OGH vom 02.04.1998, 6Ob83/98v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold W*****, vertreten durch Dr.Ferdinand Weber, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Dipl.-Ing. Othmar R*****, vetreten durch Dr.Herbert Hofbauer und andere Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Unterlassung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom , GZ 2 R 221/97f-70, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom , GZ 4 C 601/94-62, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die dem Beklagten binnen vierzehn Tagen die einschließlich 676,48 S Umsatzsteuer mit 4.058,88 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Der vom Kläger verfaßte Schriftsatz vom wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist ist unter anderem Eigentümer des Grundstückes 979/1 (vormals 979/3) der in EZ *****. Der Beklagte ist unter anderem Miteigentümer des im Osten an dieses Streifengrundstück anschließenden Grundstückes 979/5 der EZ *****. Der Entscheidung wird zur Veranschaulichung ein Vermessungsplan als Bestandteil angeschlossen.
In der Natur verläuft westlich des Grundstückes 979/5 ein etwa 3 m breiter Weg in nordsüdlicher Richtung, der mit einem sich auf 7 m verbreiternden Trichter in den Gründlweg (öffentliche Verkehrsfläche) einmündet. Die östliche Hälfte dieses Fahrweges bildet das Grundstück 979/1 (vormals 979/3), die westliche Weghälfte bildet auf einer Länge von rund 5 bis 6 m einen Teil des Grundstückes 995/2 im Eigentum der Eheleute S***** und in nördlicher Richtung daran anschließend einen Teil des Grundstückes 995/1 im Eigentum der Anna H*****. Außerhalb des Einmündungstrichters ist das Befahren des Weges mit zweispurigen Fahrzeugen daher nur unter Benützung von Teilen der Grundstücke 995/1, 995/2 sowie des im Eigentum des Klägers stehenden Streifengrundstückes 979/1 möglich. Das unter anderem im Miteigentum des Beklagten stehende Grundstück 979/5 (ehemals 979/2) grenzt im Osten an die Wegparzelle des Klägers an. Haus- bzw Garteneingang, eine Doppelgarage und ein weiteres Einfahrtstor münden in das Weggrundstück des Klägers ein. Derzeit bestehen zum Haus Gründlweg 19 nur diese Zugänge. Durch Erwerb weiterer Grundstücke grenzt seit 1969 die Liegenschaft des Klägers und seiner Miteigentümer erstmals an das öffentliche Straßennetz.
Die ursprünglich bestehende Parzelle 979 wurde erst nach dem Jahr 1952 in die Parzellen 979/1, 979/2 und 979/3 (je alt laut Plan) geteilt, wobei auf der Parzelle 979/2 alt im Einverständnis mit den Rechtsvorgängern des Klägers ein Haus errichtet wurde und das Grundstück 979/2 alt (jetzt 979/5) zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang zum öffentlichen Straßennetz hatte, sondern von den Grundstücken 979/3 und 979/1 je alt und der ebenfalls im Eigentum der Rechtsvorgänger des Klägers stehenden Parzelle 983 vollständig umgrenzt wurde. 1955 wurde von den Rechtsvorgängern des Beklagten und der weiteren Miteigentümer ein Wirtschaftsgebäude mit Schuppen samt Düngerstätte und Jauchegrube mit einer Einfahrt vom streitgegenständlichen Weg her vorgesehen, das Bauvorhaben wurde im Einverständnis mit den Eigentümern der Wegparzelle durchgeführt. Damals entstand auch eine Garage mit zwei Einfahrten. Die Rechtsvorgänger des Klägers stimmten dem Bauvorhaben ausdrücklich zu. Ab Baubeginn des Wohnhauses Gründlweg 19 im Jahr 1952 wurde der streitgegenständliche Weg zunächst mit einem Moped, später mit einem PKW befahren, mit dem täglich zu der mit Zustimmung des Klägers errichteten, im Westen an den Weg angrenzenden Garage zu- und abgefahren wurde.
