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OGH vom 19.02.1986, 3Ob625/85

OGH vom 19.02.1986, 3Ob625/85

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Vormundschaftssache für Anna Petra N***, geb. , Angestellte, 1020 Wien, Vereinsgasse 37/2, infolge Revisionsrekurses des ehemaligen Vormundes Ing. Ernst N***, Pensionist, 1030 Wien,

Uchatiusgasse 4/7a, vertreten durch Dr. Heinz Barazon, Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwälte in Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom , GZ. 43 R 418/85-56, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ. 6 P 47/83-46, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekurses hat der Rechtsmittelwerber selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Für die am außer der Ehe geborene Anna Petra N*** war zunächst das Bezirksjugendamt für den 2. Bezirk in Wien gesetzlicher Amtsvormund. Über Antrag ihres Onkels Ing. Ernst N*** (oft auch "N***") wurde dieser mit Beschluß vom (ON 2) zum Vormund bestellt. Das Bezirksjugendamt für den 2. Bezirk in Wien wurde jedoch in der Folge einerseits zum besonderen Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche (Beschluß vom ON 9) und andererseits zum Kurator zur Verwaltung des in der Stadthauptkasse für Anna Petra N*** verwahrten Vermögens (Beschluß vom ON 25) bestellt.

Bei diesem Vermögen handelte es sich um Sparbücher und Wertgegenstände, die Anna N***, die Großmutter der Anna Petra N***, zu deren Gunsten am beim seinerzeitigen Amtsvormund hinterlegt hatte (Bericht ON 24).

Am langte ein "Bericht" des Vormundes Ing. Ernst N*** vom ein, in dem dieser dem Vormundschaftsgericht unter Hinweis auf die bevorstehende Volljährigkeit der Anna Petra N*** zur Kenntnis brachte, daß er sich nach dem Tode seiner Mutter Anna N*** am darum bemüht habe, seiner Nichte Anna Petra N*** das Eintrittsrecht an der ehemaligen Wohnung ihrer Großmutter in 1020 Wien, Vereinsgasse 37/2, zu sichern. Da er sich in den Jahren 1980, 1981 krankheitshalber nicht um diese Wohnung kümmern habe können, habe es sein Bruder Gottfried N*** verstanden, seitens der Hausverwaltung als Eintrittsberechtigter anerkannt zu werden. Er habe daher einerseits mit seinem Bruder und andererseits mit der Hausverwaltung verhandeln und auch Prozesse führen müssen, die zum Abschluß folgender gerichtlicher Vergleiche geführt hätten:

1. Zu 41 C 408 bzw. 472/83 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien habe sich Gottfried N*** gegenüber dem Hauseigentümer verpflichtet, die Wohnung bis zu räumen.

2. Zu 41 C 820/83 desselben Gerichtes habe sich der Vormund verpflichtet, dem Gottfried N*** als Pauschalersatz für von diesem geleistete Mieten von Jänner 1981 - November 1982 den Betrag von

S 47.000,-- zu ersetzen.

3. Zu 41 C 608/83 desselben Gerichtes habe sich der Hauseigentümer gegenüber der Verlassenschaft nach Anna N*** verpflichtet, das Hauptmiet- bzw. Eintrittsrecht der Anna Petra N*** anzuerkennen, und diese habe sich verpflichtet, die Hauseigentümerin aus allen Ansprüchen insbesondere Gottfried N*** gegenüber schadlos zu halten. Der Vormund habe sich verpflichtet, die mit S 14.128,22 verglichenen Kosten zu ersetzen. Diese zuletzt genannten Kosten seien dann vom Vertreter wegen Erbringung nachträglicher Leistungen auf S 24.090,20 erhöht worden. Weiters habe der Vormund seinem eigenen Rechtsfreund Kosten von insgesamt S 66.171,80 und S 6.258,20 ersetzen müssen. Der Vormund beantragte

1. ihn mangels zu verwaltenden Vermögens von der Legung einer Schlußrechnung zu befreien,

2. den zu 41 C 608/83 geschlossenen Vergleich hinsichtlich der minderjährigen Anna Petra N*** pflegschaftsbehördlich zu genehmigen,

3. dem Vormund als Ersatz finanzieller Aufwendungen den Betrag von S 143.520,80 zuzuerkennen und den Vermögenskurator anzuweisen, aus dem verwahrten Vermögen diesen Betrag an den Vormund auszufolgen,

4. die Vormundschaft wegen Erreichung der Volljährigkeit am für beendet zu erklären.

Am langte beim Erstgericht ein Schriftsatz der Anna Petra N*** ein, in dem sie sich gegen jeden Aufwandersatz aussprach.

Auch der Vermögenskurator sprach sich gegen den Antrag des Vormundes aus.

