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OGH 23.04.2014, 5Ob55/14w

OGH 23.04.2014, 5Ob55/14w

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und und die Hofrätin Dr. Lovrek, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie den Hofrat Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin M***** N*****, vertreten durch die Sachwalterin Dr. Tanja Sporrer, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob Anteilen an der Liegenschaft EZ 500 GB *****, aus Anlass des außerordentlichen Revisionrekurses des W***** N*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher und Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 54 R 2/14m-4, mit dem infolge Rekurses des W***** N***** der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , TZ 12456/2013, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den

Antrag,

die Wortfolge in § 59 Abs 3 AußStrG idF BGBl I 111/2003 „und § 60 Abs. 2“

als verfassungswidrig aufzuheben;

in eventu den

Antrag,

die Wortfolge in §§ 59 Abs 3 AußStrG idF BGBl I 111/2003 „und § 60 Abs. 2“ sowie den Abs 2 des § 60 JN idF RGBl 111/1895

als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Text

Begründung:

1. Bisheriger Verfahrensgang

1.1. W***** N***** (Rechtsmittelwerber) war aufgrund des Schenkungsvertrags vom sub B-LNR 2 grundbücherlicher Miteigentümer von 52/1655-Anteilen an der Liegenschaft EZ 500 GB ***** verbunden mit Wohnungseigentum an Top 4 (Eigentumswohnung). Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat mit seinem rechtskräftigen Urteil vom , AZ 4 R 40/13h, festgestellt, dass der genannte Schenkungsvertrag unwirksam ist, und hat den dort Beklagten und nunmehrigen Rechtsmittelwerber schuldig erkannt, binnen 14 Tagen die ihm bücherlich zugeschriebenen Liegenschaftsanteile an die dortige Klägerin und nunmehrige Antragstellerin rückzuübereignen.

1.2. Die Eigentumswohnung hat (unter Berücksichtigung des Reparaturbedarfs) einen Verkehrswert von 55.695,55 EUR und einen Steuerschätzwert (dreifachen Einheitswert) von 15.262,08 EUR.

1.3. Die Antragstellerin begehrte aufgrund des bezeichneten rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Innsbruck sowie unter Vorlage weiterer Bewilligungsurkunden die Löschung der Einverleibung des Eigentumsrechts des Rechtsmittelwerbers und die Wiederherstellung des Grundbuchstands zum durch Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragstellerin ob den sub B-LNR 2 eingetragenen, mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteilen.

1.4. Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom , TZ 12456/2013, die begehrte Grundbucheintragung antragsgemäß.

1.5.1. Das Rekursgericht gab dem vom Rechtsmittelwerber gegen den erstgerichtlichen Bewilligungsbeschluss erhobenen Rekurs nicht Folge. Die Antragstellerin sei berechtigt, die von ihr angestrebte Grundbucheintragung durch einfaches Grundbuchgesuch unter Vorlage des Titels gemäß § 367 EO zu erwirken, zumal mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck eine zur Eigentumseinverleibung im Grundbuchverfahren ausreichende öffentliche Urkunde iSd § 33 Abs 1 lit d GBG vorliege.

1.5.2. Das Rekursgericht sprach gemäß § 59 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 1 GBG aus, dass der Wert des rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der (gemeint: ordentliche [§ 59 Abs 1 Z 2 AußStrG]) Revisionrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht begründete seine Bewertung des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Entscheidungsgegenstands mit dem Hinweis auf den „in der Titelurkunde ausgewiesenen Verkehrswert der Eigentumswohnung“.

1.5.3. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen den Beschluss des Rekursgerichts rechtzeitig außerordentlichen Revisionrekurs, in dem er als erhebliche Rechtsfrage geltend macht, dass das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck keine Exekutionsführung nach § 350 EO gestatte, weil es keine Verpflichtung zur Einräumung eines bestimmten bücherlichen Rechts ausspreche. Nur wenn das Urteil eine Aufsandungserklärung enthielte, sei es eine iSd § 33 (gemeint: Abs 1 lit d) GBG taugliche Urkunde, die dem Berechtigten die unmittelbare Einverleibung ermögliche.

Rechtliche Beurteilung

2. Gesetzliche Grundlagen für den Bewertungsausspruch des Rekursgerichts

2.1. Gemäß § 126 Abs 1 GBG gilt im vorliegenden Grundbuchverfahren für die Entscheidung des Rekursgerichts § 59 AußStrG.

2.2. § 59 AußStrG hat folgenden Wortlaut:

§ 59. (1) Das Rekursgericht hat in seinem Beschluss auszusprechen,

1. dass der Revisionsrekurs nach § 62 Abs 2 jedenfalls unzulässig ist;

2. falls Z 1 nicht zutrifft, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 zulässig ist.

