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OGH vom 10.06.2008, 4Ob91/08y

OGH vom 10.06.2008, 4Ob91/08y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Foglar-Deinhardstein KEG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 21.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.500 EUR), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 151/07h-10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision des Klägers

1. Nach § 6 Abs 1 Z 1 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen iSd § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen er während einer unangemessen langen Frist an den Vertrag gebunden ist. Diese Norm bietet auch für Dauerschuldverhältnisse einen im Einzelfall anhand einer Interessenabwägung auszufüllenden Orientierungsrahmen. Maßgebend ist dabei eine Gesamtbeurteilung wesentlicher Elemente des Schuldverhältnisses. Allgemein gilt, dass Unternehmer, die bei der Finanzierung vertraglicher Leistungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses ein hohes wirtschaftliches Risiko eingehen, ihre Vertragspartner längere Zeit binden müssen, um ihr kaufmännisches Risiko durch eine sachgerechte Kalkulation beschränken zu können. Eine gröbliche Benachteiligung der Vertragspartner eines AGB-Verwenders iSd § 879 Abs 3 ABGB liegt im Allgemeinen dann nicht vor, wenn er seinen Kunden eine vertragliche Alternative anbietet, bei deren Wahl die Übernahme eines höheren wirtschaftlichen Risikos durch den Anbieter mit einem höheren Preis abgegolten wird (3 Ob 121/06z mwN).

2. Nach diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung etwa eine Bindungsfrist für die Miete einer neuen Telekommunikationsanlage von zehn Jahren bei gleichzeitiger Wahlmöglichkeit eines anderen Tarifmodells mit einer geringeren Mindestvertragslaufzeit als zulässig gebilligt (3 Ob 121/06z) und bei einem Mobiltelefonievertrag im Zusammenhang mit dem Erwerb eines preisgestützten Endgeräts eine Mindestbindung von 18 Monaten als „relativ kurze" Bindungsfrist beurteilt, die mangels konkreten Sachvorbringens nicht als unangemessen lang qualifiziert wurde (6 Ob 69/05y).

3. Die angefochtene Entscheidung wendet die Grundsätze dieser Rechtsprechung in vertretbarer Weise auf den Einzelfall an, wenn sie eine Mindestvertragsdauer eines Mobiltelefonievertrags von 24 Monaten beim Erwerb eines preisgestützten Endgeräts für zulässig erachtet. Im Hinblick auf die Fassung des Unterlassungsbegehrens, das auf das Verbot einer Bindung nur im Zusammenhang mit dem Erwerb eines preisgestützten Endgeräts abstellt, ist die Zulässigkeitsprüfung auf diesen Fall zu beschränken. Auf das wirtschaftliche Interesse des Unternehmers bei Überlassung eines subventionierten Endgeräts (das einem höheren wirtschaftlichen Risiko entspricht) sowie auf die dem Kunden offenstehende Wahlmöglichkeit eines Tarifs ohne Preisstützung und Mindestvertragsdauer hat die Beklagte im Verfahren hingewiesen (Schriftsatz , S 5).

II. Zur Revision der Beklagten

1.1. Das Berufungsgericht hat eine Klausel in AGB für unwirksam erklärt, die dem Mobiltelefoniebetreiber das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags nach Verwarnung für den Fall einräumt, dass der Teilnehmer einen „unfairen Gebrauch - im Sinne eines vom üblichen Telefonieverhalten eines Mobilfunkanschlusses seiner Art nach grob abweichenden Nutzungsverhaltens - von Sprachtelefonie" macht. Die Klausel enthalte nicht näher konkretisierte unbestimmte Begriffe und lasse den Verbraucher darüber im Unklaren, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein unfairer Gebrauch vorliege; sie widerspreche damit dem Bestimmtheitsgebot des § 6 Abs 3 KSchG.

1.2. Diese Beurteilung wendet den Grundsatz, dass Vertragsbestimmungen dem Verbraucher kein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln dürfen (4 Ob 179/02f = SZ 2002/153; RIS-Justiz RS0115219 [T14]), in vertretbarer Weise auf den Einzelfall an. Welches konkrete Verständnis ein Durchschnittsverbraucher (7 Ob 233/06z; 5 Ob 247/07w) vom Begriff einer „groben Abweichung vom üblichen Telefonieverhalten" gewinnen müsse, vermag im Einzelnen auch das Rechtsmittel nicht aufzuzeigen.

