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OGH vom 19.07.2022, 5Ob79/22m

OGH vom 19.07.2022, 5Ob79/22m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch Dr. Richard Bickel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch Dr. Surena Ettefagh, Rechtsanwältin in Frastanz, wegen Einräumung des Eigentumsrechts (Streitwert: 150.432,76 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 215/21f-43, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 29 Cg 40/21w-39, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger war im Jahr 1999 Alleineigentümer einer Liegenschaft, auf der ein Haus mit angeschlossener Werkstatt/Halle errichtet war. Er adaptierte die Werkstatt/Halle für Wohnzwecke und sagte der Beklagten zu, diese nach Begründung von Wohnungseigentum (später als Top 1 bezeichnet) an sie zu verkaufen. Der Kläger nahm die Um- und Ausbauarbeiten mithilfe von Bekannten und Freunden vor. Die Beklagte bezog die Wohnung am . Am unterzeichneten die Streitteile einen Kauf-(und Wohnungseigentums-)vertrag, mit dem der Kläger der Beklagten 56/223 Anteile an der Liegenschaft zu einem Kaufpreis von 1.400.000 ATS veräußerte. Mit diesen Miteigentumsanteilen ist das alleinige Nutzungsrecht der Beklagten an der Wohnung Top 1 verbunden. Der Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag wurde am im Grundbuch einverleibt.

[2] Nachdem die Beklagte in die Wohnung eingezogen war, nahm sie ein Wohnbauförderungsdarlehen des Landes in Anspruch. Da sie für die Bewilligung des Wohnbauförderungsdarlehens eine Kostenschätzung der Renovierungsarbeiten benötigte, wandte sie sich an den Kläger, der ihr seine Unterstützung zusagte. Das Amt der Landesregierung teilte ihr am mit, dass für die Wohnbauförderung unter anderem die Rechnungen über die Ausbaukosten erforderlich seien. Letztlich erhielt die Beklagte am die Zusage eines Wohnbauförderungsdarlehens über 763.000 ATS, das dem Baufortschritt entsprechend in Teilbeträgen ausbezahlt werden sollte. Zuvor hatte der Kläger am eine als „Rückkaufoption“ bezeichnete Urkunde verfasst, nach der die Beklagte ihre 56/223 Anteile, verbunden mit Wohnungseigentum an Top 1 zum Preis von 2.070.000 ATS an den Kläger verkauft. Diese Urkunde hat die Beklagte am beglaubigt unterfertigt.

[3] Der Kläger erstellte am eine Aufstellung der Kosten für den Um- und Neubau der Wohnung Top 1, wonach sich die Gesamtkosten auf 1.721.277 ATS belaufen haben. Nachdem die Beklagte dem Amt der Landesregierung Anfang Juni 2001 die Fertigstellung des Bauvorhabens bekanntgegeben hatte, überwies dieses die letzte Rate des Wohnbauförderungsdarlehens von 328.448,15 ATS auf ihr Konto.

[4] Gestützt auf die als „Rückkaufoption“ bezeichnete Urkunde begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm an den 56/223 Miteigentumsanteilen an der Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an Top 1, das Eigentumsrecht durch bücherliche Einverleibung Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 150.432,76 EUR einzuräumen. In eventu, die Beklagte zu verpflichten, in die Einverleibung des Eigentumsrechts an diesen Miteigentumsanteilen Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 150.432,76 EUR bzw in den beigelegten Kaufvertrag, der einen integrierten Bestandteil des Begehrens bilde, einzuwilligen. Mit Vereinbarung vom habe ihm die Beklagte eine unbefristete „Rückkaufoption“ zu einem Fixkaufpreis von 2.070.000 ATS eingeräumt, die er am angenommen habe.

