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OGH vom 15.09.1971, 3Ob91/71

OGH vom 15.09.1971, 3Ob91/71

Norm

Gerichtsorganisationsgesetz § 89;

Kopf

SZ 44/134

Spruch

Die Bestimmung des § 89 GOG, wonach in bürgerlichen Rechtssachen die Zeit des Postlaufes in eine verfahrensrechtliche Frist nicht einzurechnen ist, gilt auch für den Fall der Postaufgabe bei einem ausländischen Postamt

(KG Wiener Neustadt R 176/71; BG Gloggnitz E 19/69)

Text

Der erstgerichtliche Beschluß über die endgültige Bestimmung des Schätzwertes der zur Zwangsversteigerung gelangenden Liegenschaft wurde dem Rechtsanwalt Dr X als dem Bevollmächtigten des Verpflichteten am zugestellt. Der Verpflichtete gab am , dem letzten Tag der gemäß § 65 Abs 2 EO acht Tage betragenden Rekursfrist, um 18 Uhr Ortszeit den von ihm verfaßten Rekurs gegen die Schätzwertbestimmung in Ogdensburg (USA) zur Post. Am darauffolgenden 19. April langte die Rechtsmittelschrift beim Erstgericht ein.

Die zweite Instanz wies den Rekurs als verspätet zurück. Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über den gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurs der verpflichteten Partei - unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund - auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs des Verpflichteten ist gerechtfertigt.

In Übereinstimmung mit Lohsing - Serini 217 und dem dort zitierten Aufsatz von Dr Erwin Hellmer, JBl 1913, 460, ist das Rekursgericht der Auffassung, daß die Bestimmung des § 89 GOG, wonach in bürgerlichen Rechtssachen die Zeit des Postlaufes in eine verfahrensrechtliche Frist nicht einzurechnen ist, nur dann gelte, wenn die betreffende Sendung bei einem inländischen Postamt aufgegeben wurde. Da Lohsing - Serini aaO hiefür keine Gründe anführen, sondern lediglich auf die Abhandlung Hellmers verweisen, sind es letztlich nur dessen Darlegungen, die sich das Rekursgericht zu eigen macht. Zu diesen ist nun festzuhalten, daß ihnen zufolge die Anwendung des § 89 GOG auf den Fall der Postaufgabe bei einem ausländischen Postamt eine ausdehnende Auslegung dieser Vorschrift darstellen würde. Das Gegenteil trifft indes zu. Da nämlich die fragliche Bestimmung eine Einschränkung auf die im Inland erfolgende Postaufgabe nicht enthält, bedeutet es vielmehr eine einschränkende Auslegung, wenn man ihre Anwendung nur im letztangeführten Fall als zulässig ansieht. Im übrigen vermag bei Hellmer weder das rein dem Begrifflichen verhaftete Argument zu überzeugen, daß die Postanstalt gleichsam als verlängerter Arm des Gerichtes zu gelten habe, als solcher aber ein ausländisches Postamt nicht in Betracht komme, noch fällt die Möglichkeit entscheidend ins Gewicht, daß eine allenfalls notwendig werdende Klarstellung und Überprüfung der Aufgabezeit mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sein könnten oder daß etwaigen Machenschaften des Absenders ein zu großer Spielraum geboten wäre. Denn gegenüber diesen Übeln überwiegt die tunlichst zu vermeidende Gefahr, daß im Ausland weilenden Parteien, wenn man ihnen § 89 GOG nicht zugute kommen läßt, dadurch unter Umständen die Fristeinhaltung unmöglich werden kann; und dies, obwohl andererseits nach der derzeitigen, im Jahre 1913 noch nicht bestandenen Gesetzeslage die Zustellung an sie ins Ausland durch die