OGH vom 15.06.2016, 7Ob89/16p

OGH vom 15.06.2016, 7Ob89/16p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** K*****, Rechtsanwalt, *****, als Zwangsverwalter der im außerbücherlichen Eigentum der verpflichteten Partei Nachlass der am ***** verstorbenen M***** H***** stehenden 270/9670 Anteile an der Liegenschaft *****, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in Wels, wegen 22.251,45 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 39 R 332/15k 39, womit das Teilurteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 49 C 139/14a 34, bestätigt wurde und über den darin enthaltenen Rekurs gegen den in das Berufungsurteil aufgenommen Beschluss, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Rekurs der beklagten Partei wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

I. Der Kläger erhob als Zwangsverwalter des J***** H***** (Bestandgeber und Vorerbe) Mietzins und Räumungsklage.

Das Erstgericht gab der Mietzinsklage mit Teilurteil Folge. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teilurteil und stellte die Bezeichnung der klagenden Partei von Dr. C***** K*****, Rechtsanwalt, *****, als Zwangsverwalter des J***** H***** auf Dr. C***** K*****, Rechtsanwalt, *****, als Zwangsverwalter der im außerbücherlichen Eigentum der verpflichteten Partei Nachlass nach der am ***** verstorbenen M***** H***** (ursprüngliche Erblasserin) stehenden 270/9670 Anteile an der Liegenschaft ***** richtig.

Rechtliche Beurteilung

Gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts ist der Rekurs nur in den im § 519 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO genannten Fällen zulässig. Gelegentlich wird in der Rechtsprechung präzisierend betont, dass § 519 Abs 1 Z 1 ZPO wegen der gleichzuhaltenden Prozesslage dann analog anzuwenden sei, wenn die durch die Berichtigung verursachte Beendigung des Verfahrens gegen die Altparteien einer Verweigerung des Rechtsschutzes gleichkommt (7 Ob 272/06k, 6 Ob 103/02v; RIS Justiz RS0039608; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 519 ZPO Rz 102 mwN aus der Rechtsprechung). Jedenfalls unanfechtbar ist aber – wie hier – eine bloße Richtigstellung der Parteibezeichnung durch das Berufungsgericht.

II.1. Bei der fideikommissarischen Substitution ist der Vorerbe Eigentümer des Nachlasses, doch ist sein Eigentum zeitlich beschränkt. Seine Rechtsstellung kommt der eines Fruchtnießers nahe (RIS Justiz RS0012535 [T5]). Das Substitutionsgut fällt bei Eintritt des Nacherbfalls nicht in den Nachlass des Vorerben, es ist vielmehr Bestandteil der Verlassenschaft jenes Erblassers, der die Nacherbschaft anordnet (RIS Justiz RS0012564 [T1]). Bei Eintritt des Nacherbfalls verliert der Nacherbe seine Erbenstellung ipso iure, der Substitutionsnachlass wird wieder zum ruhenden Nachlass; er wird vom Nacherben im Rahmen eines fortzusetzenden Verlassenschaftsverfahrens nach dem Erblasser, der die Nacherbschaft verfügte, kraft Einantwortung erworben (RIS Justiz RS0012564 [T2]).

2. Unter Veräußerung im Sinne des § 1120 ABGB ist ein derivativer Eigentumsübergang zu verstehen. Dem Eigentumsübergang gleichgestellt wird der Übergang der Nutzung vom Eigentümer auf den Fruchtnießer bzw nach Erlöschen des Fruchtgenusses wieder auf den Eigentümer (RIS Justiz RS0021164). § 1120 ABGB ist im Substitutionsfall auch analog auf den Übergang der Bestandsache vom Vorerben auf den Nacherben anzuwenden (RIS Justiz RS0021214).

3. Nach § 98 Abs 2 EO hat die Anmerkung der Zwangsverwaltung im Grundbuch zur Folge, dass die bewilligte Zwangsverwaltung gegen jeden späteren Erwerber der Liegenschaft durchgeführt werden kann. Der Erwerber tritt ex lege in die Rechtsstellung der vormals verpflichteten Partei als (neu) verpflichtet in das anhängige Verfahren ein (3 Ob 45/01s). Erträgnisse, die sich während der Zwangsverwaltung ergeben, müssen vom Zwangsverwalter ungeachtet der Einstellung der Zwangsverwaltung eingehoben und verrechnet werden (vgl RIS Justiz RS0002678), es gehören diese Erträgnisse weder dem Verpflichteten, sofern sie nicht nach der Bewilligung der Schlussrechnung vom Gericht als Hyperocha dem Verpflichteten zugerechnet werden, noch dürfen sie den Erben oder sonstigen dritten Personen ohne Verfügung des Gerichts überlassen werden. Aus § 110 EO ergibt sich klar, dass der Zwangsverwalter berechtigt ist, die bis zur Einstellung der Zwangsverwaltung fällig gewordenen Leistungen einzuklagen (3 Ob 382/57).

4. Bereits vor dem Hintergrund der dargestellten oberstgerichtlichen Judikatur ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, aufgrund der in Bezug auf das Bestandobjekt im Grundbuch erfolgten Anmerkung der nach wie vor aufrechten Zwangsverwaltung sei nach dem Tod des verpflichteten Bestandgebers und Vorerben zwar bis zur Einantwortung der Nacherbin die Verlassenschaft nach der vormaligen Erblasserin als (neu) Verpflichtete anzusehen, der Zwangsverwalter aber dennoch berechtigt die hier geltend gemachten – während aufrechter Zwangsverwaltung fällig gewordenen – Mietzinsforderungen gegenüber der beklagten Bestandnehmerin einzuklagen, nicht zu beanstanden.

5. Da § 477 Abs 1 Z 5 ZPO mit den §§ 1, 2, 5, 6, 7 ZPO und § 21 ABGB eine Schutzvorschrift zugunsten der prozessunfähigen Person ist, kann dieser Nichtigkeitsgrund auch nur von demjenigen geltend gemacht werden, dessen gesetzlicher Schutz durch die Außerachtlassung der Vorschriften beeinträchtigt und verletzt wurde, nicht aber vom Gegner (RIS Justiz RS0041952).

Soweit sich die – im Exekutionsverfahren gegen ihren Bestandgeber – nicht beteiligte Beklagte auf die Unwirksamkeit der die Zwangsverwaltung begründenden Zustellungen an ihn infolge dessen fehlender Prozessfähigkeit beruft, geht dies ins Leere.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00089.16P.0615.000