OGH vom 24.04.2020, 7Ob33/20h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI R***** W*****, vertreten durch Bartl Partner Rechtsanwälte KG in Graz, und deren Nebenintervenientin F***** GmbH, *****, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen 277.135,27 EUR sA und Rente, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 139/19x27, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 31 Cg 40/18z20, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das klageabweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei jeweils binnen 14 Tagen die mit 4.506,36 EUR (darin 751,06 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.245,57 EUR (darin 540,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger (Versicherungsnehmer) unterfertigte im Jahr 2007 über Vermittlung eines Mitarbeiters der Nebenintervenientin (fortan: Makler) einen an die Beklagte (Versicherer) gerichteten Antrag auf Abschluss einer Unfallversicherung „mit weltweitem Versicherungsschutz“. Er beantwortete die im Antragsformular vorformulierte Frage „Beruf, Art der Beschäftigung“ mit „kaufmännischer Angestellter“ und „unselbständig“. Die Frage: „Sind die zu versichernden Personen besonderen Gefahren (im Sport zB Flug-, Kletter-, Tauchrisiken usw, im Beruf, Reisen nach außereuropäischen Ländern) ausgesetzt oder werden solche Tätigkeiten geplant?
□ nein □ ja, welche?
welche Sportarten?“
beantwortete der Kläger mit „nein“.
Der Kläger war damals in Österreich angestellter Sales- und Marketingdirektor für Europa, Nord- und Südamerika, den Mittleren Osten und für Afrika. Er hielt sich in den Jahren von 2006 bis 2010 etwa drei bis vier Wochen jährlich in Südostasien (Thailand, Malaysien, Singapur, Indonesien, Vietnam, China, Indien und Taiwan) auf, drei bis vier Wochen war er in Nordamerika unterwegs und die restliche Zeit in Europa tätig. Der Kläger wies den Makler, als sie gemeinsam das Antragsformular Punkt für Punkt durchgingen, auf diese Reisetätigkeit hin. Der Makler sagte ihm, die erwähnten Reisen fielen nicht unter die genannte Frage, weil in jenen Ländern keine besonderen Gefahren bestünden. Besondere Gefahren würden nur in Ländern angenommen, in denen Krieg herrsche oder Streikgefahr bestehe.
Die bei der Beklagten abgeschlossene Unfallversicherung umfasste (ua) die Leistungsarten dauernde Invalidität, „Reise- und Rückkehr Assistance“ (Weltweiter Rücktransport bei Unfall oder Krankheit), Leistung für medizinisch notwendige ambulante Heilbehandlung bei Unfall und Krankheit im Ausland und eine Unfallrente-lebenslang.
Dieser Unfallversicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2006) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
„…
Abschnitt A:
Versicherungsschutz
Artikel 1 - Was ist versichert?
Gegenstand der Versicherung
Der Versicherer bietet Versicherungsschutz, wenn dem Versicherten ein Unfall zustößt. […]
Artikel 2 - Was gilt als Versicherungsfall?
Versicherungsfall ist der Eintritt eines Unfalles (Artikel 6).
Artikel 3 - Wo gilt die Versicherung?
Örtlicher Geltungsbereich
Der Versicherungsschutz gilt auf der ganzen Erde.
[…]
Abschnitt C:
Begrenzungen des Versicherungsschutzes
[…]
Artikel 20 - In welchen Fällen zahlt der Versicherer nicht?
Ausschlüsse
Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle
[…]
5. die unmittelbar oder mittelbar durch Kriegs- oder Bürgerkriegsereignisse verursacht sind. Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn die versicherte Person auf Reisen im Ausland überraschend von Kriegs- oder Bürgerkriegsereignissen betroffen wird. Dieser Versicherungsschutz erlischt am Ende des siebenten Tages nach Beginn eines Krieges oder Bürgerkrieges auf dem Gebiet des Staates, in dem sich die versicherte Person aufhält.[…]
[…]
Abschnitt D:
Pflichten des Versicherungsnehmers
[…]
Artikel 23
Anzeige der Änderung, Aufnahme bzw. Beendigung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung sowie besonders gefährlicher Freizeitaktivitäten des Versicherten
Als Obliegenheit gemäß § 6, Abs. 1(a) und 2 VersVG hat der Versicherungsnehmer folgendes anzuzeigen:
1. Veränderungen der im Antrag anzugebenden Berufstätigkeit, Beschäftigung oder im Antrag anzugebender besonders gefährlicher Freizeitaktivitäten der versicherten Person sind unverzüglich anzuzeigen.