[5] Die Beklagte wendete ein, die Finanzierung des Umbaus sei durch ein Wohnbauförderungsdarlehen des Landes erfolgt. Voraussetzung für die Auszahlung der Wohnbauförderung sei die Vorlage der Rechnungen für den Umbau gewesen. Der Kläger habe ihr im Sommer 2000 erklärt, dass er den Großteil der Umbauarbeiten „schwarz“ durchführen habe lassen und daher über keine Rechnungen verfüge. Er sei aber bereit gewesen, ihr eine Kostenaufstellung zu übergeben, die für die Erlangung einer Wohnbauförderung ausreichend sei. Da aber für den Kläger durch die Ausstellung dieses Nachweises die Gefahr bestanden habe, von ihr beim Finanzamt angezeigt zu werden, habe er sie aufgefordert ein Dokument mit der Bezeichnung „Rückkaufoption“ zu unterschreiben. Dieses sollte ihm als Sicherheit dienen, um ihr für den Fall, dass sie eine Anzeige erstatte, das Eigentumsrecht streitig zu machen. Sie habe eingewilligt, das Dokument zu unterschreiben, vom Kläger jedoch die Zusage erhalten, dass dieses ausschließlich dessen Absicherung diene und – sofern sie ihn nicht anzeige – auch nicht schlagend werden solle.

[6] Das Erstgericht gab dem Hauptklagebegehren statt. Es qualifizierte die Vereinbarung vom als Option, die nicht § 38 Abs 1 Z 3 WEG zu unterstellen sei, weil es sich um kein Vor- oder Wiederkaufsrecht handle. Laesio enormis liege nicht vor, weil der Verkehrswert der Miteigentumsanteile 174.450 EUR betrage; Arglist oder ein Scheingeschäft hätte die Beklagte nicht beweisen können.

[7] Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es teilte zwar die Bedenken der Beklagten gegen die Richtigkeit von Negativfeststellungen zum Zustandekommen und Zweck der Vereinbarung vom , ging aber auf deren Beweisrüge aus rechtlichen Erwägungen nicht ein. Bei dieser Vereinbarung handle es sich um ein Wiederkaufsrecht, das nach § 38 Abs 1 WEG 2002 unwirksam sei. Auch im Fall einer erst nach dem Wohnungseigentumsvertrag unterfertigten Sondervereinbarung – wie hier – über ein Wiederkaufsrecht des Wohnungseigentumsorganisators trete die Ungleichgewichtslage massiv zutage, würde doch ein wirksam vereinbartes Wiederkaufsrecht die Geltendmachung von Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüchen des Wohnungseigentumswerbers im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumsanteile massiv erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die von der Beklagten beantwortete außerordentliche Revision des Klägers ist zur Klarstellung zulässig; sie ist mit ihrem Eventualantrag auch berechtigt.

[9] 1. Nach der Übergangsbestimmung des § 56 Abs 13 WEG 2002 ist dieses Gesetz mit seinem Inkrafttreten auch auf zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtsverhältnisse anzuwenden. Daher sind auch die davor zwischen Wohnungseigentümern, Wohnungseigentumsbewerbern, Wohnungseigentumsorganisatoren untereinander oder mit Dritten abgeschlossene Rechtsgeschäfte nach dem WEG 2002 zu beurteilen (RIS-Justiz RS0123742). Das gilt auch für die Frage der Unwirksamkeit von Vereinbarungen im Sinn des § 38 Abs 1 Z 3 WEG.

[10] 2. Wie schon nach der Vorgängerbestimmung des § 24 Abs 1 WEG 1975 sind auch nach § 38 Abs 1 WEG 2002 Vereinbarungen oder Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken, rechtsunwirksam. Diese Bestimmung richtet sich gegen die Aufhebung oder Beschränkung der einem Wohnungseigentümer gesetzlich zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte (RS0083359). § 38 Abs 1 Z 3 WEG zählt Vorkaufs- und Wiederkaufsrecht ausdrücklich zu den Vereinbarungen, die eine solche Einschränkung von Rechten des Wohnungseigentümers bewirken können, wenn sie durch die wirtschaftliche, organisatorische und wissensmäßige Übermacht des Wohnungseigentumsorganisators begründet ist (RS0083359 [T1]).

