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OGH vom 06.07.2011, 7Ob87/11m

OGH vom 06.07.2011, 7Ob87/11m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die beklagte Partei Z***** AG, D*****, vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, wegen insgesamt 21.433,08 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 5.850 EUR sA) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 278/09t 24, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 6 C 924/08p 20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird, soweit deren Zurückweisung nicht schon durch das Berufungsgericht erfolgte, mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 465,96 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin war bei der Beklagten für die Haftung aus Beförderungsverträgen gemäß den CMR Bestimmungen für den Straßentransport versichert (Verkehrshaftungsversicherung). Von der Deckungspflicht der Beklagten sind auch Aufwendungen für die Abwendung und Minderung des Schadens umfasst (Punkt 2.15. der Versicherungsbedingungen). Zu den zu ersetzenden Schäden gehören auch Ansprüche des Vertragspartners gegenüber dem Versicherungsnehmer wegen Schäden am Ladegut und wegen Lieferfristüberschreitungen. Der Versicherungsvertrag enthält eine Schriftformklausel (Punkt 15. der Versicherungsbedingungen).

Bei der Abwicklung von Schadensfällen kam es oft vor, dass die Beklagte aus Kulanz kleinere Schäden abdeckte, ohne die Voraussetzung ihrer Deckungspflicht zu prüfen, und dass sie bei Nachvollziehbarkeit der Berechtigung des Anspruchs auch die Überschreitung der Meldefrist nicht als Grund für ihre Leistungsfreiheit (Punkt 10.2.1. der Versicherungsbedingungen) heranzog. Eine schriftliche Vertragsänderung in diesem Sinn erfolgte nicht. Ein mündliches Abgehen vom Schriftlichkeitsgebot samt mündlicher Vertragsänderung im Sinn eines Wegfalls oder einer Verlängerung der Meldefrist gab es nicht. In sämtlichen streitgegenständlichen Schadensfällen wurde die Meldefrist von zwei Wochen erheblich überschritten. In keinem der Fälle wurden ausreichende Angaben zur Bearbeitung des Schadensfalles gemacht.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten Versicherungsdeckung für 18 verschiedene Schadensfälle, wovon nur mehr einer - über die Zahlung von 5.850 EUR sA - Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. 17 Schadenspositionen überschritten jeweils nicht 2.700 EUR. Hilfsweise erhob sie ein Feststellungsbegehren zur Deckungspflicht der Beklagten für die 18 Schadensfälle.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe die behaupteten Schadensfälle nicht substantiiert dargestellt, um ihr eine inhaltliche Prüfung der Leistungspflicht zu ermöglichen. Nicht versichert sei das „Eigeninteresse“ der Klägerin als Frachtführer, sondern nur die Haftung der Klägerin gegenüber Dritten aus Verkehrsverträgen. Dritten hätten aber keine Schäden gedroht; diese hätten auch keine Schäden erlitten. Die durchgeführten Maßnahmen stellten keine auf die Vermeidung eines versicherten Schadens gerichtete Rettungshandlungen im Sinn der §§ 62 f VersVG dar. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die getroffenen Maßnahmen tatsächlich der Schadensabwendung gedient hätten und bei Unterlassung dieser Maßnahmen überhaupt ein Schaden am Transportgut eingetreten wäre. Die Schadensmeldungen seien verspätet erfolgt. In der Vergangenheit habe sie gegenüber der Klägerin auf Grund der guten Geschäftsbeziehung immer wieder Kulanzleistungen erbracht, denen kein Rechtsanspruch der Klägerin zugrunde gelegen sei.

