OGH vom 20.09.1994, 4Ob91/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wider die beklagten Parteien
1. Paul L*****, 2. Ilse L*****, beide vertreten durch Dr.Rudolf Tobler und andere Rechtsanwälte in Neusiedl/See, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,--), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 15 R 116/94-15, womit der Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom , GZ 3 Cg 80/94w-7, bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 15.097,50 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 2.516,25 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin betreibt in L***** einen Weinhandel; sie beliefert Kunden in Wien, Niederösterreich, in der Steiermark und in Kärnten. Sie hat in ihrem Sortiment auch italienische Qualitätsweine.
Die Beklagten sind Weinhauer mit einem Weinbaubetrieb in G*****. Sie bewirtschaften derzeit 13,05 ha Weingärten; in den Jahren 1992 und 1993 waren es 12,4 ha. 1992 kauften die Beklagten 15.000 l Wein zu; 1993 7.725,15 l ausländischen Wein und 100 l inländischen Wein sowie
3.140 kg Weintrauben; 1994 1.683 l ausländischen Wein. Die Beklagten verkaufen ihren Kunden nicht nur Eigenbauweine, sondern auch andere inländische und auch ausländische Weine. Bei den ausländischen Weinen handelt es sich um Qualitätsflaschenweine der Sorten Lambrusco, Valpollicella, Frascati und Chianti, welche die Beklagten auch Kunden der Klägerin liefern. Der Vertrieb nicht nur eigener, sondern auch zugekaufter Weine durch Landwirte ist im Burgenland seit langem üblich. Die Beklagten verfügen über keine Gewerbeberechtigung.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, den Weinhandel zu betreiben, solange sie nicht im Besitz einer gültigen Gewerbeberechtigung sind.
Durch den Verkauf italienischer Qualitätsweine ohne entsprechende Gewerbeberechtigung verschafften sich die Beklagten einen Vorsprung vor ihren gesetzestreuen Mitbewerbern und handelten damit wettbewerbswidrig.
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie handelten nicht gesetzwidrig, weil sie als Weinbauern berechtigt seien, Wein zuzukaufen und auch zu veräußern. Sie hätten die in § 2 Abs 3 GewO festgelegten Mengen nicht überschritten. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 GewO sei die Gewerbeordnung auf die Land- und Forstwirtschaft nicht anzuwenden. Nach § 2 Abs 3 Z 1 leg cit gehörten (ua) der Weinbau einschließlich des Zukaufes von höchstens 1.500 l Wein oder 2.000 kg Trauben pro ha bewirtschafteter Betriebsfläche und Kalenderjahr zur Land- und Forstwirtschaft. Anders als für die Steiermark sei für die übrigen Bundesländer der Zukauf nicht auf Trauben oder Wein bestimmter Herkunft eingeschränkt. Die von den Beklagten zugekauften Mengen an Wein und Trauben hätten die vom Gesetz gezogenen Grenzen nicht überschritten, so daß die Beklagten keine Gewerbeberechtigung benötigten. Ihr Handel mit italienischem Wein verstoße demnach nicht gegen die Gewerbeordnung und sei auch nicht sittenwidrig iS des § 1 UWG.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.
Die Regelung über den Zukauf von Wein und Trauben durch Weinbaubetriebe sei durch BGBl 1992/450 und durch die GRNov 1992 BGBl 1993/29 in die Gewerbeordnung aufgenommen worden. Das Erstgericht habe das Gesetz richtig ausgelegt; für eine Beschränkung des Zukaufes auf Wein oder Weintrauben aus dem Weinbaugebiet des jeweiligen Weinbauern biete das Gesetz, gerade auch wegen der für die Steiermark geltenden Sonderregelung, keinen Anhaltspunkt. Der Zukauf ermögliche es dem Weinbauern, durch Verbreiterung des Sortenangebotes und damit der Absatzchancen die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes zu erhöhen. Der Direktvertrieb ausländischer Qualitätsweine sei keine gesetzwidrige Vermarktungsmethode. Untersagt sei nur das Feilbieten im Umherziehen von Ort zu Ort, sofern es sich nicht um bestimmte Erzeugnisse handle, zu denen Wein nicht gehöre (§ 53 Abs 5 GewO). Das Verhalten der Beklagten könne daher nicht sittenwidrig iS des § 1 UWG sein; dabei komme es im übrigen vor allem darauf an, ob die beanstandete Auffassung durch das Gesetz so weit gedeckt sei, daß sie mit gutem Grund vertreten werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil zur Frage, ob der Vertrieb ausländischer Weine durch Weinbauern ohne entsprechende Gewerbeberechtigung wettbewerbswidrig ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß durch die Novellierung der Gewerbeordnung ein Zustand geschaffen worden sei, der dem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechen könne. Einerseits habe der heimische Weinbau durch Importbeschränkungen geschützt werden sollen, anderseits ermögliche es § 2 Abs 3 GewO dem Weinbauern, ausländischen Wein zuzukaufen. Absicht des Gesetzgebers könne nur gewesen sein, den Zukauf auf Wein und Trauben aus demselben Anbaugebiet zu beschränken. Dem Weinbauern wäre es dadurch möglich, sein eigenes Angebot qualitativ oder quantitativ zu ergänzen. Der Weinbauer könne den ausländischen Wein zu wesentlich günstigeren Bedingungen verkaufen als der Weinhändler. Die Beklagten verkauften die italienischen Qualitätsweine unter den Gestehungskosten. Es sei nicht festgestellt worden, ob die Beklagten die zugekauften Weine in ihr Kellerbuch eintragen. Daraus hätte möglicherweise auf die Absichten der Beklagten geschlossen werden können.
