OGH vom 09.01.1990, 4Ob9/90
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann E*** Gesellschaft mbH, Hotelunternehmen, Lassing 55, vertreten durch DDr. Peter Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*** P***, Druck- und Verlagsgesellschaft
mbH, St. Pölten, Gutenbergstraße 12, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 267.000 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 139/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom , GZ 1 Cg 386/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
In der "Erlauftalzeitung" vom (Woche 6/86), deren Verleger die Beklagte ist, erschien auf Seite 4 nachstehender Artikel über den Hotelier Johann E***:
"Kellnerin war nicht angemeldet - nach Unfall: Hotelier zahlt nicht
...... Seit 1973 arbeitet Frieda L*** im Hotel E*** als Kellnerin. Es waren zwar einige Unterbrechungen dazwischen, trotzdem wurde seitens der Besitzer des Alpenhotels immer wieder auf die bewährte Kraft zurückgegriffen, wenn Not am Mann war. Auch in der Wintersaison 79/80 betreute Frieda L*** die Hotelbar und das oft bis in die frühen Morgenstunden.
Am sollte es zu einem bedauerlichen Unfall kommen, der der Kellnerin neben Nerven auch noch viel Geld kosten sollte. Denn als sie in den Morgenstunden das Hotel verlassen wollte, rutsche die Frau auf dem eisigen Vorbau aus, und schon war es passiert, der Fuß war gebrochen. Mit der Rettung transportierte man die Verunglückte in das Krankenhaus Amstetten, wo das Bein ärztlich versorgt wurde. Aber auch noch weitere Operationen im Unfall-Krankenhaus St. Pölten waren notwendig und dadurch ein längerer Arbeitsunfall die Folge. Als es aber ans Zahlen ging, stellte sich heraus, daß der Hotelier Johann E*** seine Angestellte nicht bei der Sozial- und Krankenversicherung angemeldet hatte. Damit sollte für die Kellnerin ein Leidensweg beginnen, der sie an den Rand ihrer Nervenkraft brachte. Eine private Unfallversicherung der Barkraft übernahm die Spitalskosten, denn auch die Haftpflichtversicherung des Hotels weigerte sich, zu zahlen, da die Prämie noch offen war. Die Folge des ganzen Vorfalls war, daß auch der Kadi damit befaßt wurde, und dieser verdonnerte Johann E*** zur Schadenersatzleistung. In einem nachträglichen Vergleich sagte der Hotelbesitzer zu, eine Summe von 360.000 S innerhalb von 14 Tagen an seine Kellnerin zu bezahlen. Jedoch das Geld traf nie ein, so daß eben die Exekution eingeleitet werden mußte. Zwar wurde Schmuck etc. aufgeschrieben, aber zu einer echten Versteigerung kam es nie. Der clevere Hotelier fand immer Möglichkeiten, derartige Amtshandlungen zu vereiteln. Inzwischen wurde der Betrieb zu einer Ges.m.b.H. umfunktioniert, um so dem Arm des Gesetzes zu entgehen. Auch bei der Holzschlägerungsfirma, die E*** in der Bundesrepublik Deutschland betreibt, war nichts zu holen.
Auf der Strecke bleibt eine kleine Angestellte, die einfach nicht die Mittel und Möglichkeiten hat, für ihr Recht zu kämpfen, und die nun 1984 als Sennerin auf einer Alm arbeitete, damit sie ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. Jedoch nach einem neuerlichen Unfall ist Frieda L*** im Krankenstand und wird kaum mehr arbeitsfähig werden.
Mit 85 Schilling täglich Krankengeld, ihr letzter Verdienst war dementsprechend nieder, muß die Frau ihr Auslangen finden, und sie hofft, daß sie mit Hilfe des Gerichtes zu ihrem Geld kommen wird, denn es wird doch möglich sein, auf dem Rechtsweg derartigen Manipulationen, die hier offensichtlich seitens des Hotelinhabers vorliegen, einen Riegel vorzuschieben, damit auch die 'kleine' Kellnerin zu ihrem Recht kommt."
