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OGH vom 15.10.1986, 3Ob608/86

OGH vom 15.10.1986, 3Ob608/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** G*** W*** FÜR

B*** G*** MBH, 1130 Wien, Hietzinger Kai 131,

vertreten durch Dr. Nikolaus Bilowitzky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johannes T***, Vertragsbediensteter, 6900 Bregenz, Langenerstraße 2b, vertreten durch Dr. Peter Strele, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Aufkündigung einer Wohnung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom , GZ. 1a R 308/86-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom , GZ. 2 C 81/86-9, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes und das Urteil der ersten Instanz werden dahin abgeändert, daß die Aufkündigung des Bezirksgerichtes Bregenz vom 3. Feber 1986, K 4/86-1, aufgehoben und das Begehren, die beklagte Partei habe die im Haus Bregenz, Im Dorf 3 gemietete Wohnung samt Zubehör binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben, abgewiesen wird.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Verfahrens erster Instanz selbst zu tragen und der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.513,44 (darin S 500,- Barauslagen und S 183,04 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.549,25 (darin S 231,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit einem am 3. Feber 1986 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz kündigte die Klägerin dem Beklagten eine im Haus Bregenz, Im Dorf 3 gegen dreimonatige Kündigung gemietete (nicht näher bezeichnete) Wohnung samt Zubehör für den gerichtlich auf und beantragte, dem Beklagten aufzutragen, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach obigem Termin geräumt zu übergeben oder gegen die Aufkündigung Einwendungen anzubringen. Als Kündigungsgrund machte sie unter Berufung auf § 30 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit § 12 Abs. 4 MRG geltend, der Beklagte habe die Wohnung ohne Zustimmung der Klägerin ganz weitergegeben. Der über die Aufkündigung vom Erstgericht noch am 3. Feber 1986 an den Gegner der aufkündigenden Partei erlassene Auftrag wurde dem Gegner am 5. Feber 1986 zugestellt.

Der Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen. Darin behauptete er, die aufgekündigte Wohnung seiner geschiedenen Ehegattin und der ehelichen Tochter aus sozialen Erwägungen überlassen und die Klägerin umgehend verständigt zu haben. Er sei auch noch Bundesbediensteter. Er beantragte, die Aufkündigung aufzuheben. Später ergänzte er, die Wohnung im Zug der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens seiner geschiedenen Ehegattin und der ehelichen Tochter weitergegeben zu haben, wozu nach dem Mietvertrag keine Zustimmung der Klägerin nötig gewesen sei.

Die Klägerin replizierte, der gerichtliche Vergleich, mit dem der Beklagte die Wohnung weitergegeben habe, sei nicht der im Mietvertrag erwähnten richterlichen Entscheidung gleichzusetzen. Das Bestandobjekt sei ausnahmslos für die Unterbringung von Bundesbediensteten bestimmt. Die Klägerin sei eine gemeinnützige Bauvereinigung im Sinn des § 12 Abs. 4 MRG. Überdies wäre die Zuweisung der Wohnung in einem außerstreitigen Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens an ihre Zustimmung gebunden, die sie nie erteilt habe.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung als wirksam und verurteilte den Beklagten, die im 1. Stock des Hauses Bregenz, Im Dorf 3 gelegene, aus 4 Zimmern, einer Küche, einem Vorraum, einem Bad und einem WC bestehende Wohnung der Klägerin binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben, weil die Parteien im Mietvertrag vereinbart hätten, daß das Ausscheiden (des Beklagten) aus dem Bundesdienst für die Klägerin einen wichtigen Kündigungsgrund darstelle und jene drei Gründe, aus denen die Klägerin aus sozialen Erwägungen von ihrem Kündigungsrecht nicht Gebrauch mache, nicht vorlägen. In seiner Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache beantragte der Beklagte, das angefochtene Urteil durch Aufhebung der Kündigung abzuändern, weil seine geschiedene Ehegattin Alleinmieterin der aufgekündigten Wohnung geworden sei und diese daher weiter benützen dürfe.

Die Klägerin beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben. Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, (hob das angefochtene Urteil auf, ohne dies im Spruch ausdrücklich zu sagen,) verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 15.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteigt und daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.

Das Berufungsgericht führte aus, das Erstgericht habe einen Kündigungsgrund angenommen, den die Klägerin nicht geltend gemacht habe und der auch nicht vorliege, nämlich das Ausscheiden des Beklagten aus dem Bundesdienst. Für den geltend gemachten Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG sei entscheidend, ob der Beklagte im Zuge der Scheidung seiner Ehe berechtigt gewesen sei, die als Ehewohnung verwendete aufgekündigte Wohnung, die eine Dienstwohnung im Sinn des § 88 Abs. 1 EheG sei, ohne Zustimmung der Klägerin an seine Ehegattin weiterzugeben. Dazu fehlten ausreichende Feststellungen.

