OGH 07.06.2011, 5Ob75/11g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S*****, vertreten durch Dr. Heimo Berger, Rechtsanwalt in Villach, gegen die Antragsgegnerin I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen § 9 MRG, infolge des „außerordentlichen“ Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den (richtig:) Sachbeschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 21/11g-17, mit dem über Rekurs der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 6 Msch 9/10x-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Mit seinem Sachbeschluss sprach das Erstgericht aus, die Antragsgegnerin habe die Anbringung von zwei Werbeleuchtschriften am Vordach des Bestandobjekts zu dulden und erklärte die für die baubehördliche Bewilligung dieser Maßnahme erforderliche Zustimmung der Antragsgegnerin für erteilt. Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige nicht 10.000 EUR; der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich das als „außerordentlicher“ Revisionsrekurs bezeichnete Rechtsmittel der Antragsgegnerin. Der Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz sei nicht rein vermögensrechtlicher Natur, weswegen der außerordentliche Revisionsrekurs ungeachtet des Bewertungsausspruchs durch das Rekursgericht zulässig sei.
Das Erstgericht hat das Rechtsmittel des Antragstellers dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorgelegt. Der Oberste Gerichtshof ist derzeit nicht zur Entscheidung in der Sache berufen:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 37 Abs 3 Z 16 MRG gelten für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses die §§ 62 bis 64 AußStrG mit der Maßgabe, dass die in § 37 Abs 1 MRG genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und die gemäß § 59 Abs 2, § 62 Abs 3 und 5 und § 63 Abs 1 AußStrG maßgebliche Wertgrenze 10.000 EUR beträgt. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt (hier:) 10.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht - wie hier - den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat.
Hat das Rekursgericht ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG ein Revisionsrekurs nur erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt (hier:) 10.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs). Übersteigt der Entscheidungsgegenstand nicht insgesamt (hier:) 10.000 EUR und hat das Rekursgericht ausgesprochen, der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 63 Abs 1 AußStrG (nur) einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).
2. § 59 Abs 2 AußStrG verpflichtet das Rekursgericht zu einem Bewertungsausspruch, wenn ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstands iSd § 9 MRG zählen nach § 37 Abs 3 Z 16 (iVm Abs 1 Z 6) MRG zu den Entscheidungsgegenständen rein vermögensrechtlicher Art. Das Rekursgericht hat damit entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin völlig zutreffend eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands vorgenommen.
3. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unter- oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (5 Ob 150/08g; RIS-Justiz RS0042450; RS0109332; RS0042410; RS0042437; RS0042515; RS0042385).
4. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mit Zulassungsvorstellung angefochten werden kann, ein ordentlicher oder ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben, so hat - auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist - das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 63 AußStrG zu werten sind (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 63 Rz 5; 1 Ob 15/07y; RIS-Justiz RS0109623). Ob der dem Rekursgericht vorzulegende Schriftsatz den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S***** KG, *****, vertreten durch Dr. Heimo Berger, Rechtsanwalt in Villach, gegen die Antragsgegnerin I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen § 9 MRG, infolge des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den (richtig:) Sachbeschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 21/11g-17, mit dem über Rekurs der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 6 Msch 9/10x-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt 6 Msch 9/10x wird dem Erstgericht erneut mit dem Auftrag zurückgestellt, diesen Beschluss und die Rekursentscheidung vom , GZ 2 R 21/11g-17, den Hauptmietern des Hauses M*****, samt Rechtsmittelbelehrung durch Hausanschlag zuzustellen.
Nach Einlangen allfälliger Revisionsrekurse oder nach Ablauf der hiefür vorgesehenen Frist sind die Akten wieder dem Obersten Gerichtshof umgehend vorzulegen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
In Verfahren nach § 9 MRG ist die Beiziehung der übrigen Mieter geboten, wenn bei der Entscheidung die Beeinträchtigung von deren schutzwürdigen Interessen zu befürchten ist (M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 37 MRG Rz 86 mwN; RIS-Justiz RS0069691; RS0070534). In einem solchen Fall sind ihnen auch die (anfechtbaren) Entscheidungen samt Rechtsmittelbelehrung zugänglich zu machen (vgl MietSlg 47.454).
Die übrigen Hauptmieter des Hauses sind zwar dem Verfahren beigezogen worden, die in der Sache ergangenen Entscheidungen wurden ihnen aber nach der Aktenlage bisher nicht zugestellt. Zur Wahrung des Parteiengehörs sämtlicher Hauptmieter des betroffenen Hauses im Rechtsmittelverfahren ist somit vor Behandlung des bereits vorliegenden Revisionsrekurses die Zustellung der angefochtenen Entscheidung an alle Verfahrensbeteiligten nachzuholen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S***** & B***** KG, *****, vertreten durch Dr. Heimo Berger, Rechtsanwalt in Villach, gegen die Antragsgegnerin I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen § 9 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den (richtig:) Sachbeschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 21/11g-17, mit dem über Rekurs der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 6 Msch 9/10x-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 373,44 EUR (darin enthalten 62,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit dem Haus *****straße *****. Die Antragstellerin ist Hauptmieterin des darin ebenerdig gelegenen Geschäftslokals. Sie hatte ihr darin betriebenes Unternehmen bis verpachtet. Am Vordach des Hauses waren bis zur Beendigung des Pachtverhältnisses rechts und links des Eingangsportals Werbeleuchtaufschriften mit dem Namenszug der Pächterin angebracht. Seit hat die Antragstellerin die Nutzung ihres Unternehmens im Rahmen eines Fruchtgenussvertrags weitergegeben.
