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OGH vom 13.10.1982, 6Ob9/82

OGH vom 13.10.1982, 6Ob9/82

Norm

AnerbenG § 1;

AnerbenG § 10;

AnerbenG § 11;

AnerbenG § 17;

AnerbenG § 18;

Kopf

SZ 55/150

Spruch

Die rechtskräftige Entscheidung des Abhandlungsgerichtes über die Bestimmung des Übergabspreises nach § 11 AnerbenG ist für alle Verfahrensbeteiligten, auch den Pflichtteilsberechtigten, über das Verlassenschaftsverfahren hinaus bindend

Ist der Anerbe der einzige Erbe, muß zur Berechnung der Pflichtteilsforderung die Verlassenschaftsmasse so behandelt werden, als enthielte sie an Stelle des Erbhofs lediglich eine Geldforderung in der Höhe des Übernahmspreises

(OLG Graz 5 R 56/82; KG Leoben 9 Cg 560/81)

Text

Alois G ist am gestorben. Der Kläger ist sein unehelicher Sohn. Andere pflichtteilsberechtigte Personen hat der Verstorbene nicht hinterlassen. Der Erblasser hat die uneheliche Tochter seiner Cousine testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt. Deren Erbserklärung wurde in der Verlassenschaftsabhandlung zu Gericht angenommen. Der Erblasser war Eigentümer der steiermärkischen Liegenschaft EZ 21 KG S samt 1/28 Anteil an der Liegenschaft EZ 95 KG S und landwirtschaftliche Betriebsmitteln. Außer dieser Liegenschaft ist kein Nachlaßvermögen vorhanden.

Der Kläger stellte Pflichtteilsansprüche. In dieser Eigenschaft wurde er auch der Verlassenschaftsabhandlung beigezogen.

Die Erbin beantragte im Abhandlungsverfahren mangels diesbezüglicher Übereinkunft mit dem pflichtteilsberechtigten Kläger, der vom Erblasser testamentarisch mit einem Barlegat von 10 000 S bedacht worden ist, die gerichtliche Bestimmung des Übernahmspreises iS des § 11 AnerbenG. Das Abhandlungsgericht bestimmte den Übernahmspreis des bereits mit Beschluß vom als Erbhof gewerteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bei einem angenommenen Ertragswert von höchstens 721 740 S und erforderlichen Investitionen von etwa 770 000 S mit Null. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers gab das Rekursgericht nicht statt. Der OGH wies den vom Kläger gegen die bestätigende Rekursentscheidung erhobenen Revisionsrekurs zurück (6 Ob 9/81).

Mit der am gegen die Verlassenschaft eingebrachten Klage begehrte der Kläger als Pflichtteil einen Betrag von 150 000 S. Dazu behauptete er einen als Bemessungsgrundlage heranzuziehenden Nachlaßwert von mindestens 300 000 S. Er bestritt vor allem die Erbhofeigenschaft der Nachlaßliegenschaft nach § 1 AnerbenG und erachtete daher den Verkehrswert und nicht einen im Abhandlungsverfahren festgestellten Übernahmspreis für die Pflichtteilsberechnung als maßgebend. Nach seinem Klagsvorbringen gehöre zwar der landwirtschaftliche Besitz nur "unter anderem" zu dem mit 300 000 S bewerteten Nachlaß, andere Verlassenschaftsaktiven bezeichnete der Kläger aber im Rechtsstreit nicht. Er bestritt jedoch ausdrücklich die Höhe der von der beklagten Partei behaupteten Belastungen der Nachlaßliegenschaft.

Die beklagte Partei machte vor allem geltend, daß im Abhandlungsverfahren der Übernahmspreis des als Erbhof iS des § 1 Abs. 1 AnerbenG festgestellten landwirtschaftlichen Betriebes rechtskräftig mit Null bestimmt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es legte der Pflichtteilsberechnung den im Abhandlungsverfahren bestimmten Übernahmspreis zugrunde und wies demgemäß das Pflichtteilsbegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und nahm gleichfalls die bindende Wirkung der rechtskräftigen Bestimmung des Übernahmspreises im Abhandlungsverfahren an.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach der Rechtsprechung des OGH hat das Anerbengesetz zur Entscheidung über die Erbhofeigenschaft eines in die Verlassenschaft fallenden Vermögens sowie über die Höhe des Übernahmspreises ausschließlich das Abhandlungsgericht berufen, dem Prozeßrichter die Befugnis entzogen, diese Frage in einem von ihm zu entscheidenden Rechtsstreit - etwa über eine Pflichtteilsforderung, wie hier - auch nur als Vorfrage selbständig zu lösen und damit die Unterbrechung des Rechtsstreites bis zur Entscheidung des Abhandlungsgerichtes zwingend vorgesehen (SZ 40/98 ua.). Die rechtskräftige Entscheidung des Abhandlungsgerichtes über die Bestimmung des Übernahmspreises nach § 11 AnerbenG ist für alle Verfahrensbeteiligten über das Verlassenschaftsverfahren hinaus bindend. Dieser Wertfestsetzung kommt als einer gerichtlichen Beschlußfassung im außerstreitigen Verfahren grundsätzlich materielle Rechtskraft zu. Für den Pflichtteilsberechtigten ist dies aus § 17 AnerbenG zu folgern. Die in § 18 AnerbenG geregelte Antragsberechtigung des Noterben zur Einleitung einer - vom Abhandlungsgericht durchzuführenden - Nachtragserbteilung bestimmt nicht nur die Beteiligtenstellung des Pflichtteilsberechtigten im abhandlungsgerichtlichen Erbteilungsverfahren nach dem Anerbengesetz im allgemeinen, sondern läßt auch die Absicht des Gesetzgebers erkennen, daß über den bei der sondergesetzlichen Erbteilung an die Stelle des Erbhofes tretenden Übernahmspreis auch als Bemessungsgrundlage für die Pflichtteilsberechnung ausschließlich und mit bindender Wirkung das Abhandlungsgericht entscheiden soll, weil anders die Antragsberechtigung des Noterben zur Einleitung einer Nachtragserbteilung nicht hinlänglich erklärbar wäre.