(2) Hat das Rekursgericht nach Abs 1 Z 2 ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, und besteht ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht ferner auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 Euro übersteigt oder nicht.

(3) Bei dem Ausspruch nach Abs 2 sind die §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 1 bis 3, 56 Abs. 3, 57, 58 und 60 Abs. 2 JN sinngemäß anzuwenden. Der Ausspruch nach Abs. 1 Z 1 bindet weder die Parteien noch die Gerichte. Der Ausspruch nach Abs. 1 Z 2 ist kurz zu begründen.

(4) Gegen die Aussprüche nach Abs 1 Z 1 und Abs 2 findet kein Rechtsmittel statt. Die Unrichtigkeit eines Ausspruchs nach Abs 1 Z 2 kann - außer in einer Zulassungsvorstellung - nur in einem außerordentlichen Revisionsrekurs, allenfalls in der Beantwortung eines ordentlichen Revisionsrekurses geltend gemacht werden.

2.3. Die im Art 5 des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 2009/52, unterbliebene Erhöhung auch des im § 59 Abs. 2 AußStrG genannten Betrags von 20.000 EUR auf 30.000 EUR ist ein offenkundiges Redaktionsversehen des Gesetzgebers, das im Wege der Gesetzesauslegung zu korrigieren ist (RIS-Justiz RS0125732). Der in § 59 Abs. 2 AußStrG genannte Betrag von 20.000 EUR muss daher richtig mit „30.000 EUR“ gelesen werden.

2.4. § 60 JN - dessen Abs. 2 in der Stammfassung des Gesetzes gilt - lautet insgesamt wie folgt:

(1) Erscheint bei einer Klage, welche bei einem Gerichtshofe erster Instanz angebracht wurde, die vom Kläger angegebene Summe, zu deren Annahme an Stelle der angesprochenen Sache er sich erboten hat (§ 56 Abs. 1), oder die im Sinne des § 56 Abs. 2 erfolgte Bewertung des Streitgegenstandes übermäßig hoch gegriffen, so kann das Gericht, wenn es zugleich wahrscheinlich ist, daß bei richtigerer Bewertung des Streitgegenstandes dieser die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes (§ 7a) maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte, von Amts wegen die ihm zur Prüfung der Richtigkeit der Wertangabe nötig erscheinenden Erhebungen und insbesondere die Einvernehmung der Parteien, die Vornahme eines Augenscheines und, wenn es ohne erheblichen Kostenaufwand und ohne besondere Verzögerung geschehen kann, auch die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Dies kann erforderlichenfalls auch schon vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung geschehen.

(2) Als Wert einer grund- oder hauszinssteuerpflichtigen unbeweglichen Sache ist jener Betrag anzusehen, welcher als Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt.

(3) Muß infolge der Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen die Streitsache von dem Gerichtshofe an das Bezirksgericht abgetreten werden, so hat der Kläger die durch diese Erhebungen und Beweisführungen entstandenen Kosten zu tragen oder zu ersetzen. Dasselbe gilt, wenn nach dem Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen der mit mehr als 100 000 EUR angegebene Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 100 000 EUR nicht übersteigt (§ 7a).

(4) Außer dem in Absatz 1 bezeichneten Falle ist die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes (§ 7a) sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend.

3. Zur Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge(n)

3.1. Der Entscheidungsgegenstand in Grundbuchsachen ist grundsätzlich vermögensrechtlicher Natur (5 Ob 124/03a = RdW 2004/180, 212 = NZ 2005/13, 24; 5 Ob 49/97k = NZ 1998, 219; 5 Ob 290/06t mwN; 5 Ob 241/07p). Besteht ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt (richtig:) 30.000 EUR übersteigt oder nicht.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist § 60 Abs 2 JN anzuwenden, wenn der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ausschließlich vom Wert der Liegenschaft bestimmt wird (RIS-Justiz RS0053191

; RS0046509 [insb T2 und T11]; 3 Ob 89/12b NZ 2012/136). Dies trifft auf ein Grundbuchgesuch zu, mit dem - wie hier - die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer (gesamten) Liegenschaft (Einlagezahl) begehrt wird (5 Ob 87/92 mwN; 5 Ob 124/03a; 5 Ob 50/04w; 5 Ob 241/07p).