[…]“
Der Kläger wusste, dass er der Beklagten bekanntzugeben habe, wenn sich bei der Risikoeinschätzung etwas änderte. Er informierte daher den Makler über eine berufliche Änderung dahin, dass er ab dem Jahr 2010 bis Beginn des Jahres 2012 hauptsächlich in Europa und Nordamerika tätig und etwa vier Wochen insgesamt gesehen über das Jahr verteilt in Nordamerika unterwegs sei. Der Kläger informierte den Makler auch, als er im September 2013 einen beruflichen Wechsel zu einer indonesischen Reifenfirma unternahm, und sich ab diesem Zeitpunkt dreimal im Jahr für jeweils etwa acht bis zehn Wochen, insgesamt somit rund sechs Monate im Jahr, vor Ort in T*****, einem Vorort von J***** (Indonesien) aufhielt. Die übrige Zeit war er in Österreich bzw im europäischen Ausland tätig. Der Kläger sah dies nicht als Risikoerhöhung, weil er nach der Information des Maklers der Meinung war, dass nur Reisen in Krisenregionen bekanntzugeben wären. Eine Meldung der beruflichen Veränderungen im Zusammenhang mit der erhöhten Reisetätigkeit ab September 2013 erfolgte gegenüber der Beklagten nicht.
Am erlitt der Kläger in T***** einen Unfall. Er war mit seinem Mountainbike in einem abgeschlossenen Wohngebiet mit Linksverkehr unterwegs, in dem entsendete Mitarbeiter seines Arbeitgebers lebten und es eine eigene Security gab. Dort war ein Einbahnsystem eingerichtet mit zwei Fahrspuren für PKW und einer eigenen Fahrradspur. Der Kläger fuhr mit seinem Mountainbike ganz links auf der Fahrradspur. Sein späterer Unfallgegner benützte mit seinem PKW den äußerst rechten Fahrstreifen, als er eine SMS erhielt und, um diese zu lesen, auf den Grünstreifen links der Fahrradspur zufuhr. Er hielt den PKW derart abrupt auf dem Fahrradstreifen an, dass der Kläger sein Fahrrad nicht rechtzeitig abbremsen konnte und mit seinem, mit einem Helm geschützten Kopf die Heckscheibe des PKW durchstieß. Der Kläger war kurz bewusstlos. Er wurde in ein privates Krankenhaus gebracht und dort erstversorgt. Der Kläger ließ sich transportfähig machen und nach Singapur und über Empfehlung eines dortigen Arztes schließlich nach Österreich überstellen, wo eine Spondylodese C5/C6 und eine Bandscheibenprothese C6/C7 mit der Begründung durchgeführt wurde, dass der Abstand zwischen Bandscheibe und Wirbelkanal so gering sei, dass bei einer nur geringen Bewegung „ein kompletter Querschnitt“ eintreten könnte.
Die Beklagte leistete dem Kläger auf Basis eines Invaliditätsgrades von 35 % – unpräjudiziell und ohne Anerkennung einer Leistungspflicht – eine Zahlung von 71.849,88 EUR.
Der Kläger begehrte von der Beklagten auf Basis eines Invaliditätsgrades von 85 % und abzüglich der bereits geleisteten Zahlung weitere 277.135,27 EUR sA sowie eine monatliche Unfallrente. Er brachte – soweit für das Rekursverfahren relevant – vor, dass er keine Anzeigeobliegenheiten verletzt habe. Mit seinen Auslandsreisen seien keine besonderen Gefahren verbunden gewesen. Der Verkehrsunfall, den er erlitten habe, sei kein typisches Risiko gewesen, das mit einer Reise in ein außereuropäisches Land verbunden sei, sondern auf eine Vorrangverletzung seines Unfallgegners zurückzuführen, die auf der ganzen Welt gleichermaßen vorkommen könne.
