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OGH vom 24.08.2011, 3Ob95/11h

OGH vom 24.08.2011, 3Ob95/11h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Mag. Klaus Burgholzer, Rechtsanwalt in Linz, und der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. N***** GesmbH, *****, vertreten durch Landl und Edelmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Vöcklabruck, 2. Dr. P*****, vertreten durch Mag. Brigitte Steinhuber Kals, Rechtsanwältin in Bad Ischl, gegen die beklagten Parteien 1. K*****, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, 2. F***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wels, 3. A***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien F*****gesellschaft mbH Co KG, *****, vertreten durch Mag. Klaus Hehenberger, Rechtsanwalt in Wels, wegen 15.530,06 EUR sA und Feststellung, über die Revision der erst und drittbeklagten Partei (Revisionsinteresse 10.203,60 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 187/10f 105, womit über Berufung der erst und drittbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 4 Cg 19/10a 98, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erst und drittbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 898,86 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 149,81 EUR USt), der Nebenintervenientin N***** GesmbH die mit 844,85 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 140,81 EUR USt) und dem Nebenintervenienten Dr. P***** die mit 901,02 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 150,17 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Erstbeklagte beauftragte den Zweitbeklagten im Jahr 2006 anlässlich der Errichtung eines Einfamilienhauses auf einer ihr gehörigen Liegenschaft mit der Herstellung einer Spundwand zur Sicherung der Baugrube und die Drittbeklagte mit der Aushebung der Baugrube. Wenige Tage nach Aushebung der Baugrube kippte die Spundwand in Richtung der Baugrube. Hinter der Spundwand rutschte ein Gleitkörper ab, der bis hinter die auf dem benachbarten Grundstück des Klägers errichtete Steinmauer reichte und dort zu einem entsprechenden Geländeanriss bzw Geländeversatz führte. Die im Bereich des Gleitkörpers gelegene Steinmauer wurde irreparabel beschädigt. Die auf diese Spundwandverformung zurückführenden Oberflächensetzungen führten zu Verformungen im Bereich der Führungsschiene der Schwimmbadabdeckung des Klägers. Auch die am Grundstück des Klägers verlegten Erdwärmekollektoren waren teilweise im Einflussbereich des abgerutschten Gleitkörpers.

Ursache des Böschungsbruchs war das Versagen der von der Zweitbeklagten eingebauten Spundwand.

Hätte der Baggerführer der Drittbeklagten, als er anlässlich der Aushebung der Baugrube den Wasseraustritt bemerkte, die Aushubarbeiten abgebrochen, wäre der Schaden verhindert worden.

Nach rechtskräftiger Abweisung eines Teilbegehrens von 5.326,46 EUR sA und eines vom Kläger erhobenen Feststellungsbegehrens bereits durch das Erstgericht bestätigte das Berufungsgericht den erstgerichtlichen Zuspruch von 10.203,60 EUR sA (Wiederherstellungskosten für die Steinmauer, das Pool und die Grünanlagen; Kosten in Zusammenhang mit der Sanierung der Erdwärmeleitung) gegenüber der Erstbeklagten und der Drittbeklagten (mit der Zweitbeklagten hatte der Kläger im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens Ruhen des Verfahrens vereinbart).

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei; über Abänderungsantrag der Erst und Drittbeklagten, verbunden mit der Ausführung der ordentlichen Revision, änderte das Berufungsgericht seinen Zulässigkeitsausspruch nachträglich dahin ab, dass es die Revision mit der Begründung für zulässig erklärte, dass möglicherweise von einer teilweise uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Auswirkungen einer Baufälligkeit bzw Bauordnungswidrigkeit des beschädigten „Gebäudes“ auf dem Nachbargrundstück und von der Rechtsprechung zu den Schutz und Sorgfaltspflichten eines vom Grundeigentümer beigezogenen Baggerunternehmens abgewichen sei. Zudem liege zur Frage, ob auch im Erdreich verlegte Erdwärmekollektoren ein Gebäude iSd § 364b ABGB darstellten, höchstgerichtliche Judikatur nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Berufungsurteil von der Erst und der Drittbeklagten erhobene Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Die gesetzliche Ermächtigung des § 364b zweiter Halbsatz ABGB zwingt von Sonderfällen dennoch erkennbarer Gefährlichkeit abgesehen den Grundnachbarn, die Vertiefung des Grundstücks des Bauführers vorläufig hinzunehmen. Die baubehördliche Bewilligung hat in solchen Fällen die gleiche tatsächliche Wirkung, die im § 364a ABGB einer behördlich genehmigten Anlage zuerkannt wird (RIS Justiz RS0010707).

