sei nicht als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG zu qualifizieren. Diese Rechtsansicht lasse sich nicht mit der höchstgerichtlichen Judikatur vereinbaren, wonach die Anbringung eines Vollwärmeschutzes sehr wohl eine Maßnahme der Erhaltung des Hauses sei. Mit der diesbezüglichen Rechtsrüge im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss habe sich das Rekursgericht gar nicht befasst. Die Fehlbeurteilung habe zu sekundären Feststellungsmängeln geführt; es wäre in Wahrung des geltenden Untersuchungsgrundsatzes sehr wohl Sache des Erstgerichtes gewesen, etwa ein Sachverständigengutachten zur Klärung der Frage einzuholen, ob die Wärmedämmung den Anforderungen einer Erhaltungsarbeit nach § 3 Abs 2 Z 5 MRG genügt. Sei dies der Fall, hätten die Kosten für die Errichtung des Personenaufzugs gemäß § 18b MRG bei der Ermittlung des Deckungsfehlbetrags ebenfalls Berücksichtigung zu finden.
Dazu wurde erwogen:
Gemäß § 3 Abs 2 Z 5 MRG gehört zur Erhaltung des Hauses auch eine der Senkung des Energieverbrauchs dienende Ausgestaltung, wenn und insoweit die hiefür erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses und zu den zu erwartenden Einsparungen stehen. Dass demnach die Anbringung eines Vollwärmeschutzes unter Einschluss aller erforderlichen Nebenarbeiten eine Erhaltungsarbeit sein kann, wurde schon wiederholt judiziert (5 Ob 81, 82/94 = WoBl 1998, 144/101; 5 Ob 64/00y = WoBl 2001, 16/10; 5 Ob 301/01b = bbl 2002/96 = immolex 2003/10). Nach anderen Möglichkeiten, die Wärmedämmung eines Hauses als eine die Mietzinserhöhung nach §§ 18 ff MRG rechtfertigende Erhaltungsarbeit zu behandeln, ist daher erst zu suchen, wenn eine Subsumierung der Arbeiten unter § 3 Abs 2 Z 5 MRG ausscheidet. Sie allein deshalb den Sonderbestimmungen des § 18b MRG zu unterwerfen, weil die Anbringung der Wärmedämmung am verfahrensgegenständlichen Haus mit Mitteln gefördert wird, die auf Grund der Bestimmungen des Wohnhaussanierungsgesetzes gewährt worden sind, würde der Zielsetzung des § 18b MRG nicht gerecht, unter der Voraussetzung einer öffentlichen Förderung auch Maßnahmen der Verbesserung des Hauses in den Kreis jener Arbeiten einzubeziehen, die über eine Erhöhung der Hauptmietzinse finanziert werden können. Derartige Sanierungsmaßnahmen "gelten" in Verfahren zur Erhöhung der Hauptmietzinse als Erhaltungsarbeiten, was bei Erhaltungsarbeiten, die ohnehin im Katalog des § 3 Abs 2 MRG enthalten sind, gar nicht erst fingiert werden muss. Bei der Ermittlung des Deckungsfehlbetrages ist nur sicherzustellen, dass die durch öffentliche Förderungsmittel erzielte oder zu erzielende Verringerung des Kostenaufwands des Vermieters berücksichtigt wird (vgl 5 Ob 64/91 = MietSlg 43.224; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 5 zu § 18 MRG).
Ob eine energiesparende Maßnahme als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG zu qualifizieren ist, ist primär eine vom Gericht zu lösende Rechtsfrage. Tatfragen stellen sich nur im Zusammenhang mit den Kosten, die in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum Erhaltungszustand des Hauses und den zu erwartenden Einsparungen stehen müssen. Zu ihrer Klärung kann es erforderlich sein, einen Sachverständigen beizuziehen.
Im gegenständlichen Fall wurde die Klärung dieser Rechts- und Tatfragen gemäß § 38 MRG allein der Stadtgemeinde Klosterneuburg überlassen, obwohl diese nur zur Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Preisangemessenheit etc Stellung nehmen sollte. Eine nachvollziehbare Begründung, warum die Anbringung des Vollwärmeschutzes "eindeutig eine Verbesserung darstellt", fehlt. Sie ließe sich mit der einschlägigen Judikatur nur dann in Einklang bringen, wenn der Wärmeschutz unwirtschaftlich bzw zu teuer wäre, was jedoch nicht durch Feststellungen untermauert wurde. Es fehlt ein der rechtlichen Würdigung zu unterziehender Sachverhalt.
Mit der schlichten Übernahme der "Feststellung", die von den Antragstellern beabsichtigte Ausstattung des Hauses mit einer Wärmedämmung sei eindeutig eine Verbesserung (und keine Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG), haben es die Vorinstanzen verabsäumt, ausreichende Grundlagen für eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu schaffen. Derartige Feststellungsmängel sind der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen, weil sie auf eine Verkennung der Rechtslage zurückzuführen sind (vgl Kodek in Rechberger2, Rz 4 zu § 496 ZPO) und wären daher auf Grund der im Rekurs der Antragsteller gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss erhobenen Rechtsrüge der Antragsteller schon vom Rekursgericht zu beheben gewesen. Dass dies nicht geschehen ist (die sekundären Feststellungsmängel also weiter bestehen) konnte erneut ? nunmehr in dritter Instanz - mit einer Rechtsrüge geltend gemacht werden.
Es wird also noch zu klären sein, ob die von den Antragstellern beabsichtigte Ausstattung des Hauses mit einem Vollwärmeschutz nicht doch als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG zu werten ist. Die einschlägige Judikatur schließt dies keineswegs aus; es fehlen jedoch Feststellungen, die beurteilen lassen, ob die Voraussetzungen der Wirtschaftlichkeit erfüllt sind. Ist dies der Fall, haben sich die vom Erstgericht zu § 18b MRG angestellten Erwägungen und Berechnungen auf die Frage zu konzentrieren, ob auch die Kosten für die Errichtung eines Personenaufzugs (als Kosten von Sanierungsmaßnahmen) eine Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden. Es erscheint zweckmäßig, die notwendige Verfahrensergänzung vom Erstgericht vornehmen zu lassen, da die Aufnahme von Sachverständigenbeweisen notwendig sein könnte.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 52 ZPO.