OGH vom 16.07.2013, 5Ob78/13a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Verlassenschaft nach Dr. H***** A*****, geboren am , vertreten durch den erbserklärten Erben C***** M***** A*****, geboren , vertreten durch Dr. Markus Bösch, Rechtsanwalt in Wien als Kollisionskurator, dieser vertreten durch Gößeringer Oman, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Grundbuchsberichtigung in den EZ 49, 53, 54, 58, 75, 159 und 275, alle GB *****, sowie EZ 266 GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , AZ 2 R 2/13s, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , TZ 25740/12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Grundbuchsberichtigungsantrag aufgetragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 275 GB *****, die durch Abschreibungen aus der EZ 273 GB ***** gebildet wurde. Sie macht geltend, dass die mit TZ 9443/1987 erfolgte Bewilligung nicht zur Gänze grundbücherlich vollzogen worden sei. Mit dem Erwerb von Teilen der Liegenschaft EZ 273 habe sie auch die diesen anhaftenden Dienstbarkeiten erworben. Es seien zwar in der neu gegründeten EZ 275 sämtliche Servitutsrechte als solche des herrschenden Guts ersichtlich gemacht worden, die korrespondierenden Einverleibungen und Ersichtlichmachungen in den dienenden Liegenschaften seien jedoch überwiegend unterblieben. Die Bewilligung sei also nicht zur Gänze vollzogen worden.
Bei den im Einzelnen aufgeführten dienenden Liegenschaften handle es sich um eine Vielzahl von Liegenschaften, die in der Folge auch durch Abschreibungen verändert worden seien, sodass neue Liegenschaften nunmehr, ohne dass diese darin einverleibt seien, mit den Servitutsrechten der Antragstellerin behaftet seien. Auch der Umfang der herrschenden Liegenschaft sei durch Zu und Abschreibungen verändert worden.
Mit ihrem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt die Antragstellerin gestützt auf § 104 GBG und § 136 GBG eine Berichtigung des Grundbuchs durch umfangreiche Richtigstellungen infolge unterlassener Einverleibung von Dienstbarkeiten an dienenden Liegenschaften sowie die unterlassene Ersichtlichmachung der Dienstbarkeiten in der EZ 275 als herrschendes Gut.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Der gesamte Beschlussinhalt der TZ 9443/1987 sei durch Mitübertragung aller aufrechten Rechte und Belastungen vollzogen worden. Es sei daher kein Vollzugsfehler feststellbar. Eine Nachprüfung jener Vorgänge, die zur Einverleibung der davor in EZ 273 enthaltenen Servitutsberechtigungen geführt hätten, könne nicht mehr vorgenommen werden, weil die entsprechenden Dienstbarkeiten teilweise vor mehr als 40 bzw 70 Jahren begründet worden seien. Ein Teil der Grundbuchsakten sei auch schon vernichtet. Soweit aus historischen Auszügen Überprüfungen vorgenommen hätten werden können, hätten sich daraus Vollzugsfehler jedenfalls nicht feststellen lassen.
Eine Berichtigung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil durch Veräußerungen und Abschreibungen von Teilen der dienenden Liegenschaften gutgläubiger Erwerb stattgefunden habe, der mit Mitteln des Grundbuchsverfahrens nicht geklärt werden könne. Es sei daher ohne Durchführung eines Verfahrens mit den Beteiligten iSd § 104 Abs 3 GBG das Begehren abzuweisen.
Dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Weder nach § 104 GBG noch nach § 136 GBG lägen die Voraussetzungen für die begehrten Berichtigungen vor. Ohne Einverständnis der Beteiligten sei die Berichtigung einer Eintragung nicht möglich, wenn die Eintragung bereits Rechtsfolgen nach sich gezogen habe. Dann müssten die Parteien den Klageweg beschreiten. Ob ein Zwischeneingetragener gutgläubig erworben habe oder nicht, könne nach herrschender Rechtsprechung im Verfahren nach § 104 GBG nicht untersucht werden, sondern sei dies dem ordentlichen Rechtsweg vorbehalten. Überhaupt könne eine Berichtigung gegen den Willen von Zwischeneingetragenen nicht mit einem mittlerweile eingetragenen Rechtserwerb kraft Vertrauens auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs kollidieren.
Voraussetzung für eine Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG sei die mangelnde Übereinstimmung des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage. Sie komme zur Anwendung, wenn nachträglich eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten, grundbücherlich aber noch nicht durchgeführt worden sei, die begehrte Eintragung also nur deklarative Bedeutung habe. Im Weiteren habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass zum grundbücherlichen Nachvollzug der in § 844 Satz 4 und 5 ABGB geregelten Folgen der Teilung eines herrschenden Guts für Dienstbarkeiten der Weg einer Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG zur Verfügung stehe (5 Ob 1/10y).
Die Unrichtigkeit müsse aber offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen sein. Fragen der Vertragsauslegung, der realen Begrenzung einer Dienstbarkeit, der Ersitzung oder des Gutglaubensschutzes könnten nicht vom Grundbuchsgericht geklärt werden. Nur wenn mit den Quellen grundbuchsrichterlicher Erkenntnis eindeutig feststellbar sei, dass schon aus rechtlichen Gründen von vornherein ein Vertrauensschutz desjenigen, der durch den Vollzugsfehler in eine bücherliche Rechtsposition gelangt sei, ausscheide, könne die Berichtigung eines Vollzugsfehlers auch gegen den Willen desjenigen angeordnet werden, der dadurch seine bücherliche Rechtsposition verliere.
