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OGH vom 15.06.2016, 7Ob94/16y

OGH vom 15.06.2016, 7Ob94/16y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** F*****, vertreten durch Kinberger Schuberth Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, D *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 5.305,33 EUR sA und Feststellung, aus Anlass des „außerordentlichen“ Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 86/16z 12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Saalfelden vom , GZ 2 C 1257/15w 8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag übermittelt, die angefochtene Entscheidung durch einen Bewertungsausspruch gemäß §§ 526 Abs 3 iVm 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO zu ergänzen.

Text

Begründung:

In seiner Klage begehrt der Kläger – gestützt auf Gewährleistung und Schadenersatz – die Zahlung von 5.305,33 EUR sA an Preisminderung und verhältnismäßigem Rückersatz der von ihm entrichteten Normverbrauchsabgabe sowie die Feststellung der Haftung der in Deutschland ansässigen Beklagten für die Reparatur seines von ihr erworbenen Kraftfahrzeugs aufgrund manipulierter Abgaswerte.

Die Beklagte erhob die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit und bestritt die Passivlegitimation.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge. Es sprach die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts aus, erklärte das gesamte Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es – ohne Bewertung des Entscheidungsgegenstands – nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Eine Entscheidung über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Klägers, der dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorgelegt wurde, kann derzeit noch nicht ergehen, weil mangels eines Bewertungsausspruchs noch nicht beurteilt werden kann, ob der Oberste Gerichtshof dafür funktionell zuständig ist.

1.1. Der Beschluss, mit dem ein als Rekursgericht angerufenes Gericht zweiter Instanz aus Anlass des Rechtsmittels erstmals einen Nichtigkeitsgrund aufgreift und das erstgerichtliche Verfahren unter Zurückweisung der Klage für nichtig erklärt, ist analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO mit Vollrekurs – also ohne die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 528 Abs 2 ZPO – anfechtbar. War das behauptete Prozesshindernis hingegen bereits Gegenstand des Verfahrens erster Instanz und der erstgerichtlichen Entscheidung, so unterliegt ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (3 Ob 165/15h mwN; RIS Justiz RS0116348, RS0108678).

Nur dann nämlich, wenn das Rekursgericht funktionell wie ein Berufungsgericht entscheidet und aus Anlass des Rekurses gegen die Sachentscheidung einen – nach seiner Überzeugung verwirklichten – Grund für die (erstmalige) formelle Zurückweisung des Rechtsschutzbegehrens wahrnimmt, besteht eine dem normativen Gehalt des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analoge Verfahrenslage (3 Ob 165/15h; Zechner in Fasching/Konecny ² § 519 ZPO Rz 21 mwN).

1.2. Hier hat bereits das Erstgericht über das Vorliegen des Prozesshindernisses der internationalen Unzuständigkeit entschieden und diese Einrede ausdrücklich verworfen. Das Rekursgericht hat diese Entscheidung dahin abgeändert, dass es die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts ausgesprochen, das gesamte Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen hat. In einer solchen Konstellation ist der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichts nur unter den Voraussetzungen des § 528 Abs 2 ZPO zulässig.

2. Gemäß §§ 526 Abs 3 iVm 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO hat das Rekursgericht bei einem nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands bei – wie hier schon aufgrund des Zahlungsbegehrens vorliegender – Überschreitung von 5.000 EUR auch 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Der Kläger bewertete zwar sein Feststellungsbegehren mit 8.000 EUR. Da aber der Bewertungsausspruch nach §§ 526 Abs 3 iVm 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO durch eine vom Kläger gemäß § 56 Abs 2 JN vorgenommene Angabe des Werts des Streitgegenstands nicht ersetzt wird (RIS Justiz RS0042296) und das Gericht zweiter Instanz daran auch nicht gebunden ist (RIS Justiz RS0043252), wird das Rekursgericht einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands vornehmen müssen. Das Fehlen eines solchen Ausspruchs führt zu einer entsprechenden Ergänzung (RIS Justiz RS0114386).

Sollte das Rekursgericht aussprechen, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige nicht 30.000 EUR, läge ein Fall des § 528 Abs 2 Z 1a ZPO vor. Diesfalls hätte das Rekursgericht gemäß §§ 528 Abs 2a iVm 508 Abs 3 ZPO zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist und wenn der Rechtsmittelwerber im Schriftsatz nicht im Sinn des §§ 528 Abs 2a iVm 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil ein solcher (allfälliger) Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserbar ist (RIS Justiz RS0109623).

Sollte das Rekursgericht in seinem nachzuholenden Bewertungsausspruch gemäß §§ 526 Abs 3 iVm 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR bewerten, läge kein Fall des §§ 528 Abs 2a iVm 508 ZPO vor und das Rechtsmittel wäre als außerordentliches neuerlich dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.

Aus den vorstehend genannten Erwägungen ist der Akt dem Rekursgericht zurückzustellen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00094.16Y.0615.000

Fundstelle(n):
EAAAD-70034