Nach § 2 Abs 1 GewO 1973 (nunmehr: GewO 1994) ist die Gewerbeordnung auf die Land- und Forstwirtschaft nicht anzuwenden. Zur Land- und Forstwirtschaft iS der Gewerbeordnung gehört gemäß § 2 Abs 3 Z 1 GewO 1994 (ua) der Weinbau einschließlich des Zukaufs von höchstens 1500 l Wein oder 2000 kg Trauben pro Hektar bewirtschafteter Betriebsfläche und Kalenderjahr; im Bundesland Steiermark der Zukauf von höchstens 3000 kg Trauben pro Hektar bewirtschafteter Betriebsfläche und Kalenderjahr, die insgesamt aus demselben Weinbaugebiet (§ 25 Abs 3 WeinG 1985) stammen, in dem der Betrieb gelegen ist. § 25 Abs 3 WeinG 1985 zählt die österreichischen Weinbauregionen auf.
Die Mengenbegrenzung für den Zukauf von Trauben in der Steiermark wurde durch die GewRNov 1992 BGBl 1993/29 eingeführt; die Mengenbegrenzung für den Zukauf von Wein und Trauben für die anderen Bundesländer wurde durch Art VII BGBl 1992/450 festgelegt. Mengenbegrenzungen waren erstmals im WeinG 1985 enthalten; zuvor war auch für Weinbaubetriebe nur die in § 30 Abs 9 BewG 1955 idF BGBl 1992/450 bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben vorgesehene Wertbegrenzung für Zukäufe (25 % des Betriebsumsatzes) maßgebend (s AB 616 StenProt NR 18. GP 2; AB 876 StenProt NR 18. GP 2). Nach § 30 Abs 9 BewertungsG 1955 idF BGBl 1992/450 ist ein einheitlicher Weinbaubetrieb auch dann anzunehmen, wenn die Einkaufsmenge des Zukaufes nicht mehr als 2000 kg frische Weintrauben der Unternummer 0806 10 des Zolltarifs oder insgesamt 1500 l Wein aus frischen Weintrauben sowie Traubenmost der Unternummern 2204 21 A, 2204 29 A und 2204 30 des Zolltarifs, jeweils pro Hektar bewirtschafteter Betriebsfläche, beträgt. Weder den Materialien zu BGBl 1992/450 (RV 585, AB 616 StenProt NR 18. GP) noch denen zur GewRNov 1992 BGBl 1993/29 (RV 635, AB 876 StenProt NR 18. GP) ist zu entnehmen, daß der Zukauf von Wein und Trauben in bezug auf ihre Herkunft Beschränkungen unterläge, die sich nicht schon aus dem Gesetzeswortlaut ergeben. Auch der offenbare Zweck der Bestimmung läßt sich mit dem Fehlen einer solchen Beschränkung vereinbaren. Der Weinbauer soll, abhängig vom Ausmaß der von ihm bewirtschafteten Fläche, Wein oder Trauben zukaufen können, um sein Angebot zu verbreitern und damit zu verbessern; dies soll dazu beitragen, seine Existenz zu sichern. Dem läuft der Zukauf kontingentierter ausländischer Weine nicht zuwider, ist dem Weinbauern doch keine Einfuhr ausländischer Weine außerhalb des Kontingents erlaubt. Daß die Weinbauern dadurch mit Händlern ausländischer Weine in unmittelbaren Wettbewerb treten, führt zu keiner anderen Auslegung, weil deren Interessen offensichtlich durch die Begrenzung der Zukaufsmenge gewahrt werden sollen.
Die Auslegung des § 2 Abs 3 Z 1 GewO 1994 durch die Vorinstanzen ist daher jedenfalls mit gutem Grund vertretbar: Mit dem Zukauf und Vertrieb italienischer Qualitätsweine übt ein burgenländischer Weinbauer keine der Gewerbeordnung unterliegende Tätigkeit aus, wenn der Zukauf die vom Gesetz festgelegte Menge nicht überschreitet.
Ist die Auffassung des Beklagten über den Umfang seiner Befugnisse so weit gedeckt, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann, so verstößt selbst eine Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften nicht gegen § 1 UWG (stRspr ÖBl 1976, 67 - Berater in Versicherungsangelegenheiten; SZ 56/2 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; ÖBl 1986, 18 - Baldrian-Essenz uva).
Die Vorinstanzen haben den Sicherungsantrag daher zu Recht abgewiesen. Daß die Beklagten den zugekauften Wein unter den Gestehungskosten veräußerten und nicht in ihr Kellerbuch eintrügen, hat die Klägerin in erster Instanz nicht behauptet. Ein solches Vorbringen wäre im übrigen schon deshalb unerheblich, weil der Sicherungsantrag das damit behauptete Verhalten nicht erfaßt.
Der Revisionsrekurs muß erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 402 Abs 4, 78 EO; §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.