OGH vom 29.05.2018, 4Ob92/18k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Ltd, *****, Britische Jungferninseln, vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in Neunkirchen, gegen die beklagte Partei D***** K*****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 100.000 EUR sA, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 13 R 25/18v-35, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 20 Cg 99/16z-29, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
1. Die Klägerin, eine Gesellschaft mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, begehrt vom Beklagten, einem russischen Staatsangehörigen, die Zahlung von 100.000 EUR sA aus einem Bürgschaftsvertrag. Zur internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts stützt sich die Klägerin auf eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 25 EuGVVO 2012 sowie auf den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten in Österreich nach Art 4 Abs 1 leg cit; hilfsweise beruft sie sich auf den Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs 1 erster Fall JN.
Der Beklagte erhob die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit. Er habe weder den Wohnsitz noch den ständigen Aufenthalt in Österreich; sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Russland.
Das verwarf die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten. Da er in Wien eine Wohnung gemietet habe und diese während seiner WienBesuche benütze, verfüge er auch über einen Wohnsitz iSd § 66 Abs 1 JN (iVm Art 4 und Art 62 EuGVVO 2012).
Das gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses traf es nicht.
Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der der Klägerin, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt. Das Rekursgericht habe entschieden, dass weder ein Wohnsitz des Beklagten in Wien noch eine Gerichtsstandsvereinbarung ersichtlich sei. Damit liege eine abschließende Entscheidung im abändernden Sinn vor, weshalb § 527 Abs 2 ZPO nicht anzuwenden sei.
Rechtliche Beurteilung
2.1 Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs erweist sich als absolut unzulässig.
Nach § 527 Abs 2 ZPO ist ein Rekurs gegen einen Beschluss des Gerichts zweiter Instanz, mit dem der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wurde, nur zulässig, wenn das Rekursgericht dies ausgesprochen hat.
Richtig ist, dass diese Regelung nur für „echte“ Aufhebungsbeschlüsse, nicht aber für solche Beschlüsse gilt, die zwar nach dem Wortlaut ihres Spruchs den angefochtenen Beschluss „aufheben“, ihrem Sinn und ihrer Funktion nach in Wahrheit aber eine Abänderung bedeuten (RISJustiz RS0007218). Eine in Wahrheit abändernde Entscheidung liegt dann vor, wenn eine selbständig zu entscheidende Frage vom Gericht zweiter Instanz anders als vom Erstgericht entschieden wird und sich nur als Folge davon die Notwendigkeit einer Fortsetzung des Verfahrens ergibt (RISJustiz RS0044037 [T9 und T 13]).
2.2 Der Entscheidungsgegenstand der Beschlüsse der Vorinstanzen betrifft die internationale Zuständigkeit bzw– außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO 2012 – die inländische Gerichtsbarkeit (siehe dazu § 27a JN) und damit die Frage, ob sich die Klägerin auf einen Gerichtsstand in Österreich berufen kann. Ausgehend vom Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts hat das Erstgericht über die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzuständigkeit neuerlich zu entscheiden. Anders als etwa im Vergleichsfall zu 5 Ob 202/08d hat das Rekursgericht hier nicht in abändernder Weise endgültig über die Zuständigkeitsfrage entschieden. Da es für die Beurteilung, ob eine abschließende Entscheidung des Rekursgerichts vorliegt, auf den Entscheidungsgegenstand ankommt, ist der Ansicht der Klägerin, eine endgültige Entscheidung liege deshalb vor, weil das Rekursgericht die Fragen, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 25 EuGVVO 2012 vorliege oder der Beklagte gemäß § 66 Abs 1 JN in Österreich einen Wohnsitz habe, für das Erstgericht bindend verneint habe, nicht zu folgen.
Die von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel zitierten Entscheidungen sprechen nicht für ihren Standpunkt. Im Verfahren zu 1 Ob 73/99p hat das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, neuerlich den Mangel der Vertretungsbefugnis iSd § 477 Abs 1 Z 5 ZPO zu prüfen. Dieser Beschluss war als echter Aufhebungsbeschluss zu qualifizieren, weil die Nichtigkeitsfrage nicht abschließend beurteilt wurde. Die exekutionsrechtliche Entscheidung zu 3 Ob 219/97w betraf die endgültige Beschlussfassung darüber, ob bestimmte Sonderzulagen von der Pfändung ausgenommen sind oder nicht; diese Entscheidung ist hier nicht einschlägig.
3. Bei der Entscheidung des Rekursgerichts handelt es sich um einen echten Aufhebungsbeoschluss. Da das Rekursgericht keinen Zulässigkeitsausspruch getroffen hat, ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig und daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00092.18K.0529.000 |
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