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OGH vom 11.07.2008, 3Ob93/08k

OGH vom 11.07.2008, 3Ob93/08k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer sowie Dr. Jensik und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Kaufmann & Thurnher Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wider die verpflichtete Partei Josef F*****, vertreten durch Dr. Harald W. Hick, Rechtsanwalt in Dornbirn, als Verfahrenshelfer, wegen 20.001 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 2 R 69/08z-36, womit deren Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom , GZ 13 E 170/06i-28, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hatte den Antrag der betreibenden Partei auf Zusammenrechnung der Bezüge des Verpflichteten nach § 292 EO mit Beschluss vom abgewiesen. Das Gericht zweiter Instanz hob diesen auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Während der Rechtsmittelfrist für diesen Beschluss beantragte der Verpflichtete zu gerichtlichem Protokoll die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang.

Das Erstgericht gab diesem Antrag (einschließlich der Begünstigung nach § 64 Abs 1 Z 3 ZPO) statt und sprach ausdrücklich aus, dass die Beigebung des Rechtsanwalts „für: Rekurs an den Obersten Gerichtshof und das weitere Verfahren (einschließlich eines nach Abschluss des Rechtsstreits eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens)" gelte (ON 23).

Nachdem der Oberste Gerichtshof den vom Verfahrenshelfer eingebrachten Revisionsrekurs als verspätet zurückgewiesen hatte, bewilligte das Erstgericht den Zusammenrechnungsantrag der betreibenden Partei (ON 28). Dieser Beschluss wurde dem bestellten Verfahrenshelfer am in dessen Kanzlei zugestellt.

Dieser übermittelte am (Einlangen) einen weiteren (schriftlichen) Verfahrenshilfeantrag des Verpflichteten dem Erstgericht „zur Kenntnis". Ausdrücklich wurden die Begünstigungen des „§ 64 Abs 1 Z 1 lit a-f und Z 3 ZPO" begehrt und hinzugefügt, dass der Verpflichtete die Rechtsvertretung durch den bisherigen Verfahrenshelfer wünsche.

Das Erstgericht gab dem Antrag mit Beschluss (ZPForm 4) vom selben Tag mit einem demjenigen in ON 23 entsprechenden Beisatz statt und der Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer bestellte erneut denselben Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer.

Dieser brachte im elektronischen Rechtsverkehr dagegen am beim Erstgericht einen Rekurs ein.

Das Gericht zweiter Instanz wies diesen als verspätet zurück, weil die Rekursfrist bereits am abgelaufen sei. Der neuerliche Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts sei überflüssig und ohne rechtliche Auswirkungen gewesen, weil der Verfahrenshelfer schon mit dem ersten Verfahrenshilfebeschluss ausdrücklich für das weitere Verfahren beigegeben worden sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Unterbrechung der Rechtsmittelfrist für den Fall einer neuerlichen Beigebung eines Verfahrenshelfers ungeachtet der aufrechten Bestellung eines solchen besteht.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der innerhalb der Rekursfrist gestellte neuerliche Verfahrenshilfeantrag war nämlich nicht geeignet, eine Fristunterbrechung im Sinne des § 464 Abs 3 ZPO iVm § 521 Abs 3 ZPO herbeizuführen.

Der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs führte jüngst in seinem Beschluss vom zu AZ 1 Ob 97/08h aus:

„Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, tritt die Unterbrechungswirkung nur dann ein, wenn die Partei innerhalb einer Rechtsmittelfrist erstmals einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts stellt. Eine Partei, der im Rahmen der Verfahrenshilfe bereits ein Rechtsanwalt als Vertreter bestellt wurde, kann durch einen (neuerlichen) Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts nicht die Unterbrechung der im Lauf befindlichen Rechtsmittelfrist erreichen (RIS-Justiz RS0041621). Diese - vom erkennenden Senat geteilte - Auffassung, die auch damit begründet wurde, dass durch einen solchen Antrag die Revisionsfrist nicht verlängert werden kann, weil die Verfahrenshilfe auch im Rechtsmittelverfahren fortdauert, sodass es schon deshalb nicht einer neuerlichen Beistellung eines Verfahrenshilfeanwalts zur Erhebung der Revision bedarf (7 Ob 133/63 = EvBl 1963/364, 6 Ob 161/64, 6 Ob 190/67), wurde in der Folge jedoch für bestimmte Konstellationen differenziert betrachtet. So wurde etwa ausgesprochen, die (vom Gesetz an sich nicht vorgesehene) Bestellung eines weiteren Verfahrenshelfers durch das Erstgericht müsse als Tatsache hingenommen werden, sodass damit die Revisionsfrist im Ergebnis verlängert werde, bzw jeder Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts habe grundsätzlich die Wirkung der Unterbrechung der Rechtsmittelfrist (vgl nur die zu RIS-Justiz RS0036213 unter T 1 bis T 3 zitierten Entscheidungen). Dies wird etwa damit begründet, dass der betroffenen Partei in Anbetracht der durch die unzweckmässige Vorgangsweise des Erstgerichts verursachten Unklarheiten zugebilligt werden müsse, einen weiteren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Revisionsverfahren zu stellen, wenn dieses zumindest vom Wortlaut des ersten Bewilligungsbeschlusses nicht erfasst gewesen sei (6 Ob 28/07x; ähnlich 10 ObS 179/03a ua).

