zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 13.10.2010, 3Ob97/10a

OGH vom 13.10.2010, 3Ob97/10a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon. Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Clara G*****, geboren am , und Elia G*****, geboren am , über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der Mutter Mag. Nina L*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 422/09h, 423/09f 94, womit unter anderem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 3 P 205/04a S 54, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Mutter der beiden Minderjährigen hatte am , nachdem der uneheliche Vater seinen Antrag auf Rückführung der Kinder nach Italien nach dem HKÜ zurückgezogen hatte, ihren Antrag aus dem Jahr 2004 wiederholt, ihr die alleinige Obsorge für die seit zwei Jahren mit ihr in Österreich lebenden Kinder zu übertragen. Hilfsweise möge das Gericht feststellen, dass mit der alleinigen Obsorge für diese ohnehin von Gesetzes wegen die Mutter alleine betraut sei (ON S 1).

In der Folge stellte die Mutter am (ON S 11) und am (ON S 12) gleichlautend den Antrag, auszusprechen, dass die Obsorge allein der Mutter zukomme.

Mit Punkt 4. seines Beschlusses ON S 17 vom sprach das Erstgericht aus:

„Die Obsorge betreffend die Minderjährigen Clara und Elia … steht der Mutter … allein zu. Diese ist berechtigt, allenfalls erforderliche Zustimmungen zu medizinischen Maßnahmen und Behandlungen einschließlich Operationen zu erteilen.“

Nach der Begründung dieser Entscheidung gelte für die Obsorge der sich seit August 2004 durchgehend in Österreich aufhaltenden Kinder, die sowohl italienische als auch österreichische Staatsbürger seien, österreichisches Recht. Nach diesem stehe der Mutter die alleinige Obsorge zu. Demnach sei eine Entscheidung „über die Obsorge“ nicht notwendig. Um dies jedoch deutlich zu machen, sei dies im Spruch deklarativ festgehalten.

Dieser Beschluss wurde dem damals nicht anwaltlich vertretenen Vater ohne Übersetzung in die italienische Sprache mit internationalem Rückschein am in Italien zugestellt.

In der Folge stellte das Erstgericht am eine Amtsbestätigung aus, wonach die (näher definierte) Obsorge der Mutter allein zustehe.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte das Gericht zweiter Instanz über Rekurs des Vaters die als Beschluss gewertete Amtsbestätigung des Erstgerichts dahin ab, dass es den Antrag auf Ausstellung einer solchen Bestätigung abwies (Punkt 1.); weiters gab es dem Rekurs des Vaters gegen einen weiteren erstgerichtlichen Beschluss teilweise dahin Folge, dass es ihn als vorläufige Besuchsrechtsregelung bestätigte, im Übrigen aber aufhob (Punkt 2.). Dazu sprach es nur ohne nähere Begründung aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil seines Beschlusses nicht zulässig sei.

Die Mutter brachte allein gegen Punkt 1. dieser Entscheidung einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs ein. Das Erstgericht verfügte die Zustellung des Schriftsatzes an den Vater „zK“ (gemeint offenbar: „zur Kenntnis“). Dann legte es das Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Das Rekursgericht unterließ abgesehen vom Teilbereich der Bestätigung des Beschlusses ON S 61 im Umfang der vorläufigen Besuchsrechtsregelung den nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG vorgeschriebenen Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses, ohne dies zu begründen. Einer Ergänzung seiner Entscheidung bedarf es nach der Rechtsprechung aber nicht, weil in einem solchen Fall ohnehin stets ein außerordentliches Rechtsmittel zulässig sei (RIS Justiz RS0042510), das die Mutter im vorliegenden Fall auch erhob. Das hat jedenfalls dann zu gelten, wenn der Revisionsrekurs jedenfalls zurückzuweisen ist.

Der Revisionsrekurs der Mutter ist mangels Beschwer unzulässig.

Entgegen der sich aus der Begründung seiner Entscheidung ergebenden Auffassung des Rekursgerichts kann im Eventualantrag des einleitenden Schriftsatzes ON S 1 kein Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 107 Abs 1 Z 1 AußStrG gesehen werden. Vielmehr wird damit mit ausführlicher Begründung zum internationalen Zivilverfahrensrecht eine feststellende Entscheidung über die alleinige Obsorge begehrt. Diese wurde vom Erstgericht, das auch darlegte, warum es nicht zu einer Übertragung der alleinigen Obsorge zu kommen habe (somit den Hauptantrag der Sache nach abwies), im stattgebenden Sinn mit dem Beschluss ON S 17 getroffen. Damit wurden beide Anträge zumindest für die erste Instanz erledigt.

Einen Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung stellte die anwaltlich vertretene Mutter dagegen nicht; auch die Anträge in den Schriftsätzen ON S 11 und S 12 können nur als Wiederholung des ursprünglich hilfsweise gestellten Feststellungsbegehrens verstanden werden.

Durch die Abweisung eines nicht gestellten Antrags kann eine Partei weder formell noch materiell beschwert sein. Fehlt ein Antrag, dann kann dessen Abweisung nicht davon abweichen; auch wird dadurch weder die formelle noch die materielle Rechtsstellung der Mutter beeinträchtigt (s RIS Justiz RS0041868; dort [T19] zum Außerstreitverfahren). Einem allfälligen künftigen Antrag nach § 107 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AußStrG (obwohl nach dem ersten Fall eine Ausfertigung des Beschlusses ON S 17 beantragt werden könnte) stünde nicht die materielle Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung entgegen, weil eben anders als bisher über einen tatsächlich gestellten Antrag zu entscheiden wäre, also jedenfalls eine die Einmaligkeitswirkung ausschließende Sachverhaltsänderung (RIS Justiz RS0041247) vorliegen müsste.