OGH vom 13.07.2016, 3Ob93/16x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Eckert Fries Prokopp Rechtsanwälte GmbH in Baden, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Sauerzopf Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen 33.422,78 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 38 R 230/15b 48, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 38 R 230/15b 54, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Das Rechtsmittel wird, soweit es sich gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung im Berufungsurteil wendet, als unzulässig zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision ist absolut unzulässig, soweit sie sich gegen die vom Berufungsgericht neu gefasste Kostenentscheidung des Erstgerichts wendet.
1.1 Grundsätzlich zutreffend verweist der Beklagte in seiner „ergänzten“ außerordentlichen Revision darauf, dass eine vom Berufungsgericht vorgenommene Berichtigung seiner Entscheidung eine neue Rechtsmittelfrist auslöst (RIS Justiz RS0041797), wenn die Parteien erst durch die Berichtigung volle Klarheit über den Entscheidungsinhalt erlangen konnten (RIS Justiz RS0041797 [T49, T 52] uva).
1.2 Hier berichtigte das Berufungsgericht seine – infolge Abänderung des Ersturteils neu gefasste – erstgerichtliche Kostenentscheidung dahin, dass es auch der Nebenintervenientin die erstinstanzlichen Verfahrenskosten zusprach. Diese – nun in der „ergänzten außerordentlicher Revision“ mit „Revisionsrekurs“ bekämpfte – Kostenent-scheidung ist allerdings gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar (RIS Justiz RS0044233). In diesem Umfang ist das Rechtsmittel als absolut unzulässig zurückzuweisen (RIS Justiz RS0044181).
2. Im Übrigen zeigt der Beklagte in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
2.1 Zwar können auch Dauerschuldverhältnisse mit Wirkung ex tunc aufgelöst werden, solange sie noch nicht in das Abwicklungsstadium getreten sind (RIS Justiz RS0018365; 3 Ob 289/03a mwN = RS0018365 [T5]; Reidinger in Schwimann/Kodek ABGB IV 4 § 918 ABGB Rz 54 mwN). Allerdings kann ein unberechtigter Rücktritt den Vertrag entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung nur im – hier nicht vorliegenden – Fall auflösen, dass der andere Teil diesen Rücktritt ausdrücklich oder schlüssig annimmt (3 Ob 50/98v = RIS Justiz RS0018412 [T3]; Reidinger in Schwimann/Kodek ABGB IV 4 § 918 ABGB Rz 53).
2.2 Auf ein Rücktrittsrecht nach § 3 Abs 1 KSchG (zu dessen Geltung für Dauerschuldverhältnisse RIS Justiz RS0128132; 8 Ob 130/12v) hat sich der Beklagte in erster Instanz nicht berufen. Ob ihm im Hinblick darauf, dass er bereits vor Abschluss des Mietvertrags den Geschäftsbetrieb aufnahm, das „Gründungsprivileg“ des § 1 Abs 3 KSchG überhaupt zugute kommen kann (vgl 2 Ob 26/13g = RIS Justiz RS0065176 [T10]) oder ob – wie vom Berufungsgericht angenommen – das Rücktrittsrecht schon deshalb nicht zusteht, weil der Beklagte selbst die geschäftliche Verbindung zwecks Schließung des Vertrags angebahnt hat (§ 3 Abs 3 Z 1 KSchG), bedarf daher keiner Prüfung.
2.3 Die zulässig vereinbarte Kaution in Höhe von sechs Monatsmieten (vgl RIS Justiz RS0105974) sollte der Sicherstellung für sämtliche Forderungen der klagenden Vermieterin aus dem Mietverhältnis dienen. Der Klägerin ist ein berechtigtes Interesse daran zuzuerkennen, dass sie die Übergabe des Mietobjekts vertraglich vom Erlag der Kaution abhängig machte. Andernfalls müsste sie die Kaution nach Übergabe des Objekts einklagen – hier verweigerte der Beklagte die Leistung endgültig – und wäre gezwungen, für die Dauer des Verfahrens über die Kaution hinzunehmen, dass ihre aus dem Mietverhältnis entstandenen Ansprüche unbesichert sind. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die entsprechende mietvertragliche Vereinbarung sei nicht sittenwidrig, jedenfalls vertretbar.
Damit stellt sich auch nicht die in der Revision thematisierte Frage, ob ein Vermieter – ohne eine solche Vereinbarung – seine Hauptleistungspflicht trotz Nichterlags der vereinbarten Kaution erbringen muss, um Mietzins fordern zu können.
2.4 Nach herrschender Auffassung ist eine Person, deren sich ein Teil im Rahmen von Vertragsverhandlungen als Gehilfe bedient, nicht Dritter iSd § 875 ABGB. Als Gehilfe kommt in Betracht, wer auf der Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat (2 Ob 176/10m; RIS Justiz RS0016309), sofern seine Erklärung zu seinem Aufgabenbereich gehört (6 Ob 109/09m mwN; 2 Ob 176/10m). Der den Irrtum Veranlassende muss nicht Stellvertreter des Geschäftsherrn, von diesem aber jedenfalls mit der Verhandlungsführung beauftragt sein (2 Ob 176/10m mwN; Rummel in Rummel , ABGB 4 § 875 Rz 2 mwN). Derjenige, der sich bei der Führung von Vertragsverhandlungen eines solchen Gehilfen bedient, haftet für einen von diesem veranlassten Irrtum wie für einen, den er selbst veranlasst hätte (RIS Justiz RS0016200). In mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs wurden Immobilienmakler als Verhandlungsgehilfen ihrer Auftraggeber angesehen (2 Ob 176/10m mwN; 6 Ob 25/16v = RIS Justiz RS0016200 [T10]).
Damit ist aber für den Beklagten nichts gewonnen: Der Mitarbeiter der Nebenintervenientin, der den Irrtum des Beklagten darüber veranlasste, dass der letztlich von ihm ungelesen unterfertigte Mietvertrag eine Verpflichtung zu einer Kautionsleistung vorsah und auf fünf Jahre befristet war, war nämlich nicht Auftragnehmer der Klägerin, sondern des Vormieters des Beklagten. Auch sonst bestehen nach den Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter der Nebenintervenientin im Sinne der dargestellten Rechtsprechung Verhandlungsgehilfe der Klägerin gewesen wäre. Demgemäß hat weder das festgestellte Weiterleiten des Vertragsentwurfs noch die Übermittlung des „Bewerbungsschreibens“ des Beklagten an die Klägerin durch den Makler diesen zum Verhandlungsgehilfen der Klägerin gemacht. Der Mitarbeiter der Nebenintervenientin handelte vielmehr im Auftrag und im Interesse des Vormieters.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00093.16X.0713.000