3.3. Nach gesicherter neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs knüpft der in § 60 Abs 2 JN erwähnte „Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung“ an § 6 Abs 1 lit b GrEStG 1987 an, der idF BGBl I 2000/142 festlegt, dass als Wert des Grundstücks das Dreifache des Einheitswerts anzusetzen ist (5 Ob 180/02k MietSlg 54.583; 3 Ob 320/02h SZ 2003/134; 2 Ob 64/11t; 2 Ob 127/11g; RIS-Justiz RS0046526 [T6]; 3 Ob 89/12b NZ 2012/136).

3.4. Die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit jedenfalls insoweit zwingend, als eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit einem Betrag über dem (nunmehr dreifachen) Einheitswert unbeachtlich ist (5 Ob 102/91 NZ 1992/228 GBSlg [Hofmeister]; 3 Ob 320/02h; 2 Ob 64/11t; 3 Ob 89/12b NZ 2012/136; vgl RIS-Justiz RS0007074).

3.5. Aus der beschriebenen Rechtslage folgt für den vorliegenden Fall, dass der Bewertungsausspruch des Rekursgerichts, wonach der Wert des rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt, im Hinblick auf den Steuerschätzwert (den dreifachen Einheitswert) von 15.262,08 EUR gegen die zwingende Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN verstößt und somit unbeachtlich ist.

3.6. Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht, so steht dem Rechtsmittelwerber nur die Möglichkeit der Zulassungsvorstellung nach § 63 Abs 1 AußStrG offen. Die Akten wären demnach dem Rekursgericht zurückzustellen, welches dann den als außerordentlichen Revisionsrekurs bezeichneten Schriftsatz des Rechtsmittelwerbers als Zulassungsvorstellung zu behandeln hätte. Das Rekursgericht hat in einem solchen Fall - allenfalls nach Verbesserung - entweder, sofern es die Zulassungsvorstellung für stichhältig erachtet, seinen Zulassungsausspruch mit Beschluss abzuändern und auszusprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist (§ 63 Abs 3 AußStrG), oder, wenn es die Zulassungsvorstellung für nicht stichhältig erachtet, diese samt dem ordentlichen Revisionsrekurs mit Beschluss zurückzuweisen (§ 63 Abs 4 AußStrG).

3.7. Die angefochtene Wortfolge bewirkt somit zusammengefasst, dass dem Rechtsmittelwerber - anders als im Fall eines über 30.000 EUR gelegenen Entscheidungsgegenstands - der unmittelbare und sofortige Zugang zum Obersten Gerichtshof verschlossen ist, und davon abhängt, dass das Rekursgericht seine Zulassungsvorstellung für stichhältig erachtet.

4. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken

4.1.1. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses im Verfahren außer Streitsachen regelt § 62 AußStrG. Dem Konzept nach besteht das System der Revisionsrekurszulässigkeit in einem Zulassungsmodell verbunden mit einer Wertgrenze (30.000 EUR) bzw der Abhängigkeit von einer bestimmten Qualität des erhobenen Anspruchs (nicht rein vermögensrechtlicher Natur); letztgenannter Fall liegt hier nicht vor (s 3.1.) und ist daher bei den weiteren Überlegungen nicht weiter zu berücksichtigen.

4.1.2. Zunächst hat das Gericht zweiter Instanz gemäß § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG auszusprechen, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist. Hat das Rekursgericht, weil es der Ansicht ist, dass es keine erhebliche Rechtsfrage zu klären hatte, ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, so hat das Rekursgericht weiters auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt (richtig:) 30.000 EUR übersteigt oder nicht.

4.1.3. Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht, kann der Rechtsmittelwerber nur einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung; § 63 Abs 3 AußStrG). Erachtet das Rekursgericht die Zulassungsvorstellung für nicht stichhältig, so hat es diese samt dem ordentlichen Revisionsrekurs mit Beschluss zurückzuweisen (§ 63 Abs 4 AußStrG). In diesem Fall kann der Oberste Gerichtshof mit der Rechtssache nicht mehr befasst werden (§ 62 Abs 3 AußStrG).

4.1.4. Übersteigt dagegen der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR, so kann auch dann, wenn das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, dennoch ein Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof erhoben werden (außerordentlicher Revisionsrekurs; § 62 Abs 5 AußStrG).

4.1.5. Demnach ist im vorliegenden Kontext für die garantierte Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs von maßgeblicher Bedeutung, ob der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Der Gesetzgeber selbst bringt damit zum Ausdruck, dass für eine Rechtssache, deren wirtschaftliche Bedeutung einen gewissen Grenzwert (30.000 EUR) übersteigt, jedenfalls der Zugang zum Obersten Gerichtshof gewährleistet sein soll.