Mit seinem Sachbeschluss sprach das Erstgericht aus, die Antragsgegnerin habe die Anbringung von zwei Werbeleuchtschriften (unter genauer Angabe der zulässigen Höhen-, Längen- und Tiefenmaße) am Vordach des Bestandobjekts zu dulden und erklärte die für die baubehördliche Bewilligung dieser Maßnahme erforderliche Zustimmung der Antragsgegnerin für erteilt. Es bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs 1 MRG. Auch würden die dem Antrag zu Grunde liegenden Leuchtschriften der Größe nach in etwa der in der Vergangenheit angebracht gewesenen Aufschriften entsprechen, dieselbe Buchstabenanzahl aufweisen und dort angebracht werden, wo sich über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren bereits Werbeleuchtschriften befunden hätten.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige nicht 10.000 EUR. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es erst über Zulassungsvorstellung der Antragsgegnerin nach § 63 Abs 1 AußStrG für zulässig, weil keine eindeutige Judikatur zum Umfang von Duldungs- bzw Unterlassungspflichten des Vermieters „hinsichtlich der Übertragung von Ausgestaltungsrechten aus dem Mietvertrag bei einem Wechsel des Vertragspartners“ vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 71 Abs 1 AußStrG), nicht zulässig.
1. Den von der Antragsgegnerin gerügten Mangel in der Beweisaufnahme des Erstgerichts hat bereits das Rekursgericht verneint. Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen gilt auch im Außerstreitverfahren, dass vom Gericht zweiter Instanz verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr vom Obersten Gerichtshof zu überprüfen sind (RIS-Justiz RS0030748 [T9 für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren]; RS0050037).
2. Die im Revisionsrekurs behauptete Aktenwidrigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).
3. Der auf § 9 MRG gestützte Anspruch steht nur dem Hauptmieter zu (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I²² § 9 Rz 2). Auch bei Weitergabe von Rechten aus dem Mietverhältnis bleibt der Hauptmieter berechtigt, den Anspruch nach § 9 MRG durchzusetzen, gleich ob es sich um von ihm selbst angeordnete Veränderungen handelt (zur Untervermietung: 5 Ob 7/86 = MietSlg 38.283/13).
Liegt - was schon die Antragstellung deutlich macht - eine Willensübereinstimmung zwischen der Hauptmieterin und (hier:) dem Fruchtgenussberechtigten in Bezug auf die beabsichtigte Maßnahme vor, gilt nichts anderes. Dessen Interessen an der konkret beabsichtigten Veränderung sind wie die des Hauptmieters zu berücksichtigen (vgl für den Untermieter: Würth/Zingher/Kovanyi aaO; A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 9 MRG Rz 26). Darauf, ob zuvor der Vertragspartner des Hauptmieters gewechselt hat, kommt es daher nicht an. Schon insoweit stellt sich die vom Rekursgericht als erhebliche erachtete Rechtsfrage nicht.
4. Gegenstand der Prüfung einer Duldungspflicht des Vermieters iSd § 9 MRG ist immer die im konkreten Einzelfall beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung (vgl RIS-Justiz RS0113606; RS0069695 [T6]), was stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. Darin ist regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu erblicken (RIS-Justiz RS0113606). Das gilt umso mehr, als sich die Antragsgegnerin in Ausführung ihres Rechtsmittels insoweit auf die weitgehend wörtliche Wiederholung ihrer bereits im Rekurs zur Rechtsrüge vorgetragenen Argumente beschränkt und damit erst gar nicht den Versuch unternimmt, darzulegen, inwieweit die Entscheidung des Rekursgerichts sonst eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwerfen soll (vgl RIS-Justiz RS0043654 [T6]; RS0041826). Dass das Rekursgericht auf die Richtigkeit der Beurteilung des Erstgerichts verwies, entspricht § 60 Abs 2 AußStrG.
5. Die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG müssen zwar kumulativ vorliegen, um die Duldungspflicht des Vermieters auszulösen (5 Ob 7/86 = MietSlg 38.283/13). Die Behauptungs- und Beweislast trifft aber nur hinsichtlich der positiven Voraussetzungen der Z 1 bis 4 den Mieter, für jene hinsichtlich der negativen Voraussetzungen der Z 5 bis 7 ist jedoch der Vermieter beweispflichtig (5 Ob 85/87 = SZ 60/196; RIS-Justiz RS0069725 [T1]). Es wäre daher an der Antragsgegnerin gelegen gewesen, zu behaupten und zu beweisen, dass ihre Interessen oder die der anderen Mieter durch die (neuerliche) Anbringung der Leuchtschriften beeinträchtigt werden. Dieser Beweis ist ihr nach der zutreffenden Beurteilung der Vorinstanzen nicht gelungen.
6. Da sich der Revisionsrekurs damit insgesamt als nicht zulässig erweist, ist er zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss noch einer weiteren Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragstellerin hat in ihrer bereits vor Beschlussfassung gemäß § 63 Abs 3 AußStrG eingebrachten Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Antragsgegnerin ausdrücklich hingewiesen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Außerstreitiges Wohnrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00075.11G.0607.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAD-69108