Die Nebenintervenientin führte
– zusammengefasst und soweit für das Rekursverfahren wesentlich – aus, es führe allein der Umstand, dass man ins außereuropäische Ausland reise, noch nicht dazu, dass man die im Antrag gestellte Frage mit „ja“ beantworten müsse, solange kein besonderes Gefahrenmoment hinzutrete. Die Beantwortung der Frage mit „nein“ sei daher keine falsche bzw wahrheitswidrige Angabe. Es liege ein gewöhnlicher Verkehrsunfall vor, ohne eine durch die Auslandsreise bedingte Gefahrenerhöhung.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren und wandte – soweit für das Rekursverfahren relevant – ein, dass der Kläger seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit nach § 16 VersVG verletzt habe, indem er die Frage nach besonderen Gefahren durch „Reisen in außereuropäische Länder“ verneint habe, obwohl er bereits bei Antragstellung vielfach im außereuropäischen Ausland tätig und aufhältig gewesen sei. Der Kläger habe auch gegen seine Obliegenheit zur Anzeige einer Gefahrenerhöhung nach Art 23 AUVB 2006 und § 23 VersVG verstoßen, weil er der Beklagten die vor dem Unfall erfolgte Änderung seiner Lebensumstände nicht mitgeteilt habe.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, dass der Kläger bei der Antragstellung seine Reisen ins außereuropäische Ausland verschwiegen und damit seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit verletzt habe. Der Kausalitätsgegenbeweis sei dem Kläger nicht gelungen, weil zumindest eine Mitursächlichkeit der verschwiegenen Reisetätigkeit anzunehmen sei. In Indonesien bestehe eine höhere Gefahr von Verkehrsunfällen und es sei auch eine gleichwertige medizinische Versorgung nicht garantiert.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers und seiner Nebenintervenientin dahin Folge, dass es das Urteil des Erstgerichts aufhob und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung zu den Anspruchsgrundlagen auftrug. Es vertrat die Rechtsansicht, der Kläger habe die im Antrag enthaltene Frage dahin verstehen können, ob er „besonderen Gefahren“ bei/durch Reisen in außereuropäische Länder ausgesetzt sei, weshalb deren Verneinung nicht unrichtig gewesen sei. Da sich der Kläger auf die Auskunft des Maklers verlassen habe, treffe ihn an einer allenfalls unrichtigen Fragebeantwortung überdies kein Verschulden. Schließlich sei dem Kläger auch der Kausalitätsgegenbeweis gelungen, weil keinerlei Anhaltspunkte für eine besondere Gefährlichkeit der örtlichen Verkehrsverhältnisse und auch keine Hinweise auf Defizite bei der medizinischen Versorgung vorgelegen hätten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Auslegung von in Versicherungsbedingungen enthaltenen Klauseln sei revisibel, wenn deren Wortlaut nicht so eindeutig sei, dass Auslegungszweifel verblieben. Gleiches müsse für die Auslegung der hier vom Versicherer in seinem Antragsformular gegenüber einer größeren Anzahl von Kunden gestellten Fragen gelten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Der Kläger und dessen Nebenintervenientin erstatteten Rekursbeantwortungen jeweils mit dem Antrag, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.
1.1. Nach § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Zur Bejahung der Gefahrenerheblichkeit von Umständen ist es nicht erforderlich, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Vertrag tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den bestimmten Bedingungen geschlossen hätte. Es reicht aus, dass der vom Versicherer nachgewiesene Umstand bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen solchen Entschluss des Versicherers zu motivieren (RS0080637). Ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (RS0080628 [T1]).
1.2. Ist der Vorschrift des § 16 Abs 1 VersVG zuwider die Angabe eines erheblichen Umstands unterblieben, so kann der Versicherer nach § 16 Abs 2 VersVG vom Vertrag zurücktreten. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung kann sich der Versicherer aber auch ohne Vertragsauflösung auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er – wie hier offenbar unstrittig – von der Verletzung der Anzeigeobliegenheit erst nach dem Versicherungsfall erfahren hat (7 Ob 50/16b; 7 Ob 175/17m).
2.1. Die Beklagte hat ausdrücklich danach gefragt „Sind die zu versichernden Personen besonderen Gefahren (im Sport zB Flug-, Kletter-, Tauchrisiken usw, im Beruf, Reisen nach außereuropäischen Ländern) ausgesetzt oder werden solche Tätigkeiten geplant?“
2.2. Aus dieser Fragestellung ist für jeden verständigen Versicherungsnehmer völlig klar, dass die Beklagte „Reisen nach außereuropäischen Ländern“ als besondere Gefahr und daher als erheblichen Umstand (im Sinn des § 16 Abs 1 VersVG) einstuft. In diesem Sinn hat dies ohnehin auch der Kläger verstanden. Das Verständnis des Berufungsgerichts, wonach dem Versicherungsnehmer mit besagter Formulierung ein Beurteilungsspielraum betreffend die Gefährlichkeit des jeweiligen außereuropäischen Landes eingeräumt wird, ist schon mit dem Wortlaut der Fragestellung (keine Präposition) offenkundig unvereinbar.
2.3. Die Beantwortung der Frage nach Reisen des Versicherungsnehmers (Versicherten) in außereuropäische Länder ist bei einem angestrebten Versicherungsschutz „auf der ganzen Erde“, bei objektiver Betrachtung zweifelsfrei geeignet, den Entschluss des Versicherers zu motivieren, den Vertrag abzulehnen oder zu anderen Bedingungen abzuschließen.