Mit Eingabe vom , eingelangt am , reduzierte der Vormund den begehrten Betrag an Aufwandersatz auf 124.230,65 S und präzisierte seine Anträge dahin, daß er


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1.
wie bisher Befreiung von der Schlußrechnung
2.
wie bisher Genehmigung des Vergleiches 41 C 608/83 und 3. Zuerkennung eines Aufwandersatzes von S 124.230,65
beantragte. Ferner möge
4.
der Anna Petra N*** aufgetragen werden, diesen Betrag an den Vormund zu zahlen, allenfalls
5.
das Bezirksjugendamt angewiesen werden, die Auszahlung vorzunehmen, und
6.
die Vormundschaft für beendet erklärt werden.
Am teilte das Bezirksjugendamt für den
2. Bezirk in Wien mit, daß der Anna Petra N*** nach Erreichung der Volljährigkeit das beim Amt verwahrte Vermögen ausgefolgt worden sei. Das Erstgericht gab mit Beschluß vom den in der Ergänzungseingabe des Vormundes angeführten Anträgen 1, 2, 3, 4 (3 und 4 vom Erstgericht zusammengezogen zu Pkt. 3) und 6 (beim Erstgericht Pkt. 5) statt. Den zu 5 (beim Erstgericht Pkt 4.) gestellten Antrag wies es zurück.
Das Erstgericht war der Auffassung, daß der Vergleichsabschluß im Interesse der damals noch minderjährigen Anna Petra N*** gelegen sei, dem Vormund gebühre daher auch der begehrte Aufwandersatz. Infolge Rekurses der Anna Petra N*** änderte das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluß dahin ab, daß auch die Anträge des Vormundes zu 2, 3 und 4 bzw. in der Diktion des Beschlusses des Erstgerichtes zu Pkt. 2 und 3 zurückgewiesen wurden. Das Gericht zweiter Instanz war der Ansicht, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weder über die Genehmigung eines gerichtlichen Vergleiches noch über die Verpflichtung zum Ersatz eines Aufwandes des Vormundes abgesprochen werden könne. Wegen der Höhe des begehrten Aufwandersatzes könnten im übrigen Grund und Höhe nur nach einer eingehenden und sorgfältigen Prüfung der Forderungen festgestellt werden.
Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs des ehemaligen Vormundes mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, oder ihn aufzuheben.
Der Vormund verweist vor allem darauf, daß im Rahmen der Genehmigung des Schlußberichtes, der immer erst nach Eintritt der Volljährigkeit erstattet werden könne, auch über noch zur Zeit der Minderjährigkeit abgeschlossene Vergleiche und über einen Aufwandersatz des Vormundes zu entscheiden sei. Da der Antrag noch vor Eintritt der Volljährigkeit gestellt worden sei, müsse noch das Vormundschaftsgericht entscheiden, da es hier nicht auf den Zufall des Datums der Entscheidung ankommen könne.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 251 ABGB erlischt die Vormundschaft mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Minderjährigen ipso iure (Wentzel-Piegler in Klang 2 I/2 456). Nach Erreichung der Volljährigkeit hat daher das Vormundschaftsgericht keine vormundschaftsbehördliche Maßnahme mehr zu treffen und ist insbesondere nicht mehr berufen, einen noch vom Vormund abgeschlossenen Vertrag (Vergleich) zu genehmigen, weil es von diesem Zeitpunkt an ausschließlich Sache des Volljährigen selbst ist, selbst den Zustand schwebender Unwirksamkeit zu beenden (EvBl. 1971/106, EFSlg. 22.449 ua.).