Gegen den Aufhebungsbeschluß richtet sich der als "Revisionsrekurs" bezeichnete Rekurs der Klägerin, die wegen Spruchreife die Wiederherstellung des Urteils der ersten Instanz beantragt.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 519 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 iVm § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO) und im Ergebnis teilweise berechtigt. Insofern die Aufkündigung eines Bestandvertrages über Grundstücke, Gebäude ... nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes notwendig ist, um der stillschweigenden Erneuerung des Bestandvertrages vorzubeugen oder dessen Auflösung zu bewirken, darf sie nach § 560 Abs. 1 ZPO im Falle eines besonderen Übereinkommens der Parteien über den Termin und die Frist zur Aufkündigung und Zurückstellung des Bestandgegenstandes in der Regel nur unter Einhaltung dieser Termine und Fristen erfolgen (Z 1). Wenn es an einem solchen Übereinkommen fehlt, sind ohne Rücksicht auf Sonn- und Feiertage folgende Kündigungstermine und Kündigungsfristen einzuhalten: Mietverträge über Wohnungen oder Wohnräume sind zum letzten Tag eines Monates derart aufzukündigen, daß die Aufkündigung dem Gegner der aufkündigenden Partei, wenn der Zins in monatlichen oder kürzeren Abständen zu bezahlen ist, spätestens einen Monat, wenn der Zins in längeren Abständen zu bezahlen ist, spätestens drei Monate vor dem Kündigungstermin zugestellt wird (Z 2 lit. d). Damit eine gerichtliche Aufkündigung für den nächstfolgenden Termin wirksam sei, muß sie nach § 563 Abs. 1 ZPO vor Ablauf der im § 560 Abs. 1 Z 1 und 2 l.c. bestimmten Fristen bei Gericht angebracht und zugestellt sein. Aufkündigungen, welche erst nach Ablauf dieser Fristen angebracht werden, sind von Amts wegen durch Beschluß zurückzuweisen.

Erfolgt die Zustellung in den Fällen des § 560 Abs. 1 Z 1 und 2 ZPO erst nach Ablauf der da selbst bestimmten Kündigungsfristen, so ist die Aufkündigung nach § 564 Abs. 2 ZPO dennoch wirksam, wenn gegen den gerichtlichen Auftrag binnen der dazu anberaumten Frist Einwendungen nicht angebracht werden.

Nach dem nicht bestrittenen (und durch Punkt IV Z 2 des zwischen den Parteien am geschlossenen Mietvertrages belegten) Vorbringen im Aufkündigungsschriftsatz kann das Mietverhältnis nur (zum Letzten eines jeden Monates) unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist aufgekündigt werden.

Im Hinblick auf dieses "besondere Übereinkommen der Parteien über den Termin und die Frist zur Aufkündigung" durfte die Aufkündigung des Bestandvertrages nach § 560 Abs. 1 Z 1 ZPO nur unter Einhaltung dieser Termine und dieser Frist erfolgen. Die hier zu beurteilende gerichtliche Aufkündigung für den wäre daher nach § 563 Abs. 1 ZPO nur dann wirksam, wenn sie noch im Jänner 1986 bei Gericht angebracht und dem Gegner der aufkündigenden Partei zugestellt worden wäre.

Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Aufkündigung erst am 3. Feber 1986 bei Gericht angebracht und am 5. Feber 1986 dem Kündigungsgegner zugestellt wurde.

Die verspätet angebrachte Aufkündigung wäre daher nach § 563 Abs. 1 ZPO von Amts wegen durch Beschluß zurückzuweisen gewesen (Fasching, Komm IV 656; derselbe ZPR Rz 2143). Trotz unterbliebener Zurückweisung ist die verspätete Anbringung der Aufkündigung wahrnehmbar, wenn über rechtzeitig angebrachte Einwendungen das Verfahren nach den §§ 571 f ZPO eingeleitet wurde. In einem solchen Fall hat das Gericht die Verspätung auf Antrag, aber auch ohne eine solche ausdrückliche Einwendung von Amts wegen wahrzunehmen und die Aufkündigung nach § 572 ZPO mit Urteil aufzuheben (Fasching, Komm IV 656, Anm. 1 lit. a zu § 563 im Gegensatz zu dem dort unter lit. b behandelten Fall, in dem die Aufkündigung zwar noch rechtzeitig, aber doch so spät bei Gericht angebracht wird, daß die Zustellung an den Gegner verspätet erfolgen muß. Im letzteren Fall kann die Verspätung der Zustellung nachträglich nur mehr bei ausdrücklicher Einwendung, nicht aber wie die verspätete Anbringung auch von Amts wegen wahrgenommen werden). Eine ausdrückliche Einwendung ist dann nicht notwendig, wenn sich die Umstände, aus denen sich die verspätete Anbringung der Aufkündigung ergibt, wie im vorliegenden Fall, z.B. bereits aus dem unbestritten gebliebenen Vorbringen in der Aufkündigung ergeben. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist des § 560 Abs. 1 Z 1 ZPO hat auch die materiellrechtliche Wirkung, daß die Aufkündigung unwirksam ist und das Bestandverhältnis daher als nicht aufgelöst gilt. Die Frage der Einhaltung der gesetzlichen Aufkündigungsfrist ist daher eine solche der materiellrechtlichen Beurteilung im Sinn des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO (MietSlg. 24.579 und 35.823). Da die Aufkündigung schon deshalb aufzuheben ist, weil sie verspätet angebracht wurde, ist die Rechtssache in diesem Sinn zur Entscheidung reif, ohne daß zu prüfen wäre, ob der in der verspäteten Aufkündigung geltend gemachte Kündigungsgrund gegeben ist.

Deshalb ist dem den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts bekämpfenden Beschluß der Klägerin insoweit Folge zu geben, als er sich gegen die nichtberechtigte Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils durch das Berufungsgericht wendet, und nach § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der Sache selbst zu erkennen, allerdings entgegen dem diesbezüglichen Rechtsmittelantrag nicht durch Wiederherstellung, sondern - insoweit zulässigerweise zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers (Fasching, ZPR Rz 1983; 7 Ob 40/84 und 1 Ob 505/85) - durch Abänderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat für das Verfahren erster Instanz, in dem er nicht rechtsanwaltlich vertreten war, keine Kosten verzeichnet.