OGH 20.04.2016, 5Ob53/16d
Rechtssatz
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Normen | |
RS0130920 | Ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot, das in einem echten Vertrag zugunsten Dritter vereinbart wurde, kann ohne in grundbuchsfähiger Form vorliegende Annahmeerklärung des Begünstigten einverleibt werden. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Alexandra R*****, vertreten durch Dr. Christian Schoiber, öffentlicher Notar in Salzburg, wegen Eintragung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots, infolge des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , AZ 53 R 298/15b, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , TZ 5335/2015, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Seit der Entscheidung 5 Ob 38/13v vom ist es ständige Rechtsprechung des Fachsenats des Obersten Gerichtshofs für Grundbuchsachen, dass gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 Rechtsanwälte und Notare - nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten - zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr auch im Grundbuchverfahren verpflichtet sind (RIS-Justiz RS0128921). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll - als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) - zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (RIS-Justiz RS0128266).
2. Der Antragstellervertreter, ein Notar, hat den ordentlichen Revisionsrekurs zur Post gegeben. Die Akten sind daher dem Erstgericht zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zurückstellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin A***** R*****, vertreten durch Dr. Christian Schoiber, öffentlicher Notar in Salzburg, wegen Eintragung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , AZ 53 R 298/15b, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , TZ 5335/2015, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass der Beschluss lautet:
„Urkunden
1 Schenkungsvertrag (Genehmigung Grundverkehr) vom
2 Geburtsurkunde vom
Bewilligt wird
1 in EZ ***** KG *****
Einverleibung Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß § 364 c) ABGB, sowie dessen Ersichtlichmachung im B-Blatt
für M***** R*****, geb. *****“
Verständigt werden:
1. A***** R*****
2. Dr. C***** S*****
3. M***** R*****
4. M***** R*****“.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist aufgrund des mit ihrem Vater als Notariatsakt geschlossenen Schenkungsvertrags vom Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG *****. In diesem Schenkungsvertrag räumte die beschenkte Antragstellerin nicht nur ihrem Vater, sondern über dessen ausdrückliches Ersuchen auch ihrer Mutter, die nicht Vertragspartei war, ein Veräußerungs- und Belastungsverbot gemäß § 364c ABGB ein. Der Vertrag enthält eine entsprechende Aufsandungserklärung.
Die Antragstellerin begehrte die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbots zugunsten ihrer Mutter. Vorgelegt wurden der Schenkungsvertrag sowie die das Verwandtschaftsverhältnis dokumentierende Geburtsurkunde der Antragstellerin vom .
Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot sei durch Vertrag zugunsten Dritter eingeräumt worden. Ein solcher Vertrag sei entgegen der bisherigen Praxis und der bisherigen Lehre und Judikatur nicht verbücherbar. Lehre und Praxis seien davon ausgegangen, dass der Dritte ein Zurückweisungsrecht innerhalb der Rekursfrist habe. Diese Zurückweisung sei jedoch nach § 122 Abs 2 GBG eine unzulässige Neuerung. Der Erwerb des dinglichen Rechts bedürfe der Zustimmung des in einem Vertrag zugunsten Dritter Berechtigten. Diese Zustimmung könne zwar auch konkludent erteilt werden. Gerade bei Rechtsgeschäften in Bezug auf Liegenschaften sei jedoch bei solchen Erklärungen Vorsicht geboten. Rechte, die aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter im Grundbuch dennoch verbüchert würden, seien durch eine Anfechtung mittels Löschungsklage gefährdet, im Konkursfall des Eigentümers durch den Masseverwalter.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. In der rechtlichen Beurteilung verwies es auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, nach der bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter der Begünstigte auf sein Zurückweisungsrecht nach § 882 ABGB beschränkt und damit weder Partei des Titelgeschäfts im Sinn des § 26 GBG noch Partei im Sinn des § 31 Abs 1 GBG sei. Es schloss sich entgegen dieser Rechtsprechung und einem Teil der Lehre jener im Schrifttum vertretenen Meinung an, die bei dinglichen Rechtsgeschäften eine Analogie zu §§ 881 f ABGB wegen ihrer Besonderheit ablehne. Es überzeuge vor allem das Argument, das Zurückweisungsrecht des Dritten sei mit Rechtsklarheit im Sachen-, insbesondere Grundbuchsrecht unvereinbar. Der Dritte könne sein Zurückweisungsrecht bei Eintragung eines Vorkaufsrechts oder einer Dienstbarkeit letztlich nur dadurch geltend machen, dass er in grundbuchstauglicher Form einer Löschung des ohne seinen Willen eingetragenen Rechts zustimme, oder dies allenfalls sogar über den Liegenschaftseigentümer im Klagswege erzwinge. Ein Belastungs- und Veräußerungsverbot, wie es hier im Schenkungsvertrag zugunsten der Mutter der Beschenkten vereinbart worden sei, sei kein dingliches Vollrecht, sondern ein obligatorisches Recht mit dinglicher Wirkung, in Wahrheit eine Verfügungsbeschränkung des Eigentümers. Es sei aufgrund dieses Charakters eines derartigen Rechts daher zu fragen, ob insoweit überhaupt der Abschluss eines echten Vertrags zugunsten Dritter in Betracht komme. Enthalte der Vertrag keinen Rechtsgrund für die Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots, so könne nicht gesagt werden, dieses begünstige als obligatorisches Rechtsverhältnis überwiegend den Dritten. Schon nach der Art dieses Rechts habe der Dritte auch keine Möglichkeit, im Sinn des § 881 Abs 2 ABGB Erfüllung zu fordern. Damit käme nur eine analoge Anwendung der §§ 881 f ABGB in Betracht, die aus grundbuchsrechtlichen Gesichtspunkten aber gerade daran scheitern müsse, dass ein bereits eingetragenes Recht nicht schon dadurch im Sinn des § 882 Abs 1 ABGB erlösche, dass der Dritte es nachträglich zurückweise. Gerade bei Belastungs- und Veräußerungsverboten wäre sonst Missbrauch Tür und Tor geöffnet, zumal dann, wenn für die Einräumung kein Rechtsgrund gefordert werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.
