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OGH vom 23.06.2009, 3Ob91/09t

OGH vom 23.06.2009, 3Ob91/09t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Gottfried K*****, vertreten durch Dr. Helga Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die verpflichtete Partei Marie Ann K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Ebenbichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 63.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 7 R 215/08k-23, womit über Rekurs der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom , GZ 2 E 16/08s-2, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der Beschluss des Rekursgerichts wird in den angefochtenen Punkten 1. und 2. als nichtig aufgehoben. Der Rekurs der verpflichteten Partei gegen die Exekutionsbewilligung wird zurückgewiesen.

Der betreibenden Partei werden die mit 2.032,38 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten 338,73 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Der Betreibende beantragte mit am beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz, ihm aufgrund der zu AZ 1 C 81/07k erlassenen Einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichts Neulengbach vom , zur Hereinbringung des für den Zeitraum November 2007 bis April 2008 entstandenen rückständigen Ehegattenunterhalts von monatlich 3.500 EUR, somit von 21.000 EUR, sowie der näher bezeichneten Kosten die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechts ob einer der Verpflichteten gehörigen, näher bezeichneten Liegenschaft zu bewilligen sowie zur Sicherung der Forderung des laufenden Ehegattenunterhalts für zwölf Monate von monatlich 3.500 EUR, somit von insgesamt 42.000 EUR, die Exekution durch bücherliche Vormerkung des Pfandrechts an der Liegenschaft zu bewilligen. Der Betreibende gab eine Zustelladresse der Verpflichteten in Slowenien an.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß. Offenbar im Zuge des Erscheinens der Verpflichteten zu einem Gerichtstermin vor dem Erstgericht (siehe auch die im Revisionsrekurs erliegende Stellungnahme des Erstrichters, aus der im Übrigen hervorgeht, dass die Verpflichtete einwandfrei deutsch spricht), wurde am der Versuch unternommen, der Verpflichteten die Exekutionsbewilligung auszuhändigen. Die Verpflichtete verweigerte laut Beurkundung auf dem Zustellschein die Annahme, weil das Schriftstück nicht übersetzt war.

In der Folge veranlasste das Erstgericht die Übersetzung der Exekutionsbewilligung in die slowenische Sprache und die Zustellung der Exekutionsbewilligung über das zuständige Gericht in Slowenien, die am (ON 12) erfolgte.

Mit Beschluss vom (ON 19) stellte das Erstgericht die Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 10 EO ein und sprach aus, dass die dem Betreibenden im Bewilligungsbeschluss zuerkannten Kosten gemäß § 75 EO aberkannt würden. Dagegen erhob der Betreibende Rekurs (ON 20). Das Rekursgericht gab dem am erhobenen Rekurs der Verpflichteten gegen die Exekutionsbewilligung - dem das Erstgericht aufschiebende Wirkung zuerkannte (ON 16) - Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss im Sinne einer Abweisung des Exekutionsantrags ab (Punkt 1 der Rekursentscheidung). Den Einstellungsbeschluss des Erstgerichts behob das Rekursgericht ersatzlos, verwies den Betreibenden mit seinem dagegen erhobenen Rekurs auf die Entscheidung über den Rekurs der Verpflichteten und wies die vom Betreibenden erstattete Rekursbeantwortung zurück (Punkt 3 und 4 der Rekursentscheidung). Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung fehle, ob die EuZVO Anwendung finde, wenn einer im Ausland wohnhaften Partei im Inland durch unmittelbare Ausfolgung zugestellt werde. Es fehle überdies Rechtsprechung dazu, ob auch nach der EO-Novelle 1995 eine allenfalls fehlerhafte Zustellung des Exekutionstitels vom Rekursgericht überprüft werden könne, wenn Titel- und Bewilligungsgericht ident seien.

Rechtlich ging das Rekursgericht zusammengefasst davon aus, dass die Zustellung der Exekutionsbewilligung unmittelbar beim Erstgericht nicht in den Anwendungsbereich der EuZVO falle, weil es sich um eine Inlandszustellung gehandelt habe. Die Gültigkeit der Zustellung sei somit nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen. Der Empfänger, der sich bei der Behörde einfinde, sei gemäß § 24 ZustG zur Übernahme des Schriftstücks verpflichtet. Eine Annahmeverweigerung ändere nichts an der Gültigkeit der Zustellung. Allerdings sei es mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens unvereinbar, wenn einem Empfänger verfahrenseinleitende Schriftstücke unmittelbar ausgefolgt würden, die nicht in seiner Sprache abgefasst und auch nicht übersetzt seien. Da das Erstgericht nach der Annahmeverweigerung der Verpflichteten eine Übersetzung der Schriftstücke veranlasst habe, sei im Zweifel davon auszugehen, dass die Verpflichtete der deutschen Sprache nicht genügend mächtig sei, um sich eine ausreichende Vorstellung von Inhalt und Tragweite der ihr zuzustellenden Schriftstücke zu verschaffen. Es sei daher die Exekutionsbewilligung erst am wirksam zugestellt worden, weshalb der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung rechtzeitig sei. Der Exekutionsantrag sei schon deshalb abzuweisen, weil der Betreibende keine Vollstreckbarkeitsbestätigung vorgelegt habe. Das Erfordernis, neben dem Exekutionstitel auch eine Vollstreckbarkeitsbestätigung vorzulegen, gelte auch dann, wenn der Exekutionsantrag beim Titelgericht gestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung über den Exekutionsantrag erhobene Revisionsrekurs des Betreibenden (die Punkte 3 und 4 der Rekursentscheidung sind nicht angefochten) ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht die Rechtskraft des Exekutionsbewilligungsbeschlusses missachtete.

Die Erstattung einer Rechtsmittelbeantwortung ist zwar - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - im Verfahren nach der EO gesetzlich nicht vorgesehen, jedoch - mangels entsprechender Anordnung - nicht jedenfalls unzulässig (s auch 3 Ob 5/09w = Zak 2009/253 [zust Nunner-Krautgasser] zur Beantwortung eines absolut unzulässigen Rekurses im streitigen Verfahren). Eine Zurückweisung der von der Verpflichteten erhobenen Revisionsrekursbeantwortung ist daher nicht geboten.

Gemäß § 24 Z 1 ZustG können dem Empfänger versandbereite Dokumente unmittelbar bei der Behörde ausgefolgt werden. Auch die Verpflichtete bestreitet ihre Anwesenheit beim Erstgericht am nicht. Nach herrschender Auffassung ist der Empfänger, der sich bei der Behörde einfindet, zur Übernahme des Schriftstücks verpflichtet (Stummvoll in Fasching/Konecny² ErgBd § 24 ZustG Rz 11; Gitschthaler in Rechberger³ § 87 [§ 24 ZustG] Rz 5; Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht [1983] § 24 ZustG Anm 3; Wessely in Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht [2007] § 24 ZustG Rz 3).

Den Ausführungen des Rekursgerichts über die Notwendigkeit, verfahrenseinleitende Schriftstücke, die der Empfänger nicht versteht, zu übersetzen, ist zu entgegnen, dass im vorliegenden Fall weder die Bestimmungen der EuZVO (Verordnung [EG] Nr 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ) noch § 11 ZustG zur Anwendung kommen: Nach dem klaren Wortlaut des Art 1 Abs 1 EuZVO ist die Verordnung anzuwenden, wenn ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Zustellung zu übermitteln ist. Dieser Fall ist hier nicht verwirklicht, erfolgte doch eine reine Inlandszustellung; nämlich die Zustellung einer in Österreich erlassenen Exekutionsbewilligung durch eine inländische Behörde iSd § 24 ZustG. Auch § 11 Abs 1 ZustG stellt ausschließlich auf Zustellungen im Ausland ab und ist somit nicht anwendbar. Das Zustellwesen richtet sich nach dem allgemeinen Grundsatz, dass in Österreich die Amtssprache deutsch ist. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, hat daher eine in Österreich ergangene und hier zuzustellende Entscheidung in deutscher Sprache abgefasst zu sein. Dass der Empfänger der deutschen Sprache allenfalls nicht mächtig ist, macht daher die Zustellung ohne beigefügte Übersetzung nicht unzulässig (Art 8 B-VG; s auch § 53 Abs 1 Geo; Gitschthaler aaO § 87 Rz 4; RIS-Justiz RS0053065; VwGH 2001/18/0002). § 3 Abs 1 Z 1 der Amtssprachen V (BGBl 1977/307 idF BGBl II 2000/428) stellt eine abschließende Regelung der Zulassung der slowenischen Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache vor den Bezirksgerichten im Bundesland Kärnten vor (3 Ob 67/08m). Für das Bezirksgericht Neulengbach gilt diese Regelung nicht; die Amtssprache vor diesem Bezirksgericht ist vielmehr ausschließlich deutsch. Die Annahmeverweigerung der Verpflichteten erfolgte daher zu Unrecht. Dass das Erstgericht in der Folge offenkundig die Annahmeverweigerung für berechtigt erachtete und die Übersetzung der Exekutionsbewilligung sowie deren neuerliche Zustellung in Slowenien veranlasste, ändert nichts daran, dass die Annahmeverweigerung als ungerechtfertigt zu qualifizieren ist, weshalb diese beurkundete Annahmeverweigerung als wirksame Zustellung der Exekutionsbewilligung anzusehen ist. Bei ungerechtfertigter Annahmeverweigerung gilt § 20 ZustG (Stummvoll aaO § 24 ZustG Rz 11). Dass im Akt die Hinterlegung nicht ausdrücklich dokumentiert wurde, schadet nicht, weil nicht zweifelhaft ist, dass eine Ausfertigung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses im Akt liegt („hinterlegt ist"), weshalb der Verpflichteten eine Übernahme der Ausfertigung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses jederzeit möglich gewesen wäre (vgl dazu VwGH 2001/02/0078).

Da somit aus den dargelegten Gründen die Exekutionsbewilligung bereits am wirksam zugestellt wurde, war der erst am erhobene Rekurs der Verpflichteten gegen die Exekutionsbewilligung verspätet. Der Betreibende zeigt in seinem Revisionsrekurs richtig auf, dass die meritorische Entscheidung des Rekursgerichts über den verspäteten Rekurs in die Rechtskraft des erstgerichtlichen Exekutionsbewilligungsbeschlusses eingreift. Der Nichtigkeitsgrund des Verstoßes gegen die Rechtskraft ist verwirklicht. Die rekursgerichtliche Entscheidung ist somit als nichtig aufzuheben und der verspätete Rekurs der Verpflichteten gegen die Exekutionsbewilligung zurückzuweisen. Eine inhaltliche Überprüfung, ob die Exekutionsbewilligung zu Recht erteilt wurde, kommt demnach nicht in Betracht.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO. Die vom Betreibenden im Rekursverfahren erstattete Rekursbeantwortung wurde vom Rekursgericht unangefochten zurückgewiesen.