Der zuletzt referierten Entscheidungslinie ist etwa Zechner (in Fasching/Konecny, IV/1, § 505 ZPO Rz 33 f; im Ergebnis ebenso Pimmer in Fasching/Konecny, IV/1, § 464 ZPO Rz 15; E. Kodek in Rechberger3 § 464 ZPO Rz 4) mit dem zutreffenden Hinweis entgegengetreten, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden dürfe, auch im Fall eines überflüssigen Verfahrenshilfeantrags eine durch die Unterbrechung einer Rechtsmittelfrist bewirkte Verfahrensverzögerung in Kauf nehmen zu wollen. Eine Partei, der ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer schon vor der nunmehrigen Antragstellung (auch) für das Revisionsverfahren beigegeben wurde, bedürfe nicht mehr des besonderen Schutzes nach § 464 Abs 3 ZPO, weil deren Interessen im Revisionsverfahren ohnehin der bereits bestellte Verfahrenshelfer wahrnehmen müsse. Die unnötige Bestellung eines weiteren Verfahrenshelfers könne daher keinen Einfluss auf den Ablauf der Revisions- oder der Revisionsbeantwortungsfrist haben. Dies gelte selbst dann, wenn dem Antragsteller der Beschluss über die neuerliche Bewilligung der Verfahrenshilfe noch innerhalb der laufenden Notfrist zugestellt worden sei.

Diesen Erwägungen tritt der erkennende Senat bei. Soweit in abweichenden Entscheidungen damit argumentiert wird, es müsse der Partei wegen der vom Erstgericht verursachten Unklarheiten in bestimmten Fällen zugebilligt werden, einen weiteren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Revisionsverfahren zu stellen, dessen Fristen damit auch im Sinne des § 464 Abs 3 ZPO unterbrochen würden, ist darauf hinzuweisen, dass in der hier zu beurteilenden Konstellation ein Rechtsanwalt rechtskräftig zum Verfahrenshelfer bestellt wurde. Diesem muss ausreichende Rechtskenntnis unterstellt werden, sodass ihm klar sein muss, dass sich seine Vertretung - auch bei unklarer oder missverständlicher Formulierung - stets auf das gesamte (weitere) Verfahren erstreckt, weil eine Beschränkung auf einzelne Verfahrensabschnitte gesetzlich gar nicht zulässig wäre (vgl nur M. Bydlinski in Fasching/Konecny II § 64 ZPO Rz 1). Gerade im vorliegenden Fall bestand auch keine besondere Unklarheit, erfolgte die Bewilligung der Verfahrenshilfe bzw die Beigebung des Rechtsanwalts doch ausdrücklich für 'die Dauer des Berufungsverfahrens und das weitere Verfahren'. Letztlich steht einer Partei bei Versäumung einer Rechtsmittelfrist wie etwa in den Fällen einer unrichtigen oder missverständlichen Rechtsmittelbelehrung durch das Gericht gegebenenfalls auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung, sofern unklare oder missverständliche Formulierungen des Gerichts zu einer Fristversäumnis geführt haben.