Das Erstgericht wies formal lediglich das Feststellungsbegehren (Eventualbegehren) ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es auch das primär gestellte Leistungsbegehren abwies. Kosten für eine „normale“ Bergung oder Sicherung seien ein Aufwand, der von der Klägerin grundsätzlich im eigenen Interesse gemacht worden sei, weil sie ohne diese Maßnahmen ihren vertraglichen Leistungspflichten nicht hätte nachkommen können und damit ihren Entgeltanspruch verloren hätte. Ohne diese Bergungs oder Sicherungsmaßnahmen wäre nicht nur zB eine Lieferfristüberschreitung eingetreten, sondern vielmehr die von der Klägerin ihrem Geschäftspartner vertraglich geschuldete Transportleistung überhaupt unmöglich gewesen. Der diesbezügliche Aufwand sei daher primär nicht aus der Vermeidung eines versicherten Schadens (zB einer Lieferfristüberschreitung) entstanden, sondern habe allenfalls zusätzlich auch einen derartigen Nebeneffekt gehabt. Aus den diversen Klauseln des Versicherungsvertrags ergebe sich keine ausdrückliche Versicherungsdeckung für „Sowieso“ Bergungs und Sicherungskosten. Die Klägerin hätte konkret darlegen müssen, inwiefern der von ihr gemachte Aufwand die „normalen“ oder „Sowieso“ Bergungs und Sicherungskosten überstiegen habe, und weswegen dies nur zur Vermeidung eines versicherten Schadens erforderlich gewesen sei. Derartiges Vorbringen habe die Klägerin nicht erstattet. Ein Deckungsanspruch der Klägerin bestehe daher unabhängig von der daher nicht weiter zu prüfenden Frage der verspäteten Schadensmeldung nicht.

Das Berufungsgericht erklärte nachträglich über Zulassungsantrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision zum Anspruch aus dem Schaden vom von 5.850 EUR sA für zulässig, weil zur Ersatzfähigkeit von Bergungs und Sicherungskosten bei einer Verkehrshaftungsversicherung keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Die die anderen Klagspositionen betreffende Revision wies es zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Die Klägerin rügte in der Berufung gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO die unterlassene Erledigung des Hauptbegehrens im Ersturteil.

Das Berufungsgericht holte dies mit einer „Maßgabebestätigung“ nach, weil sich aus den Entscheidungsgründen des Erstgerichts unzweifelhaft die gänzliche Abweisung der Klage ergebe und dies lediglich durch ein offenkundiges Versehen im Urteilsspruch nicht deutlich zum Ausdruck gekommen sei. Zudem zeigt die Klägerin in der Revision nicht auf, inwiefern der Abspruch über das Leistungsbegehren durch das Berufungsgericht abstrakt geeignet wäre, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (vgl RIS Justiz RS0043049).

2. Unstrittig ist die Anwendung österreichischen Rechts (Punkt 18. der Versicherungsbedingungen; § 5 des Bundesgesetzes über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl 1993/89 idF BGBl 1994/508, das gemäß Art 4 des Bundesgesetzes, BGBl I 2009/109, trotz seiner Aufhebung auf den vorliegenden Versicherungsvertrag anzuwenden ist).

3. Versicherungsgegenstand des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Versicherungsvertrags ist die Haftung der Klägerin (Versicherungsnehmerin) für Beförderungsaufträge gemäß den CMR Bestimmungen im Straßentransport. Nach Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer für den gänzlichen oder teilweisen Verlust und für Beschädigung des Guts sowie für die Überschreitung der Lieferfrist. Die Klägerin leitet ihre Ansprüche nicht aus einem solchen konkret eingetretenen Haftungsgrund ab. Sie trifft jedoch als Versicherungsnehmerin nach § 62 VersVG eine Schadensabwendungs und minderungspflicht auf Kosten des Versicherers (§ 63 VersVG). Die Rettungspflicht beginnt in der Haftpflichtversicherung wie hier in der Verkehrshaftungsversicherung mit dem Beginn des Ereignisses, das (deckungspflichtige) Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer auslösen könnte. Die Behauptungs und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 63 VersVG und nach Punkt 2.15. der Versicherungsbedingungen („Ersetzt werden Aufwendungen für die Abwendung und Minderung des Schadens ...“) trifft den Versicherungsnehmer (7 Ob 14/89 = VersE 1431 = ZfRV 1991/28 mwN).