Es ist richtig, daß nach ständiger Rechtsprechung über Unterhaltsfestsetzungs- oder -erhöhungsanträge, die noch während der Zeit der Minderjährigkeit gestellt wurden, auch dann noch vom zuständigen Pflegschafts- oder Vormundschaftsgericht zu entscheiden ist, wenn inzwischen die Volljährigkeit eintritt (EvBl. 1975/143, ÖA 1981, 49, JBl. 1985, 163, ÖRZ 1985/26). Diese das Verfahren betreffende, auf § 29 JN basierende Rechtsprechung kann aber nicht auf einen vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Antrag auf Genehmigung eines Rechtsgeschäftes ausgedehnt werden. Bei Unterhaltsfestsetzungen geht es einerseits darum, daß nicht ein vom Antragstag als anspruchsbegründender Tatsache abhängiges Unterhaltsfestsetzungsverfahren zum Nachteil des Minderjährigen zunichte gemacht werden soll, und zum anderen handelt es sich gar nicht um eine echte pflegschafts- oder vormundschaftsbehördliche Tätigkeit, sondern um eine bloße Zuständigkeit des Außerstreitrichters statt des Prozeßrichters, so daß die Bestimmung des § 29 JN zum Tragen kommt. Hier aber geht es nur darum, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages noch nicht vorhandene volle Geschäftsfähigkeit zu ersetzen. In diesem Sinne statt des Minderjährigen noch durch das Gericht zu entscheiden, obwohl schon der Minderjährige selbst entscheiden kann, ist unvertretbar und mit Zweck des Gesetzes nicht vereinbar (vgl. etwa Bestimmungen wie § 188 Abs. 1, 215 Abs. 1, 215 Abs. 3, 216, 217 Abs. 1 AußStrG). Das Gericht zweiter Instanz hat damit mit Recht den Antrag auf Genehmigung eines gerichtlichen Vergleiches zurückgewiesen. Was die Forderung des Vormundes auf Ersatz seiner Aufwendungen anlangt, so muß vorausgeschickt werden, daß der Vormund im vorliegenden Fall kein Vermögen der Minderjährigen im eigentlichen Sinne zu verwalten hatte, weil dies dem Bezirksjugendamt oblag. Er war daher weder zur jährlichen Rechnungslegung im Sinne der §§ 150 Abs. 1, 238 ABGB noch zur Schlußrechnung im Sinne der §§ 262 ABGB, 215 Abs. 1 AußStrG verpflichtet, wovon der Vormund übrigens auch selbst ausgeht. Nur wenn die geltend gemachten Aufwendungen im Rahmen einer solchen Vermögensverwaltung im engeren Sinn angefallen wären und der Vormund sie aus dem Mündelvermögen entnehmen hätte können, wäre auch noch nach eingetretener Volljährigkeit Raum für eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes im Rahmen der Genehmigung der Schlußrechnung gewesen.

Hat hingegen der Vormund mangels eines ihm zur Verwaltung anvertrauten Vermögens des Minderjährigen aus seinem eigenen Vermögen Auslagen im Interesse des Minderjährigen getätigt, so muß der Vormund für solche Aufwendungen nach überwiegender Rechtsauffassung selbst dann den Rechtsweg beschreiten, wenn die Tätigkeit mit Ermächtigung des Vormundschaftsgerichtes entfaltet wurde. Dem Vormundschaftsgericht obliegt nämlich in diesem Fall bezüglich eines dann durchaus begründeten Ersatzanspruches des Vormundes gegen sein Mündel nicht die Schaffung eines Exekutionstitels (Wentzel-Piegler in Klang 2 I/2 492, 493 oder bei MGA 32 E. 6 zu § 266 ABGB angeführten Entscheidungen von Gerichten zweiter Intanz, a.A. allerdings Pichler in Rummel Rz 4 zu §§ 266, 267 ABGB). Sicher muß dies aber für den Fall gelten, da der Vormund aus eigenem ohne Ermächtigung durch das Vormundschaftsgericht Aufwendungen machte, also - wie hier ganz eindeutig! - als Geschäftsführer ohne Auftrag handelte. Solche Ansprüche können keinesfalls im Rahmen des Festsetzung einer Entlohnung nach § 266 ABGB zuerkannt werden. Vielmehr muß der Vormund hier ausnahmslos den Rechtsweg beschreiten (Wentzel-Piegler ebendort, Entscheidungen wie SZ 25/270 und EFSlg. 15.531, diesbezüglich nicht gegenteilig auch EvBl. 1962/180, wo anders als im vorliegenden Fall immerhin von einer zumindest stillschweigend erteilten gerichtlichen Ermächtigung ausgegangen wurde). Der Vormund wurde ja hier nicht im Auftrage des Gerichtes tätig und es bedarf im einzelnen immer einer genauen Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 1037 ABGB vorliegen, was grundsätzlich nur im Rahmen eines Rechtsstreites geklärt werden kann. Das Gericht zweiter Instanz hat daher den Vormund mit Recht auch bezüglich der geltend gemachten Aufwendungen auf den Rechtsweg verwiesen und seinen Antrag auf Schaffung eines Exekutionstitels durch das Vormundschaftsgericht zurückgewiesen. Dies hätte schon geschehen müssen, wenn der Antrag des Vormundes z.B. lange vor Eintritt der Volljährigkeit gestellt worden wäre, muß aber umso mehr gelten, wenn sich der Vormund im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes ohnedies schon mit der jetzt volljährig gewordenen Anna Petra N*** selbst auseinandersetzen kann. Das Argument des Revisionsrekurswerbers, er habe den fraglichen Anspruch nicht früher geltend machen können, hat nichts mit der Frage zu tun, ob darüber der Außerstreitrichter oder der Prozeßrichter zu entscheiden hat. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.