Dazu kommt, dass ein trotz bereits bewilligter Verfahrenshilfe im Laufe des Verfahrens neuerlich gestellter Verfahrenshilfeantrag bei richtiger Gesetzesanwendung nicht etwa - wegen Fehlens der in § 63 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen - als unberechtigt abzuweisen, sondern vielmehr als unzulässig zurückzuweisen ist, weil die Partei nicht verlangen kann, dass über einen bereits bewilligten Antrag neuerlich inhaltlich abgesprochen wird. Erst jüngst hat der erkennende Senat (1 Ob 82/08b) den allgemeinen Rechtssatz formuliert, dass unzulässige Verfahrenshilfeanträge - anders als unberechtigte - nicht zu einer Fristunterbrechung im Sinne der §§ 73 Abs 2 bzw 464 Abs 3 ZPO führen. Da die Rechtzeitigkeit einer Revision vom Revisionsgericht stets selbstständig zu prüfen ist, ist es auch ohne Bedeutung, ob das Erstgericht den neuerlichen Verfahrenshilfeantrag zu Unrecht meritorisch behandelt, allenfalls sogar bewilligt hat (so schon 2 Ob 141/07k)."

Der nunmehr erkennende Senat schließt sich diesen nach § 78 EO iVm § 521 Abs 3 ZPO auch für das Rekursverfahren im Rahmen einer gerichtlichen Exekution gültigen Erwägungen an. Im vorliegenden Verfahren kommt noch dazu, dass nur ein einziger Verfahrenshelfer einschritt, dem bereits der mit dem verspäteten Rechtsmittel bekämpfte Beschluss (wie natürlich auch der erste die Verfahrenshilfe bewilligende Beschluss) zugestellt wurde. Zudem war es dieser selbst, der dessen ungeachtet den neuerlichen (und offenbar nicht vom Verpflichteten selbst ausgefüllten) Verfahrenshilfeantrag mit Begleitschreiben dem Erstgericht vorlegte. Offenbar war es gerade dieser Umstand, aus dem die örtliche Rechtsanwaltskammer dessen Zustimmung zur (neuerlichen) Bestellung als Verfahrenshelfer ableitete. Auf irgendeine Unklarheit kann sich somit der seit der ersten Bewilligung der Verfahrenshilfe durchgehend anwaltlich vertretene Verpflichtete nicht mit Recht berufen, der im Übrigen im Zweifel von der Geltung für das weitere Verfahren ausgehen hätte müssen (vgl § 64 Abs 1 ZPO). Entgegen seiner nicht nachvollziehbaren Behauptung im außerordentlichen Revisionsrekurs erfolgte eben die erste Bewilligung der Verfahrenshilfe wie dargestellt ausdrücklich auch für das weitere Verfahren, was ohnehin auch aus der im Rechtsmittel enthaltenen Kopie dieses Beschlusses hervorgeht. Dass dieser Beisatz allenfalls Teil einer standardisierten Formulierung war, kann am unmissverständlichen Entscheidungsinhalt nichts ändern. Offenbar will der Verpflichtete ohnehin nicht geltend machen, solche standardisierte Entscheidungskomponenten wären überhaupt ohne Wirkung, gälte dasselbe doch in gleicher Weise für die Bewilligung der Verfahrenshilfe insgesamt. Entgegen seiner Ansicht ist auch ein anschließendes Vollstreckungsverfahren zur Hereinbringung von Rechtsmittelkosten keineswegs ausgeschlossen, selbst wenn derzeit möglicherweise eine Aufrechnungsmöglichkeit besteht, weil sie ja nicht in jedem Fall gegeben sein oder bestehen bleiben muss (etwa bei der Unterlassungsexekution oder bei zwischenzeitlicher Erfüllung der betriebenen Forderung etc). Dazu kommt, dass der angefochtene erstinstanzliche Beschluss - mit der Beigebung für das gesamte weitere Verfahren völlig im Einklang - (nur) dem (einzigen) Verfahrenshilfeanwalt zugestellt wurde. Dass das Erstgericht unrichtig erneut die Verfahrenshilfe bewilligte, kann nicht (unter Umständen mit Folgen auch in der Sache) zu Lasten des Gegners eine im Gesetz nicht vorgesehene Verlängerung der Rechtsmittelfrist bewirken. An der Verspätung kann es auch nichts ändern, dass der Rekurs schon zwei Tage nach Zustellung der neuerlichen Bestellung zur Post gegeben wurde und somit hier kein Versuch einer Verfahrensverzögerung anzunehmen ist.

Da demnach eine Unterbrechung der Rekursfrist durch den neuerlichen Verfahrenshilfeantrag nicht eintrat, steht die Zurückweisung des Rekurses als verspätet im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.