[11] 2.1 Voraussetzung der Rechtsunwirksamkeit einer Vereinbarung nach § 38 Abs 1 Z 3 WEG ist jedenfalls, dass sie vom Wohnungseigentumsorganisator veranlasst oder abgeschlossen worden ist (siehe nur Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 38 WEG Rz 1 mwN). Wohnungseigentumsorganisator ist sowohl der Eigentümer oder außerbücherliche Erwerber der Liegenschaft als auch jeder, der mit dessen Wissen die organisatorische Abwicklung des Bauvorhabens oder – bei bereits bezogenen Gebäuden – die Wohnungseigentumsbegründung durchführt oder an deren Abwicklung in eigener Verantwortung beteiligt ist (§ 2 Abs 6 WEG). Der Kläger hat als Alleineigentümer der Liegenschaft die Adaptierung der Werkstätte/Halle für Wohnzwecke organisiert. Dass er Wohnungseigentumsorganisator war, stellt er in seinem Rechtsmittel damit zu Recht nicht in Frage.

2.2 Das Wiederkaufsrecht ist als besondere Art der Option anzusehen (vgl RS0024137 [T1]; ausführlich dazu Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1068 Rz 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht die vom Kläger als „Rückkaufoption“ titulierte Vereinbarung, mit der sich die Beklagte als Käuferin verpflichtete, die Liegenschaftsanteile an den Verkäufer, den Kläger, zu verkaufen, als Wiederkaufsrecht gemäß § 1068 ABGB qualifiziert.

[12] 2.3 Demjenigen, der sich auf einen der in § 38 Abs 1 Z 1 bis 5 WEG genannten „verdächtigen“ Vertragstypen stützt, obliegt der Beweis, dass der Vereinbarung im konkreten Einzelfall keine Beschränkungseignung zukommt (vgl RS0040166).

[13] 3. Der Kläger vertritt in seiner Revision den Standpunkt, dass sich die Beklagte nicht mehr auf die Bestimmung des § 38 WEG berufen könne, weil sie die „Rückkaufoption“ zu einem Zeitpunkt unterfertigt habe, in dem ihr die Wohnung bereits übergeben und der Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag bereits verbüchert gewesen sei; am sei er nicht mehr Wohnungseigentumsorganisator und die Beklagte nicht mehr Wohnungseigentumsbewerberin gewesen.

4. Dazu hat der Senat erwogen:

[14] 4.1 Die Bestimmung des § 38 WEG selbst enthält keinen Hinweis darauf, wie lange die Ungleichgewichtslage, der durch diese Regelung entgegen gewirkt werden soll, andauert, und daher der Abschluss einer der im ersten Absatz leg cit genannten Vereinbarungen verpönt ist.

[15] 4.2 Das WEG 2002 regelt in seinem 9. Abschnitt, zu dem die §§ 37 bis 44 zählen, den Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers. § 38 WEG ist demnach eine Schutzvorschrift zugunsten der Wohnungseigentumsbewerber, die alle Rechtsgeschäfte erfasst, die der Wohnungseigentumsorganisator (noch) unter Ausnutzung seiner Vertragsübermacht abschließt oder deren Abschluss durch Wohnungseigentumsbewerber, Wohnungseigentümer oder der Eigentümergemeinschaft veranlasst (5 Ob 26/17k; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4, § 38 WEG Rz 1 mwN).

[16] 4.3 Die zwischen einem Wohnungseigentums-bewerber und dem Wohnungseigentumsorganisator bestehenden Rechte und Pflichten erlöschen in der Regel durch Erfüllung, also durch die Erbringung der vertragsgemäßen Leistung, die auf Seiten des Wohnungseigentumsorganisators vor allem in der Begründung von Wohnungseigentum und der Übertragung der damit verbundenen Rechtsposition auf den Wohnungseigentums-bewerber liegt (Vonkilch aaO Vor §§ 37–44 Rz 32).