4.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in jüngerer Zeit in unterschiedlichen Zusammenhängen mehrfach die Unsachlichkeit der Anknüpfung an den (dreifachen) Einheitswert bei Liegenschaften als Bemessungsgrundlage aufgegriffen (VfGH G 34/11 [Aufhebung der einheitswertbezogenen Ermittlungsvorschrift bei der Eintragungsgebühr nach dem GGG]; VfGH G 111/11 [Stiftungseingangssteuergesetz]; VfGH G 54/06 VfSlg 18.093 [Aufhebung des § 1 Abs 1 Z 1 ErbStG]).

4.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Judikatur auch wiederholt festgehalten, es sei als notorisch anzusehen, dass zwischen dem Verkehrswert eines Grundstücks und seinem Einheitswert, und zwar auch wenn dieser verdreifacht wird, im Hinblick auf die seit Jahrzehnten unterlassene Hauptfeststellung der Einheitswerte im Regelfall erhebliche Abweichungen bestehen (vgl VfSlg 19.487/2011 [Seite 160 unter Verweis auf VfSlg 18.093/2007 insb Seite 317]; VfGH G 78/12). Im vorliegenden Zusammenhang führen diese Abweichungen im Hinblick auf die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN dazu, dass die Möglichkeit, eine bestimmte Rechtssache im Hinblick auf ihre erhebliche wirtschaftliche Bedeutung - jedenfalls - an den Obersten Gerichtshof herantragen zu können, den Parteien bloß deswegen verschlossen sein kann, weil der Gegenstand der Entscheidung in einer Liegenschaft besteht.

4.2.3. Besteht etwa der Gegenstand der Entscheidung lediglich aus Fahrnissen, deren für die Bewertung durch das Rekursgericht maßgeblicher Verkehrswert 30.000 EUR übersteigt, steht den Parteien - jedenfalls und unabhängig vom Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts - die Anrufung des Obersten Gerichtshofs offen. Besteht der Gegenstand der Entscheidung dagegen in einer Liegenschaft, deren Verkehrswert zwar 30.000 EUR übersteigt, deren „Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung“ aber nicht 30.000 EUR übersteigt, hängt die Möglichkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs letztlich vom Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts ab. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung, bei der Bewertung von Liegenschaften anders als bei beweglichen Sachen nicht den tatsächlichen Wert, sondern nur den dreifache Einheitswert heranzuziehen, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu erkennen.

4.2.4. Eine teleologische Reduktion des § 59 Abs 3 AußStrG um den Verweis auf § 60 Abs 2 JN ist ausgeschlossen, setzt dies doch den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks voraus, an dem sich die letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende Auslegung orientieren soll (9 ObA 38/06p SZ 2006/109; RIS-Justiz RS0106113; VfGH G 78/12). Davon kann hier aber deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber durch den Verweis auf § 60 Abs 2 JN diese Bestimmung ganz bewusst zum Maßstab für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rechtsmittelgericht machen wollte (VfGH G 78/12).

5. Zum Anfechtungsumfang

5.1. Im Anlassfall präjudiziell ist die angefochtene Wortfolge in § 59 Abs 3 AußStrG. Aus diesem Grund zielt der Hauptantrag auf Aufhebung dieser Wortfolge.

5.2. Für den Fall jedoch, dass der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen sollte, dass der Kern der Verfassungswidrigkeit im Grundtatbestand des § 60 Abs 2 JN selbst gelegen ist, wird der Eventualantrag auf Aufhebung auch dieser Gesetzesstelle gestellt. Auch für diesen Fall wäre allerdings nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs nicht nur § 60 Abs 2 JN aufzuheben, sondern auch die angefochtene Wortfolge in § 59 Abs 3 AußStrG, die bei Aufhebung des § 60 Abs 2 JN jedenfalls ins Leere ginge.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin (nunmehr: Verlassenschaft [AZ 3 A 1087/14t des Bezirksgerichts Innsbruck] nach) M***** N*****, zuletzt wohnhaft gewesen *****, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob Anteilen an der Liegenschaft EZ 500 GB *****, über den außerordentlichen Revisionrekurs des W***** N*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher und Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 54 R 2/14m-4, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , TZ 12456/2013, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Revisionsrekursverfahren wird fortgesetzt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Der Senat stellte mit Beschluss vom , AZ 5 Ob 55/14w, an den VfGH gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) den Antrag auf Aufhebung der Wortfolge „60 Abs 2 JN“ in § 59 Abs 3 AußStrG idF BGBl I 111/2003 als verfassungswidrig mit der Begründung, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit dem dreifachen Einheitswert bestünden.

