OGH vom 27.06.2006, 5Ob78/06s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. Mag. Gundula L*****, 2. Mag. Christian L*****, beide *****, und vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. Andreas A*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 16, 37 Abs 4 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 69/05m-34, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 4 Msch 36/03z-29, aufgehoben wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht stellte den zulässigen monatlichen Hauptmietzins für die den Antragstellern am vermietete, in Wien 18 außerhalb des Gürtels gelegene Wohnung inklusive des im Revisionsrekursverfahren allein strittigen Lagezuschlages von EUR 1,35 mit EUR 580,65 fest. Bei der Ermittlung des Lagezuschlages folgte es der Methode des gerichtlichen Mietzinsgutachtens, das den der Lage des Hauses entsprechenden Grundkostenanteil im Sinne des § 16 Abs 3 MRG wie folgt ermittelte:
Der Kaufpreis einer Eigentumswohnung am gegenständlichen Standort, Altbau, Erstbezug netto ATS 31.000/m2..
Herstellungskosten einer Eigentumswohnung, Altbau, sehr gute
Ausstattung netto ATS 21.000/m2
Renditeerwartung 5 %
Im Durchschnitt über alle Geschosse errechneter Grundkostenanteil ATS
8.524/m2 (ON 10, S 19).
Der Mietvertrag enthielt in seinem § 3 gemäß § 16 Abs 2 Z 4 Abs 3 und 4 MRG folgenden schriftlichen Hinweis:
„Als maßgebende Umstände werden die überdurchschnittliche Lage (außerhalb eines Gründerzeitviertels) berücksichtigt, sowie weiters (Lage, Wohnumgebung des Hauses) ausgezeichnete Infrastruktur, alle Einkaufsmöglichkeiten in Fußnähe, sehr gute Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz (Straßenbahn 40, 41) S 45 Gersthof in der Nähe. Der Grundkostenanteil liegt daher auf Grund des Verkehrswertes der Liegenschaft unter Berücksichtigung der Bebaubarkeit über dem der Richtwertermittlung zugrundegelegten Grundkostenanteil". Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant - auf, den in der Gegend üblichen Grundpreis für unbebaute, aber für Wohnbauten geeignete Grundstücke zu ermitteln und dann unter Beiziehung eines Bausachverständigen die bei Ausführung eines Neubaues unter Berücksichtigung der nach der Bauordnung zulässigen Bebaubarkeit erzielbaren Wohnnutzfläche zu schätzen. Erst danach könne der Lagezuschlag nach der Formel: Lagezuschlag = Grundkostenanteil Wohnung - Grundkostenanteil (Richtwertwohnung) x 0.33 % ermittelt werden. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000,-- nicht übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der konkreten Berechnung des Grundkostenanteiles bei der Ermittlung des Lagezuschlages keine Rechtsprechung bestehe und ungeklärt sei, ob die vom Sachverständigen angewendete Berechnungsmethode im Hinblick auf die notorisch geringe Zahl von Vergleichsobjekten unbebauter innerstädtischer Grundstücke nicht doch zulässig erscheine.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist entgegen dem nicht bindenden (RIS-Justiz RS0107859) Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 5 Ob 241/00b = immolex 2001/129, 230 = WoBl 2001/176, 279 = MietSlg 53.324 zu der Ermittlung der Lagezu- und abschläge nach der gesetzlichen Anordnung des § 16 Abs 3 MRG ausgeführt hat, ist zunächst der der Lage des Hauses entsprechende Grundkostenanteil je m2 Nutzfläche zu berechnen. Dazu bedarf es der Feststellung der in dieser Gegend üblichen Grundpreise für unbebaute, aber für Wohnbauten geeignete Grundstücke durch einen Realitätensachverständigen und - allenfalls mit Hilfe eines Bausachverständigen - der Umlegung dieser Preise auf die unter Berücksichtigung der Bauvorschriften erzielbaren Wohnnutzflächen. Von der Differenz zwischen dem auf diese Weise errechneten und dem der Richtwertfestsetzung zugrundegelegten Grundkostenanteil (§ 3 Abs 2 und Abs 5 RichtWG, der aus dem gemäß § 4 Abs 1 RichtWG mit dem Richtwert kundgemachten Prozentanteil rückgerechnet werden kann, bilden schließlich 0,33 % den Lagezuschlag bzw -abstrich (vgl auch 5 Ob 101/99k = WoBl 2000/49, 106). Diese Auffassung entspricht auch der überwiegenden Literaturmeinung (Stabentheiner, Das Richtwertsystem, WoBl 1994, 81 f; Würth, Richterseminar zum neuen Mieten- und Wohnungseigentumsrecht, WoBl 1994, 93 f; Dirnbacher/Heindl/Rustler,
Der Richtwertmietzins, 97; Rauscher, Zum Lagezuschlag bei der Feststellung des Richtwertmietzinses, ImmZ 1994, 155 f; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 21 § 16 MRG Rz 25; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnungsrecht § 16 MRG Rz 65).
Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, die vor allem innerstädtische Viertel in Wien betreffende (T. Hausmann aaO Rz 64) bekannte „Altbauproblematik" ignoriert zu haben, hat er doch generell die Berechnungsgrundlagen für die gemäß § 16 Abs 1 Z 2 MRG nur für Altbauwohnungen (Wohnungen, die auf Grund einer vor dem erteilten Baubewilligung errichtet wurden) geltende Richtwertfestsetzung dem geförderten Neubau entnommen und überdies in § 2 Abs 3 RichtWG ausdrücklich sogenannte „Gründerzeitviertel" (das sind für Wien die nahe des Gürtels gelegenen Wohngebiete der Bezirke 5, 15, 16, 17 und 18 sowie weite Teile der Bezirke 2, 12 und 20:
Ostermayer, Richtwertmietzins und Durchschnittslage, WoBl 1994, 138 unter Hinweis auf 1268 BlgNr 18, GP 19) berücksichtigt und sie vom Lagezuschlag ausgenommen.
Bei der Ermittlung des für die Normwohnung geltenden Richtwertes errechnet sich nach § 3 Abs 2 RichtWG der Grundkostenanteil je m2 Nutzfläche aus den Grundkosten, die während des Kalenderjahres 1992 den Förderungszusicherungen des jeweiligen Landes tatsächlich zugrundegelegt wurden. Die Berechnung erweist sich in einigen Bundesländern insofern als problematisch, als den Förderungszusicherungen tatsächlich keine Grundkosten zugrundegelegt werden, weil die Höhe der Grundkosten entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers kein für die Gewährung der Wohnbauförderung maßgebliches Kriterium ist. Dies kann aber nicht dazu führen, dass in diesen Bundesländern die Grundkosten bei der Richtwertermittlung außer Betracht zu bleiben hätten (Stabentheiner aaO).
Jedenfalls kann eine sich im Einzelfall ergebende Schwierigkeit bei der Ermittlung eines der für den Lagezu- und -abschlag heranzuziehenden Parameters (hier des der Lage des Hauses entsprechenden Grundkostenanteiles) nicht die Ausnahme von der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 16 Abs 3 MRG, wie sie bereits in der zitierten Entscheidung 5 Ob 241/00b dargelegt wurde, rechtfertigen.
Der Antragsgegner regt zwar die Einleitung eines Gesetzprüfungsverfahrens bezogen auf § 16 Abs 3 MRG mit dem Argument an, diese Bestimmung könne mangels unbebauter Vergleichsobjekte auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden. Diese Behauptung ist allerdings nicht bewiesen; Schwierigkeiten bei der Anwendung gesetzlicher Kriterien im Einzelfall können nicht per se dazu führen, dass die gesetzliche Bestimmung unvollziehbar wird (vgl vgl ). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, ein Gesetzprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten.