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OGH 22.04.2002, 4Ob90/02t

OGH 22.04.2002, 4Ob90/02t

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie, *****, vertreten durch Prader & Plaz OEG, RechtsanwältInnen in Wien, wider die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert im Povisorialverfahren 36.336,42 EUR), über den Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 251/01p-17, mit dem der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom , GZ 1 Cg 33/01h-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.754,82 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 292,47 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs mit der Begründung zugelassen, dass zur Auslegung des § 349 ASVG in Bezug auf die Zulässigkeit weiterer privatrechtlicher Verträge keine Rechtsprechung bestehe. Von dieser Bestimmung hängt die Entscheidung jedoch nur insoweit ab, als zu prüfen ist, ob die Auffassung der Beklagten, die "Vereinslösungen" - das ist der Abschluss von Verträgen zwischen Sozialversicherungsträgern und Vereinen, die durch ihre Mitglieder psychotherapeutische Leistungen erbringen - seien mit § 349 ASVG vereinbar, mit guten Gründen vertretbar ist. Der Kläger kann seinen Unterlassungsanspruch nämlich nicht unmittelbar auf § 349 ASVG stützen. Er macht geltend, dass die Beklagte mit dem behaupteten Gesetzesverstoß sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handle. Nach ständiger Rechtsprechung bildet aber eine Gesetzesverletzung nur dann einen Verstoß gegen § 1 UWG, wenn sie subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem gesetzwidrig Handelnden einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Ist bei unterschiedlicher Auslegung der - nach der Behauptung des Klägers - verletzten Vorschrift die Auffassung des Beklagten über ihre Bedeutung durch das Gesetz so weit gedeckt, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann, dann liegt keine sittenwidrige Wettbewerbshandlung vor (4 Ob 137/93 = ÖBl 1994, 17 mwN; 4 Ob 43/01d = ÖBl 2001, 260 - Senior aktuell uva).

Die Beklagte stimmt mit dem Kläger darin überein, dass gemäß § 349 Abs 2 ASVG insoweit ein Typenzwang besteht, als die Beziehungen zu den freiberuflich tätigen Psychotherapeuten ausschließlich durch Gesamtvertrag oder durch Einzelverträge geregelt werden können. Sie beruft sich aber darauf, dass die "Vereinslösungen" durch § 349 Abs 3 ASVG gedeckt seien. Nach dieser Bestimmung können die Beziehungen zwischen den Sozialversicherungsträgern und anderen Vertragspartnern als Ärzten, Gruppenpraxen, Dentisten, Apothekern, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen bzw freiberuflich tätigen Psychotherapeuten und Krankenanstalten durch Gesamtverträge geregelt werden. Nach Auffassung der Beklagten kommt es für die Feststellung, ob es sich um einen "anderen Vertragspartner" im Sinne dieser Bestimmung handelt, auf die Rechts- bzw Organisationsform des jeweiligen Vertragspartners an. Ein mit einem Verein - und damit nicht mit den in § 349 Abs 3 ASVG erwähnten "freiberuflich tätigen Psychotherapeuten" - geschlossener Gesamtvertrag sei mit einem "anderen Vertragspartner" im Sinne dieser Bestimmung geschlossen. Die Beklagte verweist dazu auf ein Schreiben der Aufsichtsbehörde, wonach es den Krankenversicherungsträgern bei Scheitern der Bemühungen um einen Gesamtvertrag im Rahmen des allgemeinen Sicherstellungsauftrags überlassen sei, mit Mitteln des Privatrechts den unerwünschten vertragslosen Zustand zu beseitigen. Die Aufsichtsbehörde habe sich auf die Lehrmeinung von Selb (in Tomandl, System des Österreichischen Sozialversicherungsrechts 612) berufen.

Dem Argument des Klägers, die "Vereinslösung" stehe im Widerspruch zu § 135 Abs 1 Z 3 ASVG, wonach eine psychotherapeutische Behandlung durch Personen erbracht wird, die gemäß § 11 des Psychotherapiegesetzes zur selbstständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sind, hält die Beklagte entgegen, dass § 135 Abs 1 Z 3 ASVG im Zusammenhang mit § 135 Abs 1 Satz 1 ASVG zu lesen sei. Danach wird die ärztliche Hilfe (ua) durch Vertragseinrichtungen der Versicherungsträger erbracht. Darunter sind nach Auffassung der Beklagten alle jene Einrichtungen zu verstehen, die einem Versicherten auf Grund vertraglicher Abmachung zwischen dem Träger der Einrichtung und Krankenversicherung zur Verfügung stehen, so dass davon auch in einem Vertragsverhältnis stehende Vereine umfasst werden. Die Beklagte macht damit geltend, dass die von den Vereinen beschafften Psychotherapieleistungen aufgrund des zwischen den Vereinen und dem Sozialversicherungsverträger geschlossenen Vertrags und damit von einer Vertragseinrichtung des Versicherungsträgers erbracht werden.

Der Beklagten gelingt es damit, gute Gründe für ihre Rechtsauffassung darzulegen. Diese Gründe schließen es jedenfalls aus, der Beklagten sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG vorzuwerfen, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die Rechtsauffassung der Beklagten auch tatsächlich zutrifft. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Einwendungen der Beklagten gegen die Aktivlegitimation des Klägers berechtigt sind.

Der Revisionsrekurs war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Da die Beklagte der Sache nach in der Rechtsmittelbeantwortung, den Zurückweisungsgrund geltend gemacht hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00090.02T.0422.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAD-69434