1.2. Mit Erkenntnis vom , AZ G 135/2014, hob der VfGH die angefochtene Wortfolge als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

1.3. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die vom Rekursgericht nach dem „in der Titelurkunde ausgewiesenen Verkehrswert der Eigentumswohnung“ vorgenommene Bewertung des Entscheidungsgegenstands nicht zu beanstanden ist (näher zur Bewertungsfrage vgl , AZ 5 Ob 55/14w, und überdies zur nunmehrigen Rechtslage 5 Ob 179/14f).

2.1. Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat mit seinem, die Titelurkunde bildenden rechtskräftigen Urteil vom , AZ 4 R 40/13h, festgestellt, „dass der zwischen den Streitteilen am abgeschlossene Schenkungsvertrag über die Eigentumswohnung (Bezeichnung des Wohnungseigentumsobjekts) unwirksam ist; die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen diese ihm bücherlich zugeschriebenen Liegenschaftsanteile wiederum an die klagende Partei rückzuübereignen“.

2.2. Die Antragstellerin begehrte aufgrund des bezeichneten Urteils sowie unter Vorlage weiterer Bewilligungsurkunden die Löschung der Einverleibung des Eigentumsrechts des Rechtsmittelwerbers und die Wiederherstellung des Grundbuchstands zum durch Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragstellerin ob den sub B-LNR 2 eingetragenen, mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteilen.

2.3. Das Erstgericht bewilligte die begehrte Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragstellerin. Das Rekursgericht gab dem vom Rechtsmittelwerber dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge, weil mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck eine zur Eigentumseinverleibung im Grundbuchverfahren ausreichende öffentliche Urkunde iSd § 33 Abs 1 lit d GBG vorliege. Das Rekursgericht sprach aus, dass der (gemeint: ordentliche [§ 59 Abs 1 Z 2 AußStrG]) Revisionrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

3. Der Rechtsmittelwerber (= grundbücherlich einverleibter Liegenschaftseigentümer) macht in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, dass das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck keine Urkunde iSd § 33 Abs 1 lit d GBG darstelle, weil es keine Aufsandungsklausel enthalte, keine Verpflichtung des dort beklagten Rechtsmittelwerbers vorsehe, in eine bestimmte Grundbuchhandlung einzuwilligen und auch nicht regle, in welcher Form die titulierte Rückübereignung zu erfolgen habe. Das bezeichnete Urteil lasse demnach keine Exekution nach § 350 EO zu. Mit diesen Ausführungen macht der Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage geltend:

4.1. Gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG können Urkunden, die die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Behörde haben, Grundlage einer bücherlichen Einverleibung sein (Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht1.01 § 33 GBG Rz 8 mwN); dies gilt etwa für rechtskräftige Urteile (RIS-Justiz RS0004572), wenn sie eine Exekutionsführung nach § 350 EO gestatten (5 Ob 66/01v mwN; RIS-Justiz RS0004550; Klicka in Angst2 § 350 EO Rz 1 f).

4.2. Die Exekution nach § 350 EO erfordert einen Titel, der dem betreibenden Gläubiger den Anspruch auf Einräumung, Übertragung, Beschränkung oder Aufhebung eines bücherlichen Rechts vermittelt (§ 350 Abs 1 EO). Dieser wird in der Regel die Verpflichtung zur Einwilligung in die Vornahme der bücherlichen Eintragung aussprechen (vgl RIS-Justiz RS0004550). Es genügen aber gleichwertige Leistungspflichten, nach denen der Verpflichtete der betreffenden Änderung der bücherlichen Rechtslage zuzustimmen hat (Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner § 350 EO Rz 6 mzN). Urteile, die die Grundlage einer Eigentumseinverleibung bilden sollen, brauchen den Rechtsgrund für die Eigentumsübertragung nicht anzuführen (RIS-Justiz RS0004558).

4.3. Ob nun ein bestimmtes Urteil nach der konkreten Formulierung seiner Leistungspflicht die Exekution nach § 350 EO eröffnet, ist eine typische Einzelfallbeurteilung. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass „mit der Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes“ nichts anderes als der Anspruch „auf Übereignung der Liegenschaft“ geltend gemacht werde (5 Ob 16/94 NZ 1994, 87). Wenn hier das Rekursgericht das die Eintragungsgrundlage bildende Urteil im spiegelbildlichen Sinn genau so verstanden hat, dann liegt darin jedenfalls keine als unvertretbar aufzugreifende Einzelfallbeurteilung.

5. Der Rechtsmittelwerber zeigt keine Rechtsfrage mit der nach § 62 Abs 1 AußStrG erforderlichen Qualität auf. Der Revisionsrekurs ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Grundbuchsrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00055.14W.0423.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAD-69676