Die Klägerin machte zunächst geltend, die Beiziehung des Kranwagens am sei erforderlich gewesen, um „weitere“ Schäden an der Ladung zu vermeiden, weil ansonsten ein „erheblicher zusätzlicher“ Schaden an der Ladung entstanden wäre, der den begehrten Betrag von 5.850 EUR um ein Vielfaches überschritten hätte. Zwar gehören auch Ansprüche des Vertragspartners des Beförderungsvertrags gegenüber der Klägerin als Versicherungsnehmerin wegen Schäden am Ladegut zu den von der Beklagten zu ersetzenden Schäden aus der abgeschlossenen Verkehrshaftungsversicherung, jedoch nennt die Klägerin weder den Umfang und die Höhe des bereits anlässlich der Vollbremsung des Sattelzugs entstandenen diesbezüglichen Schadens, noch begehrt sie diesen von der Beklagten. Zum erstinstanzlichen Einwand der Beklagten, Dritten hätten keine Schäden gedroht und diese hätten auch keine Schäden erlitten, brachte die Klägerin ergänzend und abweichend von den ursprünglichen Klagsangaben vor, ohne die Aufwendungen hätte der vereinbarte fixe Liefertermin nicht eingehalten werden können, woraus Schäden infolge Lieferfristüberschreitungen an die Klägerin gestellt hätten werden können. Auch wäre ein Schaden am transportierten Gut „und/oder“ am Transportmittel unmittelbar eingetreten. Die Klägerin behauptete daher nicht mehr einen Schaden am Ladegut. Inwieweit deckungspflichtige Ansprüche ihres nicht genannten Vertragspartners gegen sie gedroht hätten, legte die Klägerin aber nicht konkret dar. Es fehlt näheres Vorbringen, aus welchem versicherten Beförderungsvertrag, gegenüber wem, aus welchem Grund und in welchem Umfang haftungsbegründende Ansprüche wegen Schäden aufgrund einer allfälligen Lieferfristüberschreitung oder am Ladegut gedroht hätten. Ihr Vorbringen enthält trotz des entsprechenden Einwands der Beklagten dazu keine Darlegungen.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass das Klagsvorbringen für die Beurteilung der Ersatzfähigkeit des von der Klägerin behaupteten Aufwands nicht ausreicht, weil sie insbesondere nicht darlegt, inwiefern dieser zur Vermeidung eines versicherten Schadens erforderlich war. In der Revision argumentiert die Klägerin wohl mit dem Umfang der Verkehrshaftungsversicherung, ohne aber konkret aufzuzeigen, dass der im Revisionsverfahren strittige Aufwand für einen Kranwagen zur „Ladungs oder Aufliegerbergung und Ladungssicherung“ durch ein unter die Deckungspflicht fallendes Schadensereignis notwendig geworden wäre. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als Folge eines Verstoßes gegen die §§ 182, 182a ZPO (kein Auftrag zur Verbesserung) wird von der Klägerin nicht geltend gemacht. Dies würde überdies voraussetzen, dass die Revisionswerberin die Relevanz des Mangels darlegt, indem sie das unterlassene Vorbringen nachholt (1 Ob 18/09t mwN), was hier aber nicht erfolgt.

4. Auf die allfällige Obliegenheitsverletzung der Klägerin braucht daher nicht eingegangen zu werden. Im Hinblick auf die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ist die Frage, ob für die Ersatzfähigkeit von Bergungs und Sicherungskosten bei einer Verkehrshaftungsversicherung zwischen „Sowieso“ Kosten und vorfallsbedingten Zusatzkosten zu unterscheiden ist, nicht entscheidungsrelevant.

5. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Die begehrte Umsatzsteuer ist nicht zuzuerkennen, weil Leistungen österreichischer Rechtsanwälte für ausländische Unternehmer der österreichischen Umsatzsteuer nicht unterliegen. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess kommentarlos 20 % USt, so wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (stRsp; zuletzt 7 Ob 203/10v mwN; RIS Justiz RS0114955).