1. Nach jüngerer Rechtsprechung und überwiegender Lehre muss die ein Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364c ABGB einräumende Grundbuchsurkunde keinen Rechtsgrund im Sinn des § 26 Abs 2 GBG oder ein Motiv enthalten (5 Ob 20/90 = SZ 63/84 = NZ 1991, 107 [zust Hofmeister]; 5 Ob 128/10z, 5 Ob 100/11h; RIS-Justiz RS0010804; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3, § 364c ABGB Rz 46 mwN; Oberhammer in Schwimann,4, § 364c ABGB Rz 7; Hagleitner in Kodek Grundbuchsrecht § 26 GBG Rz 6; Rassi Grundbuchsrecht2 Rz 135; aASpielbüchler in Rummel3 § 364c ABGB Rz 2; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 364c Rz 3).
2. Das Rekursgericht folgert aus dem Charakter eines Veräußerungs- und Belastungsverbots, dass dessen Einräumung durch Vertrag zugunsten Dritter im Sinn des § 881 ABGB nicht in Betracht komme. Wenn ein Vertrag keinen Rechtsgrund enthalte, so könne auch nicht gesagt werden, das Verbot begünstige als obligatorisches Rechtsverhältnis überwiegend den Dritten. Dieser habe auch keine Möglichkeit, im Sinn des § 881 Abs 2 ABGB Erfüllung zu fordern. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung nicht.
3. Ein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt vor, wenn aufgrund einer Vereinbarung ein an dieser nicht beteiligter Dritter nicht nur Leistungsempfänger – in diesem Fall liegt ein sogenannter unechter Vertrag zugunsten Dritter vor –, sondern Forderungsberechtigter sein soll (RIS-Justiz RS0017149; Riedler in Schwimann ABGB4 § 882 Rz 1 mwN; P. Bydlinski in KBB4 § 881 Rz 1 f). Ob ein Forderungsrecht des Dritten entsteht, ist zufolge § 881 Abs 2 Satz 1 ABGB aus der Vereinbarung und nach Natur und Zweck des Vertrags zu beurteilen. Nach der Zweifelsregelung des § 881 Abs 2 Satz 1 ABGB liegt ein echter Vertrag zugunsten Dritter dann vor, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereichen soll (RIS-Justiz RS0017145; P. Bydlinski aaO Rz 3).
4. Durch die Vereinbarung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots zugunsten eines Dritten erwirbt dieser zwar nicht unmittelbar ein Recht auf eine Leistung im Sinn eines positiven Tuns des Liegenschaftseigentümers (Verbotsbelasteten), wie dies etwa bei der Belastung einer Liegenschaft mit der Haftung für in der Regel wiederkehrende und positive Leistungen im Sinn einer Reallast (RIS-Justiz RS0116184 [T3]) der Fall ist. Das Veräußerungs- und Belastungsverbot ist dennoch grundsätzlich ein obligatorisches Rechtsverhältnis, das zur Unterlassung einer Verfügung verpflichtet und dessen Übertretung nach allgemeinen Regeln schadenersatzpflichtig macht (RIS-Justiz RS0108057). Das Forderungsrecht des Berechtigten besteht also in einem Unterlassungsanspruch.
5. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 1 Ob 195/03p = SZ 2003/119 = RIS-Justiz RS0118166 = RS0118167 die Vereinbarung eines – im Zweifel ein Belastungsverbot umfassenden – Veräußerungsverbots im Scheidungsvergleich der Eltern zugunsten der gemeinsamen Kinder (um die Liegenschaft als Erbteil für diese zu erhalten) als echten Vertrag zugunsten Dritter angesehen.