[17] 4.4 In der vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Ansicht herangezogenen Entscheidung zu 5 Ob 228/99m (MietSlg 51.568) lehnte der Fachsenat die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht ab, die Käuferin könne nicht als Wohnungseigentumsbewerberin und der Verkäufer nicht als Wohnungseigentumsorganisator angesehen werden, weil bei Abschluss des Kaufvertrags (und der Vereinbarung des Wiederkaufs) Wohnungseigentum bereits begründet gewesen sei und das Wiederkaufsrecht daher wirksam vereinbart habe werden können. Unter Verweis auf Vorjudikatur sprach er aus, dass Wohnungseigentumsbewerber auch eine Person sei, deren Wohnungseigentum bereits verbüchert, der die Wohnung aber noch nicht übergeben sei; dies entspreche dem Gedanken, dass der Schutz während der gesamten Gründungsphase gewährt werden solle; die Gründungsphase ende aber erst mit dem Einzug in die Räumlichkeiten, an denen Wohnungseigentum begründet worden sei. Im Anschluss daran kam er zum Ergebnis, dass die Anwendbarkeit des § 24 Abs 1 Z 3 WEG (nunmehr § 38 Abs 1 Z 3 WEG 2002) nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Kläger (Verkäufer) der Beklagten (Käuferin) bereits bücherliches Wohnungseigentum verschaffen habe können. Danach bleiben die den Wohnungseigentumsorganisator treffenden Verpflichtungen aufrecht und der Schutz des § 38 Abs 1 WEG komme zum Tragen, wenn zwar schon zu einem früheren Zeitpunkt Wohnungseigentum begründet wurde, die „Gründungsphase“ aber noch andauert, weil die Wohnung noch nicht übergeben wurde (zustimmend Vonkilch aaO §§ 3744 WEG Rz 32).

[18] 5. Als Schutzbestimmung zugunsten des Wohnungseigentumsbewerbers vor der Übermacht des Wohnungseigentumsorganisators greift die Bestimmung des § 38 WEG in der Regel, wenn es sich um Vereinbarungen oder sonstige Vorbehalte handelt, die in der Phase der Begründung von Wohnungseigentum abgeschlossen (ausbedungen) werden. Das ist der Fall, wenn die Wohnung zwar übergeben, das Eigentum an den darauf entfallenden Mindestanteilen im Grundbuch aber noch nicht zugunsten de Erwerbers einverleibt ist (vgl dazu Faistenberger/Barta/Call Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975 § 24 Rz 17), nach der Rechtsprechung aber auch dann, wenn der Organisator dem Käufer bereits Wohnungseigentum verschaffen konnte, die Wohnung aber noch nicht übergeben ist. Hat der Wohnungseigentumsorganisator seine vertraglichen Pflichten hingegen vollständig erfüllt, indem er
den Wohnungseigentumsbewerbern (Wohnungs)Eigentum verschafft und die Wohnungseigentumsobjekte tatsächlich übergeben hat, kann von einem Fortbestehen der Gründungsphase nicht mehr ausgegangen werden. Bei einer danach abgeschlossenen Vereinbarung, stehen sich die Vertragsparteien daher regelmäßig nicht mehr als Wohnungseigentumsorganisator und Wohnungseigentums-bewerber gegenüber. Die Anwendung der Bestimmung des § 38 Abs 1 WEG scheidet aber in der Regel aus, wenn es sich nicht um eine vom Wohnungseigentumsorganisator geschlossene oder (während der Phase zur Begründung von Wohnungseigentum) veranlasste Vereinbarung handelt (zu § 24 WEG 1975: 5 Ob 185/98m).

[19] 5.1 Der von den Streitteilen am unterzeichnete Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag wurde am verbüchert. Mit der Verbücherung ihres Mindestanteils, mit dem das alleinige Nutzungsrecht an der Wohnung Top 1 verbunden ist, hat die Beklagte Wohnungseigentum erworben (§ 12 Abs 1 WEG 1975; nunmehr § 5 Abs 3 WEG 2002). Die Wohnung hatte sie bereits am bezogen, sodass auch die Übergabe vollzogen war. Die restlichen Mindestanteile an der Liegenschaft stehen im Eigentum des Klägers, sodass sich die Streitteile bei Unterfertigung der „Rückkaufoption“ durch die Beklagte am nicht mehr als Wohnungseigentumsorganisator und Wohnungseigentums-bewerberin, sondern als Wohnungseigentümer gegenübergestanden sind.