Die Klägerin behauptet, daß Johann E*** das im obigen Artikel erwähnte Hotel bis als Einzelunternehmen geführt und dann in eine Gesellschaft m.b.H. - die nunmehrige
Klägerin - umgewandelt habe. Die in dem Zeitungsbericht gegen Johann E*** erhobenen Vorwürfe seien in wesentlichen Teilen unwahr. Die Beklagte, welche der Klägerin nicht einmal die Möglichkeit geboten habe, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, hätte die Unwahrheit der verbreiteten Tatsachen kennen müssen. Der Klägerin sei aus der Verbreitung dieser Tatsachen ein Schaden von 267.000 S entstanden, weil ein deutsches Reiseunternehmen zwei bereits gebuchte Turnusse mit der Begründung storniert habe, mit der Klägerin wegen des Zeitungsartikels nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die von ihr verbreiteten Tatsachen richteten sich nicht gegen die Klägerin, sondern gegen Johann E*** persönlich; sie entsprächen auch der Wahrheit. Der Eintritt eines Schadens werde bestritten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß sich die in dem beanstandeten Artikel erhobenen Vorwürfe nur gegen Johann E*** selbst richten könnten, weil die Klägerin zur Zeit des Unfalls () noch gar nicht bestanden habe. Die Klägerin sei daher nicht berechtigt, Ersatzansprüche nach § 1330 ABGB geltend zu machen. Soweit ihr durch den Zeitungsbericht Schäden entstanden seien, handle es sich um unmittelbare Schäden, welche der Schädiger nicht zu ersetzen habe.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Gegenstand des beanstandeten Zeitungsberichtes sei nicht das Hotelunternehmen der Klägerin, sondern Johann E*** persönlich gewesen. In dem Artikel sei angeprangert worden, daß er eine Kellnerin, die in seinem Hotel einen Unfall erlitten hatte, durch Unterlassen der Anmeldung zur Sozialversicherung, Nichtzahlen von Versicherungsprämien und Ausnützen gesetzlicher Möglichkeiten in finanzielle Not gebracht habe. Auch der Vorwurf, daß das Einzelunternehmen in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt worden sei, um so "dem Arm des Gesetzes zu entgehen", richte sich gegen Johann E*** persönlich. Sei aber die Klägerin nicht Angriffsobjekt des beanstandeten Artikels, dann sei sie auch nicht berechtigt, gemäß § 1330 Abs 2 ABGB Schadenersatz zu fordern. Drittschäden seien nach dem Schadenersatzrecht des ABGB nicht zu ersetzen. Eine Anwendung des § 7 UWG komme wegen Fehlens eines Wettbewerbszwecks der erhobenen Vorwürfe nicht in Betracht. Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nach § 503 Abs 2 (§ 502 Abs 4 Z 1) ZPO; sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung von der Frage abhängt, ob die Anwendung des § 1330 Abs 2 ABGB voraussetzt, daß das durch unwahre Tatsachen in seiner Ehre beeinträchtigte Rechtssubjekt - das grundsätzlich nur eine physische Person sein kann (Leukauf-Steininger StGB2, 742, 768; vgl § 116 StGB) - mit dem dadurch in seinem wirtschaftlichen Ruf betroffenen Rechtssubjekt identisch sein muß. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit ersichtlich - in dieser Allgemeinheit (vgl an Einzelfällen ÖBl 1983, 142 und auch SZ 21/70) bisher nicht behandelt worden. Sie ist schon deshalb von erheblicher Bedeutung, weil für die moderne Wirtschaftsstruktur das Auseinanderfallen von Unternehmensführung und Unternehmenseigentum geradezu typisch ist, also häufig nur die Unternehmensführung in den Händen physischer Personen liegt, das Unternehmenseigentum aber bei juristischen Personen, die nicht in ihrer Ehre, sondern nur in ihrem wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigt werden können.
Die Revision ist auch berechtigt.
Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, ist er gemäß § 1330 Abs 1 ABGB berechtigt, den Ersatz zu fordern. Nach § 1330 Abs 2 gilt dies auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. Aus dieser Fassung des § 1330 ABGB könnte bei reiner Wortinterpretation der Schluß gezogen
werden, daß derjenige, dem "durch Ehrenbeleidigung ein ........