6. Ein Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364c ABGB kann somit durch einen echten Vertrag zugunsten Dritter eingeräumt werden. Die Prüfung, ob ein solcher vorliegt, hat im Grundbuchsverfahren ausschließlich aufgrund der Titelurkunde zu erfolgen (Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht § 31 GBG Rz 35 mwN).
7. Die vorliegende Grundbuchsurkunde regelt Schenkungen im Familienkreis. Der Vater der Antragstellerin schenkte ihr und ihrer Schwester jeweils ein Grundstück. Beide Geschenknehmerinnen räumten – bezogen auf ihr Grundstück – nicht nur dem Geschenkgeber, sondern ihrer Mutter (Ehegattin des Geschenkgebers) ein grundbücherliches sicherzustellendes Veräußerungs- und Belastungsverbot im Sinn des § 364c ABGB ein. Das ausdrückliche „Verlangen“ nach einer Begünstigung auch der Mutter der Geschenknehmerinnen, die nicht Vertragspartei war, begründet kein, einen echten Vertrag zugunsten Dritter ausschließendes (RIS-Justiz RS0017145) Eigeninteresse der Vertragspartei. Das Veräußerungs- und Belastungsverbot begünstigt nämlich als höchstpersönliches Recht (RIS-Justiz RS0010805; RS0011974) die Mutter als zweite Verbotsberechtigte, die unabhängig von dem anderen Berechtigten (der Vertragspartei) eigene Rechte aus der Vereinbarung erwirbt.
8. Der begünstigte Dritte muss sich das Recht nicht aufdrängen lassen. Er kann den Rechtserwerb nach § 882 Abs 1 ABGB mit rückwirkender Kraft zurückweisen (P. Bydlinski aaO § 882 Rz 1 mwN). Aufgrund dieser Beschränkung des Begünstigten auf sein Zurückweisungsrecht ist er nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0110762) und wohl überwiegender Meinung im Schrifttum (Nachweis bei Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 881 Rz 7; weitere Nachweise aus der Lehre in 5 Ob 182/98w) weder Partei des Titelgeschäfts im Sinn des § 26 GBG noch Partei im Sinn des § 31 Abs 1 GBG, weshalb seine beglaubigte Unterschrift auf der Titelurkunde (einer Zustimmungs- und Annahmeerklärung) nicht notwendig ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits der Lehrmeinung Hofmeisters (zitiert in 5 Ob 182/98w sowie bei Weigand aaO) folgend klargestellt, dass nur mit echtem Vertrag zugunsten Dritter eingeräumte Rechte ohne in grundbuchsfähiger Form vorliegende Einwilligungserklärung des Begünstigten verbüchert werden dürfen (5 Ob 156/99y). Ein solcher Vertrag liegt hier vor.
9. Die Befürchtung des Rekursgerichts vor missbräuchlich mit Vertrag zugunsten Dritter eingeräumten Belastungs- und Veräußerungsverboten hat ihre Berechtigung. Solche Verbote könnten aber – im Zusammenhang mit der Verletzung von Gläubigerinteressen missbräuchlich – genauso nur zwischen den Parteien vereinbart werden.
10. Ein einverleibtes Vorkaufsrecht bildet grundsätzlich ein Eintragungshindernis: Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrecht an der betroffenen Liegenschaft nur bewilligen, wenn kein Vorkaufsfall vorliegt oder der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder der urkundliche Nachweis erbracht wird, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und dieser von seinem Recht nicht Gebrauch machte (RIS-Justiz RS0021839 [T5]). Eine ähnliche – um das Belastungsverbot erweiterte – Beschränkung der Verfügungsbefugnis eines Liegenschaftseigentümers bewirkt das im Grundbuch eingetragene Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364c ABGB, sofern es zwischen den im Satz 2 dieser Bestimmung genannten Personen vereinbart wurde. Der Oberste Gerichtshof hat die Verbücherung eines mit Vertrag zugunsten Dritter eingeräumten Vorkaufsrechts, das ohne Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis vereinbart werden kann, auch bereits zugelassen und dabei keine Bedenken im Sinn von Rechtsunsicherheit oder missbräuchlicher Verwendung dieses Rechtsinstituts geäußert (5 Ob 182/98w; vgl 4 Ob 506/91).
11. Ergebnis: Ein Veräußerungs- und Belastungsverbot, das in einem echten Vertrag zugunsten Dritter vereinbart wurde, kann ohne in grundbuchsfähiger Form vorliegende Annahmeerklärung des Begünstigten einverleibt werden. Das in § 364c Satz 2 ABGB geforderte Angehörigenverhältnis wurde durch Vorlage der Geburtsurkunde nachgewiesen. Das Grundbuchsgesuch ist somit zu bewilligen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00053.16D.0420.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAD-69283