2. Die Revisionswerber bezweifeln die Anwendbarkeit des § 364b ABGB auf den Anlassfall mit dem Argument, dass die auf dem Grundstück des Klägers errichtete Steinschlichtung, der Swimmingpool samt Poolabdeckung und die im Erdreich verlegten Erdwärmekollektoren kein Gebäude iSd § 364b ABGB darstellten; jedenfalls aber fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage.

2.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits im Jahr 1927 (ZBl 1927/247) ausgesprochen, dass § 364b ABGB zwar nur davon spreche, dass der Boden oder ein Gebäude die Stütze verliere, dass es aber verfehlt wäre, andere Vorrichtungen auf dem Nachbargrundstück nicht vor Gefährdung zu schützen. Er bejahte demgemäß die Anwendbarkeit des § 364b ABGB in Ansehung eines am Nachbargrundstück errichteten Zauns.

2.2 Auch in Folgeentscheidungen wurde betont, dass der Zweck des § 364b ABGB offensichtlich ganz allgemein in der Sicherung der Festigkeit und Standsicherheit des Nachbargrundstücks gegen Vorkehrungen liegt, die einen Eingriff in die natürliche bodenphysikalische Beschaffenheit des Nachbargrundstücks bewirken, wodurch das Grundstück des Oberliegers seine Stütze verliert (1 Ob 1/88 SZ 61/61; 7 Ob 103/98t). In der Entscheidung 3 Ob 70/03w SZ 2003/154 wurde ausdrücklich ausgeführt, dass es nicht Voraussetzung für einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB ist, dass der Schaden am Gebäude selbst entstanden sein muss.

2.3 Dass als geschütztes Gebäude jede Anlage auf der Nachbarliegenschaft anzusehen ist, entspricht auch der herrschenden Lehre ( Spielbüchler in Rummel ³ § 364b ABGB Rz 4; Oberhammer in Schwimann ABGB³ II § 364b Rz 3; Eccher in KBB³ § 364b Rz 2; Holzner in ABGB ON 1.00 § 364b Rz 3).

2.4 Von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht ab. Dass zu den konkreten Beschädigungen (Steinschlichtung; Swimmingpool; Erdwärmeleitungen) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Es kommt vielmehr darauf an, ob der zu beurteilende Sachverhalt von den schon judizierten Fällen in einem rechtlich wesentlichen oder nur in einem weniger bedeutenden Element abweicht, dem höchstens im Einzelfall im Rahmen einer Ermessensentscheidung ein gewisses Gewicht beigemessen wurde. Geht es lediglich darum, ob bereits vorhandene Rechtsprechungsgrundsätze auf einen konkreten Sachverhalt anwendbar sind, können nur grobe Subsumtionsfehler eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigen. Dass noch keine Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt vorliegt, reicht für die Zulässigkeit einer Revision nicht aus ( Kodek in Rechberger ³, § 502 ZPO Rz 21 mwN; RIS-Justiz RS0102181).

2.5 Die Auffassung der Revisionswerber, § 364b ABGB könne auf unter der Erde verlegte Leitungen nicht anwendbar sein, ist schon deshalb unzutreffend, weil sich eine derartige Einschränkung weder aus dem Gesetzestext noch aus dem erwähnten Zweck der Bestimmung ableiten lässt. So befindet sich etwa bei unterkellerten Gebäuden regelmäßig ein Gebäudeteil unter der Erdoberfläche.