2.1. Das Berufungsgericht hat eine Klausel in AGB für unwirksam erklärt, die dem Mobiltelefoniebetreiber das Recht zur Sperre des gesamten Diensteangebots oder einzelner Dienste einräumt, wenn eine Fortführung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund - bei beispielshafter Aufzählung einiger solcher Gründe - unzumutbar wäre. Zwar sei jedem Dauerschuldverhältnis die Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung aus wichtigem Grund immanent, doch verstoße die Klausel deshalb gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, weil der durchschnittliche Kunde - selbst bei Berücksichtigung der darin genannten Beispielsfälle - nicht zuverlässig und abschließend beurteilen könne, wann ihm eine Sperre des Diensteangebots bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der eigenen Zahlungspflicht drohe.

2.2. Hier gilt das zuvor unter 1.2. Gesagte sinngemäß.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der in der Rechtsprechung anerkannte allgemeine Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund vor Ablauf der vereinbarten Zeit ohne Anwendung der sonst anwendbaren Kündigungstermine und Kündigungsfristen mit der Wirkung ex nunc aufgelöst werden können (RIS-Justiz RS0018305; RS0018377; RS0018368), in keinem Zusammenhang mit der Zulässigkeitsprüfung einer in AGB enthaltenen Klausel unter dem Aspekt des § 6 Abs 3 KSchG. Ob eine Klausel, die eine Sperre des Diensteangebots bei noch aufrechtem Mobiltelefonievertrag unter Andauern der Zahlungspflicht des Kunden für auf die Zeit der Sperre entfallende Grundentgelte ermöglicht, zulässig ist, unterliegt daher unabhängig von den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund einer nachprüfenden Kontrolle im Verfahren über eine Verbandsklage nach § 28 Abs 1 KSchG.

Auch § 70 TKG gewährt dem Dienstebetreiber kein Recht, eine Sperre vorzunehmen, sondern beschränkt nur dessen Möglichkeiten der Vertragsgestaltung. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Sperre ist daher, dass diese im Vertrag oder in AGB vereinbart wurde (vgl Ruhle/Freund/Kronegger/Schwarz, Das neue österreichische Telekommunikations- und Rundfunkrecht, 517, und Zanger/Schöll, TKG² § 70 Rz 4, 9). Auch in diesem Punkt ist nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht die von ihm erörterte Frage nach einer ausreichenden Transparenz der streitverfangenen Klausel unvertretbar gelöst hätte.

3.1. Das Berufungsgericht hat eine Klausel in AGB für unwirksam erklärt, die den Mobiltelefoniebetreiber dazu berechtigt, etwaige noch ausstehende monatliche Grundentgelte bis zum Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer fällig zu stellen und zu verrechnen, wenn er das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund auflöst oder wenn das Vertragsverhältnis auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden vor Ablauf einer vereinbarten Mindestvertragsdauer endet. Diese Klausel sei schon deshalb gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB, weil sich - bei kundenfeindlichster Auslegung - daraus eine Pflicht des Kunden zur Zahlung des bis zum Ablauf der Mindestvertragsdauer anfallenden Entgelts selbst für den - nach dem Wortlaut der Klausel davon keineswegs ausgenommenen - Fall ergebe, dass das Vertragsverhältnis zwar über Wunsch des Kunden, aber aus Verschulden des Diensteanbieters aufgelöst werde; eine sachliche Rechtfertigung für eine solche Regelung sei nicht aufgezeigt worden.

3.2. Das Rechtsmittel hält dem nur entgegen, dass im Fall einer einvernehmlichen Vertragsauflösung jede weitere Zahlungspflicht des Kunden ohnehin entfalle. Diese Argumentation lässt jedoch unberücksichtigt, dass die beanstandete Klausel auch das vom Berufungsgericht ins Treffen geführte Verständnis ermöglicht.