[20] 5.2 Die Rechtsverhältnisse der Wohnungs-eigentümer untereinander richten sich grundsätzlich nach den Regeln der §§ 16 bis 27 WEG (bis zum Inkrafttreten des WEG 2002 nach §§ 13 bis 22 WEG 1975). Eine Beurteilung von solchen Rechtsverhältnissen (einer Vereinbarung von Wohnungseigentümern) nach § 38 Abs 1 WEG kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um Spätwirkungen der (abstrakt angenommenen) Vertragsübermacht des Wohnungseigentumsorganisators handelt (5 Ob 185/98m mwN; Ofner in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKO Wohnrecht II § 38 WEG Rz 8 mwN; Gartner in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht³ § 38 Rz 8). Dass sich die Parteien bei Abschluss einer Vereinbarung bereits als Wohnungseigentümer und nicht mehr als Wohnungseigentumsbewerber und Wohnungseigentums-organisator gegenübergestanden sind, schließt die Anwendung des § 38 Abs 1 WEG für sich genommen daher noch nicht aus. Auch eine solche Vereinbarung ist nach § 38 WEG unwirksam, wenn sie die dem Wohnungseigentümer gesetzlich zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte einschränkt und diese Einschränkung auf der wirtschaftlichen, organisatorischen und wissensmäßigen Übermacht des anderen Teils als ehemaligen Wohnungseigentumsorganisator zurückzuführen ist. Es muss sich um eine Nachwirkung aus der Vormachtstellung des ehemaligen Wohnungs-eigentumsorganisators handeln. Nur Verpflichtungen, die ein Wohnungseigentümer auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich genommen hätte, die also einer vernünftigen Interessenabwägung entsprechen, dürfen darunter nicht subsumiert werden (vgl RS0075734).

[21] 5.3 Die Beklagte hat in ihrer Berufung die Negativfeststellungen des Erstgerichts zu den Umständen und Beweggründen, die zur Unterfertigung der als „Rückkaufoption“ bezeichneten Urkunde führten, bekämpft und dazu Ersatzfeststellungen angestrebt, die – zusammengefasst – darauf hinauslaufen, dass sie dem Kläger Geldmittel bereits während der Bauphase zur Verfügung stellte, um den Umbau zu finanzieren, und zur Erlangung einer Wohnbauförderung durch das Land eine Aufstellung der Kosten für den Um- und Ausbau der Wohnung benötigt habe, die ihr der Kläger nur gegen eine „Sicherstellung“ (Unterfertigung der „Rückkaufoption“) gegeben habe. Da das Berufungsgericht die Beweisrüge der Beklagten trotz seiner Bedenken insoweit nicht erledigt hat, ist derzeit lediglich gesichert, dass die Beklagte eine Wohnbauförderungszusage erhalten hat und ihr Fördergelder nach Vorlage einer Kostenaufstellung für den Um- und Ausbau der Wohnung ausbezahlt wurden. Ob die von der Beklagten am unterfertigte Vereinbarung im Zusammenhang mit ihrem Ansuchen um Gewährung einer Wohnbauförderung steht, lässt sich nach dem derzeitigen Verfahrensstand demgegenüber nicht gesichert sagen.

[22] 5.4 Treffen die Behauptungen der Beklagten zu, dass sie neben dem im Kaufvertrag ausgewiesenen Kaufpreis Um- und Ausbaukosten getragen hat, weswegen sie um ein Wohnbauförderungsdarlehen ansuchte, und die Vereinbarung einer „Rückkaufoption“ damit im Zusammenhang steht, weil der Kläger die dafür erforderliche Kostenaufstellung sonst nicht bereitgestellt hätte, wäre ungeachtet des Umstands, dass sich die Streitteile bei Unterfertigung dieser Urkunde bereits als Wohnungseigentümer gegenüberstanden, davon auszugehen, dass der Kläger seine Vormachtstellung als ehemaliger Wohnungseigentumsorganisator ausgenützt hat. Die vom Kläger am unterfertigte Vereinbarung wäre damit nach § 38 Abs 1 Z 3 WEG unwirksam.

[23] 6. Der Revision ist damit Folge zu geben. Das Berufungsgericht wird sich mit der Beweisrüge der Beklagten auseinanderzusetzen und eine neuerliche Entscheidung zu treffen haben.

[24] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 50 Abs 1 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00079.22M.0719.000

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