Im gegenständlichen Fall könne aber aufgrund des Fehlens von Originalurkunden, des Zeitverlaufs und der Vielzahl von Abschreibungen, die Rechtsfolgen nach sich gezogen hätten, nicht mit der für grundbücherliche Entscheidungen notwendigen Eindeutigkeit geklärt werden, dass die Beteiligten, die Rechte an Liegenschaften erworben hätten, die Berichtigung jedenfalls gegen sich gelten lassen müssten.
Es komme daher eine Berichtigung eines Vollzugsfehlers diesfalls nicht in Betracht.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Konkurrenz der Rechtsbehelfe der §§ 104 und 136 GBG fehle. Es sei klärungsbedürftig, ob bei fehlendem qualifiziertem Nachweis der Unrichtigkeit überhaupt noch eine Vernehmung der Beteiligten nach § 104 Abs 3 GBG durchzuführen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung ihres Antrags; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Zu Recht rügt die Revisionsrekurswerberin, dass das Erstgericht die Frage des tatsächlichen Vollzugs des Inhalts des Beschlusses TZ 9443/1987 nicht geklärt hat. Den Feststellungen des Erstgerichts ist nur zu entnehmen, dass in der neu gebildeten EZ 275 als herrschender Liegenschaft die hier in Frage stehenden Servitutsrechte ersichtlich gemacht wurden. Das ist aber für den rechtswirksamen Erwerb einer Dienstbarkeit ohne Bedeutung. Der Erwerb der Grunddienstbarkeit erfolgt durch Eintragung im Lastenblatt der dienenden Liegenschaft. Diese Einverleibung unterblieb tatsächlich in den vom Berichtigungsantrag behaupteten bzw erfassten Fällen. Der zu TZ 9443/1987 gestellte Antrag mit dem damaligen Grundbuchsstand der EZ 273 (Grundbuchsauszug) ist im Akt vorhanden, sodass klar ist, um welche dienenden Liegenschaften es geht. Daraus ist im Vergleich mit den Grundbuchsauszügen der dienenden Liegenschaften erkennbar, dass eben nicht (vollständig) vollzogen wurde, weil keine Servitutsrechte der Liegenschaft EZ 275 dort verbüchert sind. Es ist daher unrichtig, pauschal von einem lückenlosen und fehlerfreien Vollzug auszugehen.
Ist aber entgegen dem Bewilligungsbeschluss der Vollzug der Servitutsrechtseinverleibungen unterlassen worden, bewirkte dies einen Fehler iSd § 104 Abs 3 GBG, der grundsätzlich einer Berichtigung im Sinn dieser Gesetzesstelle zugänglich ist (5 Ob 128/10z; RIS Justiz RS0060702).
Vom Fall des Einvernehmens der Beteiligten abgesehen, setzt eine Berichtigung iSd § 104 Abs 3 GBG voraus, dass der Vollzugsfehler entweder keinerlei Rechtsfolgen nach sich gezogen hat oder aber ein nachträglicher Rechtserwerb vorliegt, bei dem Vertrauensschutz nicht rechtsbegründend wirkte (5 Ob 17/94 SZ 67/13; 5 Ob 35/06t NZ 2006, 312 [ Hoyer ]; RIS Justiz RS0059552). Die strengen Anforderungen an die Berichtigung eines beim Vollzug unterlaufenen Fehlers bezwecken den Schutz nur desjenigen, der im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs bücherliche Rechte erworben hat (RIS Justiz RS0060738). Soll die Berichtigung eines Fehlers vorgenommen werden, der in diesem Sinn „irgendeine Rechtsfolge nach sich gezogen haben könnte“, ist das Einverständnis der Betroffenen unumgänglich.
Das Erstgericht wird daher zunächst zu klären haben, welche Einverleibungen von Servitutsrechten in den dienenden Liegenschaften unterblieben sind und inwieweit entsprechende Berichtigungen der Vollzugsfehler ohne Eingriff in den Vertrauensschutz der bücherlich Berechtigten und damit auch gegen deren Willen vorgenommen werden können. In jenen Fällen, in denen die Berichtigung irgendeine Rechtsfolge nach sich ziehen könnte, wird das Erstgericht ein Verfahren nach § 104 Abs 3 GBG durchzuführen und dann mit entsprechender Beschlussfassung vorzugehen haben. Hinsichtlich jener Beteiligter, die im Vertrauen auf die Vollständigkeit des Grundbuchs Eigentum von Zwischeneingetragenen erlangt haben und deren Rechtserwerb kraft Vertrauens auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs geschützt ist (5 Ob 17/94 SZ 67/13), kann nur im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden (RIS Justiz RS0060708; RS0060738; umfassend zu den Voraussetzungen des § 104 Abs 3 GBG: 5 Ob 128/10z NZ 2011, 772, 189 [ Hoyer ]; 5 Ob 62/12x mwN; RIS Justiz RS0060702; RS0060708; RS0060738).
Es ist anerkannt, dass auch Teilberichtigungen zulässig sind.
Die Entscheidung 5 Ob 1/10y NZ 2011/57, 208 ist allerdings insofern nicht einschlägig, als es dort nicht um ein Abweichen einer Eintragung von der Bewilligung ging, sondern ein Begehren auf Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG daran scheiterte, dass Fragen der Vertragsauslegung (Beschränkung des Umfangs einer Servitut) im Berichtigungsverfahren nicht geklärt werden konnten.
Im Übrigen liegt hier der Fall einer Berichtigung nach § 136 GBG, der eine nachträgliche außerbücherliche Rechtsänderung, die grundbücherlich noch nicht durchgeführt wurde, voraussetzt, nicht vor.
Mangels entsprechender Entscheidungsgrundlagen war eine Aufhebung somit unumgänglich.
Der Revisionsrekus war in diesem Sinn berechtigt und sohin spruchgemäß zu entscheiden.