2.6 Nicht nachvollziehbar ist die generelle Behauptung, § 364b ABGB sei unanwendbar, wenn der Nachbar selbst die „natürliche bodenphysikalische Beschaffenheit“ seines Grundstücks verändert habe. Im Einzelnen führen die Revisionswerber dazu ins Treffen, dass der Kläger sein Hanggrundstück mit neuem Erdreich um 0,8 m über das zulässige Ausmaß hinaus aufgeschüttet, keine Stützmauer errichtet, die Steinschlichtung ohne Fundament und Drainagierung entgegen dem Stand der Technik errichtet und nicht genehmigte Erdwärmekollektoren verlegt habe, die erst im Jahr 2008 wasserrechtlich mit Auflagen bewilligt worden seien. Mit diesem Vorbringen übergehen die Revisionswerber den festgestellten Sachverhalt, dass weder der errichtete Steinsatz oder das Tauwasser des Erdwärmeflächenkollektors (Erstgericht S 17, 22 und 24), noch die Stabilität der Anschüttung (S 38) schadenskausal waren und dass das Einstürzen einer Stützmauer nicht auszuschließen sei (S 38), ihre Nichterrichtung also jedenfalls ebenfalls nicht kausal oder mitkausal für das festgestellte Versagen der Baugrubensicherung war. Die beim Kläger verursachten Schäden wurden nicht durch dessen Eingriffe auf sein Grundstück, sondern durch die festgestellten mangelhaften Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Erstbeklagten verursacht. Sollten die Revisionsausführungen dahin zu verstehen sein, dass jeder „Eingriff“ eines Grundeigentümers in die natürliche bodenphysikalische Beschaffenheit seines Grundstücks spätere Ausgleichsansprüche gegen den Nachbarn nach § 364b ABGB wegen Einwirkungen von dessen Grundstück ausschließt, ist diese Auffassung abzulehnen. Diese Beurteilung würde § 364b ABGB in einer Vielzahl von Fällen den Anwendungsbereich entziehen, ist doch jede Bauführung auf dem eigenen Grundstück im Regelfall mit einem Eingriff in die „natürliche bodenphysikalische Beschaffenheit“ verbunden.

3. Der Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB besteht auch dann, wenn der durch die Bauführung bedrohte Bau schadhaft ist (RIS Justiz RS0010709). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Zustand eines durch Bauarbeiten beschädigten Gebäudes vorher nicht selbst bauordnungswidrig war (1 Ob 80/97i). Dass die vom Kläger errichtete Steinschlichtung nicht dem Stand der Technik entsprach, steht somit einem Ersatzanspruch nicht entgegen; die vom Berufungsgericht in seinem nachträglichen Zulässigkeitsausspruch als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, wie sich eine Bauordnungswidrigkeit auf den Ausgleichsanspruch auswirke, stellt sich nicht, weil der bloße Umstand, dass die Steinschlichtung „nicht dem Stand der Technik“ entsprach, noch keine Bauordnungswidrigkeit begründet.

4. Dass dem Kläger erst nachträglich mit Bescheid vom die wasserrechtliche Bewilligung für den Betrieb einer Anlage zur Gewinnung von Erdwärme zum Betrieb einer Wärmepumpe erteilt wurde, steht wie schon erläutert in keinem Zusammenhang mit den verursachten Schäden.

5. Die Revision stellt nicht grundsätzlich in Frage, dass die Haftung des ausführenden Werkunternehmers, also des faktischen Schädigers, neben die nachbarrechtliche Haftung des Grundstückseigentümers tritt (1 Ob 153/07t RdU 2008/18 [ Schmaranzer ] = JBl 2008, 320 [ Haas/Stefula ] mwN). Die Einbeziehung des drittbeklagten Baggerunternehmens in den Schutzbereich des Werkvertrags, der Sorgfaltspflichten auch zugunsten des Grundnachbarn umfasst, steht mit der Judikatur im Einklang. Der Kontakt zum begünstigten Dritten mit der Erbringung der vertraglichen Hauptleistung war vorhersehbar (RIS Justiz RS0017058; RS0037785). Nach den Feststellungen wäre der Schaden nicht eingetreten, wenn bereits nach dem ersten Wassereintritt der erkennbar gefährliche Baugrubenaushub nicht fortgesetzt worden wäre.

6. Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger ebenso wie die Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers wiesen in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision der Erst und Drittbeklagten hin. Der Streitgenossenzuschlag im Revisionsverfahren beträgt lediglich 10 %. Die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt, stand also dem Kläger nicht iSd § 15 RATG gegenüber ( Obermaier , Das Kostenhandbuch Rz 545).