2.4. Es ist der Versicherte dafür beweispflichtig, dass auch die richtige Beantwortung der an ihn gestellten Frage nicht geeignet gewesen wäre, den Entschluss des Versicherers zum Vertragsabschluss in irgendeiner Weise zu beeinflussen (RS0080787). Eine solche Behauptung hat der Kläger in erster Instanz nicht nachvollziehbar aufgestellt und Derartiges hat das Erstgericht auch nicht festgestellt. Die vom Kläger und von der Nebenintervenientin offenbar zu diesem Themen unmittelbar vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz gestellten Beweisanträge nach der in der Praxis angeblichen Übung einer risikospezifisichen Differenzierung von Auslandsreisen und nach der „Annahmepolitik“ der Beklagten sind schon rechtlich unzulänglich. Seiner Beweispflicht hätte der Kläger in diesem Punkt nur dann entsprechen können, wenn er nachweist, dass die Beklagte – obwohl ausdrücklich unter „besondere Gefahren“ abgefragt – selbst bei Kenntnis der vom Kläger seinerzeit vorgenommen Auslandsreisen den Versicherungsvertrag ganz konkret zu den selben Konditionen, also nicht nur mit den selben „Bedingungen“, sondern auch mit dem selben Tarif, abgeschlossen hätte (7 Ob 130/18w). Eine solche Beweisführung hat der Kläger gar nicht angetreten.
2.5. Als erstes Zwischenergebnis folgt, dass der Kläger (objektiv) seiner Anzeigeobliegenheit nach § 16 Abs 1 VersVG nicht entsprochen hat, weil er die Frage nach „Reisen nach außereuropäischen Ländern“ (objektiv) unrichtig mit „nein“ beantwortet hat, obwohl er sich bei Vertragsabschluss drei bis vier Wochen jährlich in Südostasien (Thailand, Malaysien, Singapur, Indonesien, Vietnam, China, Indien und Taiwan) und drei bis vier Wochen in Nordamerika aufhielt.
3.1. An die vom Versicherungsnehmer bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit anzuwendende Sorgfalt sind ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (RS0080641). Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (RS0080572). Die Beweislast für das mangelnde Verschulden an der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht trifft grundsätzlich den Versicherungsnehmer (RS0080809). Der den Antrag ausfüllende Makler ist dem Kläger zuzurechnen (7 Ob 119/17a; vgl RS0114041).
3.2. Die Frage nach „Reisen nach außereuropäischen Ländern“ war eindeutig formuliert. Der Kläger hat die Bedeutung dieser Frage auch erkannt, informierte er doch den Makler über seine damalige Reisetätigkeiten. Dass der dem Kläger zuzurechnende Makler die Relevanz der Frage und deren richtige Beantwortung unrichtig einschätzte, begründet – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht das mangelnde Verschulden des Klägers.
3.3. Als zweites Zwischenergebnis folgt, dass der Kläger seiner Anzeigeobliegenheit nach § 16 Abs 1 VersVG jedenfalls fahrlässig nicht entsprochen hat.
4.1. Der Versicherer bleibt im Fall einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit nur dann zur Leistung im Sinn des § 21 VersVG verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer jede mögliche Mitursache des falsch angezeigten oder verschwiegenen Umstands an dem Eintritt des Versicherungsfalls und dem Umfang der Leistungen des Versicherers ausschließen kann (RS0080025). Um diesen Beweis zu erbringen, muss der Versicherungsnehmer dartun, dass der Unfall auf jeden Fall aus einem anderen als dem falsch angezeigten oder dem verschwiegenen Umstand eingetreten ist (RS0080771).
4.2. Der Versicherungsfall ist der Eintritt eines Unfalls. Der Kläger hat seine „Reisen nach außereuropäischen Ländern“ nicht angezeigt. Der Unfall hat sich gerade in einem außereuropäischen Land in einem abgeschlossenen, für entsendete Mitarbeiter bestimmten Wohngebiet mit Linksverkehr und damit einer in Europa völlig unüblichen Verkehrssituation ereignet. Unter diesen Umstanden ist der
– streng zu führende (RS0079993) – Kausalitätsgegenbeweis nicht zu erbringen.
5. Im Ergebnis folgt:
5.1. Der Kläger hat seine Anzeigeobliegenheit nach § 16 Abs 1 VersVG betreffend die Bekanntgabe seiner Reisen in außereuropäische Länder schuldhaft nicht erfüllt und kann auch den Kausalitätsgegenbeweis nicht erbringen. Die Beklagte ist daher leistungsfrei und das klageabweisende Ersturteil somit wiederherzustellen. Einer Auseinandersetzung damit, ob dem Kläger überdies auch eine – vom Berufungsgericht ebenfalls verneinte – Verletzung seiner Verpflichtung zur Anzeige einer Gefahrenerhöhung nach Art 23 AUVB 2006 und § 23 VersVG anzulasten ist, bedarf es bei dieser Sachlage nicht.
5.2. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 Abs 1 ZPO auch iVm § 50 ZPO. Der Beklagten war nur eine Berufungsbeantwortung zu honorieren, weil die gesonderte Beantwortung beider Berufungen weder aus zeitlichen noch aus inhaltlichen Erwägungen erforderlich war.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00033.20H.0424.000 |
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