Schaden ....... verursacht worden ist" (§ 1330 Abs 1 ABGB), mit dem
"anderen" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB identisch sein muß; dagegen spricht aber schon, daß sich die Voraussetzungen für einen Vermögensschaden nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht auf eine bloße Verweisung auf § 1330 Abs 1 ABGB beschränken. Trotz der Überschrift des § 1330 ABGB "(Verletzungen) an der Ehre" ist es für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 1330 Abs 2 ABGB (ebenso wie nach § 7 UWG: ÖBl 1984, 102) nicht erforderlich, daß die verbreiteten Tatsachen ehrenrührig sind; es kommt ausschließlich darauf an, daß sie den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen (irgend) eines anderen gefährden. Das darf nicht eng verstanden werden; vielmehr fällt jede Gefährdung wirtschaftlich bedeutsamer Beziehungen oder Verhältnisse unter diese Bestimmung (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 174; Ehrenzweig2 II/1, 658; Wolff in Klang2 VI 162). Auch ist der - nunmehr als absolutes Recht verstandene - wirtschaftliche Ruf (Koziol-Welser8 I 76; EvBl 1983/91; SZ 56/124 = EvBl 1984/60 = ÖBl 1984, 18; MR 1988, 194) nicht mit der persönlichen Ehre identisch; mit ihr hat er gemeinsam, daß er von der Meinung anderer abhängt und ihm daher durch falsche
Informationen Gefahren drohen (SZ 56/124 = EvBl 1984/60
= ÖBl 1984, 18).
Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich, daß ein und dieselbe Handlung zwar gleichzeitig Ehrenbeleidigung (einer physischen Person) und Rufschädigung sein kann, dies aber nicht sein muß (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1, 6 und 17 zu § 1330); die Beeinträchtigung der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes kann dann aber gegebenenfalls auch bei verschiedenen Rechtssubjektiven eintreten. Vor allem bei der Verbeitung unwahrer Tatsachenbehauptungen über physische Personen, die Geschäftsführer einer juristischen Person sind oder sonst auf diese einen maßgeblichen Einfluß haben, kann die Beeinträchtigung der Ehre der physischen Person auch eine Gefährdung des wirtschaftlichen Rufes des rechtlich von dieser selbständigen Unternehmens nach sich ziehen und bei diesem einen Vermögensschaden hervorrufen; das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die über die physische Person verbreiteten Tatsachen mit dem Betrieb des Unternehmens in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen und daher auch auf das Unternehmen selbst bezogen werden können (vgl. ÖBl 1983, 142). Sind die kreditschädigenden Tatsachen öffentlich verbreitet worden, dann kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob sie auch den wirtschaftlichen Ruf des Unternehmens gefährden, darauf an, wie die Äußerungen vom Publikum verstanden werden konnten. Im vorliegenden Fall waren zwar die Vorwürfe gegen Johann E*** persönlich gerichtet; sie betrafen ihn aber deutlich als "Hotelier" ("Hotelinhaber") und als "Besitzer des Alpenhotels". Auch wenn der Betrieb dieses Hotels - wie im Artikel berichtet - "inzwischen zu einer Ges.m.b.H. umfunktioniert" wurde, wird das Publikum zwischen dem angegriffenen "Hotelier" und dem rechtlichen Unternehmensträger nicht unterscheiden, zumal dieser die Firma "Johann E*** Ges.m.b.H." führt; die durch den Artikel hervorgerufene negative Meinung über den "Hotelier" wird sich vielmehr auf das gleichnamige Unternehmen übertragen.
Da Schutzobjekt des § 1330 ABGB der wirtschaftliche Ruf (und das Vermögen) auch eines Unternehmens ist, konnte von dem behaupteten rechtswidrigen Verhalten der Beklagten auch das klagende Unternehmen unmittelbar berührt sein; von einem "mittelbaren" Schaden, der nur auf eine Interessensphäre eingewirkt hätte, die nicht durch das Verbot des Anrgiffs geschützt ist (vgl Reischauer aaO Rz 9 zu § 1295; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 151; JBl 1966, 86; SZ 44/39 ua) kann daher keine Rede sein. Das folgt hier schon aus der einfachen Überlegung, daß - folgt man den Klagebehauptungen - derselbe Schaden auch ohne die Gründung der GmbH bei Johann E*** eingetreten wäre. Die Rechtslage ist nicht anders als bei einer Schadensverlagerung, von der hier allerdings wegen der Zeitabfolge - das schadensstiftende Ereignis ist erst am und damit nach der Gründung der GmbH () eingetreten - nicht im strengen Wortsinn gesprochen werden kann.
Da zu den Rechtsbeziehungen zwischen der klagenden Ges.m.b.H. und Johann E***, zur Wahrheit der beanstandeten Behauptungen, zum Verschulden der Beklagten und zum Eintritt eines Schadens keine Feststellungen getroffen worden sind, ist die Rechtssache nicht spruchreif; da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, ist auch das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Streitsache an diese zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.