Das Anerbengesetz sieht - zum Unterschied etwa von § 3 Abs. 4 Kärntner Erbhöfegesetz - eine abgesonderte Beschlußfassung über das Vorliegen der Erbhofseigenschaft eines Verlassenschaftsbestandteiles nicht ausdrücklich vor. Dennoch hat die oben erwähnte Rechtsprechung auch zur Entscheidung dieser Frage die ausschließliche Zuständigkeit des Abhandlungsgerichtes und die bindende Wirkung eines solchen Beschlusses angenommen. Dies wird dem Zweck und der Technik der durch das Anerbengesetz geregelten "Zuweisung" des Erbhofes an den aus einer Mehrheit von Erben bestimmten Anerben gerecht. Denn die anerbenrechtliche Zuweisung des Erbhofes ist zum einen als besonderer Rechtstitel für den Eigentumserwerb durch den Anerben zu sehen, der dafür mit dem Übernahmspreis zum Schuldner der Verlassenschaft wird, zum anderen aber als eine für alle Verfahrensbeteiligten wirksame Veränderung des Aktivbestandes der Verlassenschaft, indem an die Stelle des Erbhofes die Forderung gegen den Anerben tritt. Diese Veränderung der Masse durch die Zuweisung ist auch für die Pflichtteilsberechnung maßgebend, weil sie der wirklichen Zuteilung iS des § 786 ABGB vorangehend zu denken ist. Ist nun aber der Anerbe - wie im vorliegenden Fall - der einzige Erbe, bedarf es des Rechtsinstitutes der "Zuweisung" zur Auseinandersetzung mit anderen Erben nicht; trotzdem kann aber der Anerbe den Pflichtteilsberechtigten gegenüber nicht anders behandelt werden als im unmittelbaren Anwendungsfall des § 10 AnerbenG. Auch in diesem Fall muß zur Berechnung der Pflichtteilsforderung die Verlassenschaftsmasse so behandelt werden, als enthielte sie anstelle des Erbhofes lediglich eine Geldforderung in Höhe des Übernahmspreises. Ist also der Übernahmspreis durch das Verlassenschaftsgericht einmal rechtskräftig bestimmt, dann tritt diese beschriebene Ersetzungswirkung jedenfalls ein, und es bleibt in diesen Fällen nur mehr eine theoretische Frage, ob ein vorangegangener abhandlungsgerichtlicher Beschluß über die Feststellung der Erbhofeigenschaft als Entscheidung über eine Vorfrage bloß verfahrensinterne Bindung auslöst oder darüber hinaus auch materielle Rechtskraft genießt.

Im vorliegenden Fall wurde dem nunmehrigen Rechtsmittelwerber der abhandlungsgerichtliche Beschluß über die Feststellung der Erbhofeigenschaft zugestellt. Dieser abhandlungsbehördliche Beschluß erwuchs in Rechtskraft. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, daß dem nunmehrigen Rechtsmittelwerber im Verlassenschaftsverfahren etwa durch Verweigerung der Beteiligtenstellung die Möglichkeit genommen worden wäre, die Umstände geltend zu machen, die nach seiner Ansicht gegen eine Anwendung des Anerbengesetzes sprächen.

Die dargestellte bindende Wirkung der (abhandlungsgerichtlichen Annahme der Erbhofeigenschaft und der) Feststellung des Übernahmspreises schließt die vom Rechtsmittelwerber geforderte Nachprüfung dieser Fragen im Rechtsstreit über seine Pflichtteilsforderung aus.

Die Abgrenzung der streitigen und außerstreitigen Gerichtsbarkeit liegt im Ermessen des Verfahrensgesetzgebers, ohne daß dabei, soweit die Grundsätze des Art. 6 MRK gewahrt bleiben, verfassungsgesetzliche Schranken bestunden. Das Revisionsgericht erachtet die Erbteilungsvorschrift des Anerbenrechtes nach der Eigenart der dort umschriebenen Erbhöfe und dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe der näher bezeichneten Mittelgröße als hinreichende sachliche Kriterien für die betreffende Sonderregelung. Das Revisionsgericht sieht sich daher nicht veranlaßt, die in der Revision ausgeführte Anregung aufzugreifen, die für die Pflichtteilsberechnung maßgebenden Bestimmungen des Anerbengesetzes wegen Verdachtes der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes beim VfGH anzufechten.