Im Jahr 1988 strengte die Eigentümerin des Grundstückes 995/1, Anna H*****, zu 2 C 2903/88 des Erstgerichtes gegen den Beklagten und einen weiteren Miteigentümer ein Verfahren an, in dem sie die Feststellung begehrte, daß den Beklagten kein Recht auf das Befahren des in ihrem Eigentum stehenden Wegteiles mit PKW und LKW zustehe und die (dort) Beklagten das Befahren dieses Wegstückes mit Fahrzeugen aller Art, soweit sie nicht der landwirtschaftlichen Nutzung dienen, zu unterlassen hätten. Das mangels damals abgelaufener Ersitzungszeit klagestattgebende Urteil ist 1994 in Rechtskraft erwachsen. Seither ist es dem Beklagten, ohne gegen das Unterlassungsgebot zu verstoßen, nicht möglich, zu den Garagen zuzufahren. Die Eigentümer des Grundstückes 995/2 haben dem Beklagten und seinen Rechtsvorgängern das Befahren des in ihrem Eigentum stehenden Wegteiles nicht untersagt. Mit dem Befahren des im Eigentum des Klägers stehenden Wegstreifens 979/1 mit zweispurigen Fahrzeugen war der Kläger bis zum Jahr 1992 immer einverstanden. Wegen aufgetretener pesönlicher Differenzen mit dem Beklagten - dieser ist der Neffe des Klägers - untersagte er erstmals das Befahren seines Wegstreifens 979/1 mit dem PKW zur Zu- und Abfahrt zu den Garagen. Der Beklagte stellte daraufhin seinen PKW häufig im Einmündungstrichter des strittigen Weges, gelegentlich auch so ab, daß dem Kläger die Zufahrt über den Weg zu seinen Grundstücken nicht möglich war.
Mit der am eingelangten Klage begehrt der Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Benützen der ihm gehörigen Grundparzelle 979/1 KG ***** in Form von Abstellen und Befahren (auch Reversieren) von Personenkraftwagen zu unterlassen. Die Benützung sei dem Beklagten früher nur prekaristisch eingeräumt worden. Durch das Unterlassungsurteil 2 C 2903/88 sei ihm die Zufahrt zu den Garagen nicht mehr möglich, das Bestehen auf einem Fahrtrecht, das technisch auf dem zu schmalen Wegstreifen nicht ausgeübt werden könne, sei rechtsmißbräuchlich.
Der Beklagte wandte Ersitzung ein, weil er die Dienstbarkeit des Fahrens seit 1952 mit Zustimmung der Rechtsvorgänger des Klägers und des Klägers selbst ausgeübt habe. Er habe beim Abstellen seines PKW den Weg nicht verstellt.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, das Benützen der dem Kläger gehörigen Parzelle 979/1 in Form von Abstellen von Personenkraftwagen zu unterlassen und wies das Mehrbegehren, auch das Befahren (Reversieren) der genannten Parzelle zu unterlassen, ab.
Der Beklagte habe die gegenständliche Dienstbarkeit des Befahrens mit Kraftfahrzeugen ersessen. Darüber hinaus liege auch eine vertragliche Dienstbarkeit des Fahrweges vor, es sei zur schlüssigen Einräumung eines Wegerechtes durch die Rechtsvorgänger des Klägers und in der Folge durch diesen selbst gekommen. Die Dienstbarkeit umfasse aber nur das Befahren, nicht auch das Abstellen von Fahrzeugen. Das Parken von PKWs durch den Servitutsberechtigten stelle eine unzulässige Erweiterung der Servitut dar. Eine Dienstbarkeit erlösche nur dann, wenn sie endgültig zwecklos werde, bestehe aber solange weiter, als sie noch zur vorteilhaften oder zweckmäßigeren Benützung des herrschenden Gutes beitragen könne. Die Dienstbarkeit sei durch die 1969 erfolgte Angrenzung an das öffentliche Gut daher nicht erloschen.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien in der Hauptsache keine Folge.
Bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchem eine offenkundig der anderen dient und weiterhin diene, entstehe auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit. Schon der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand habe das Entstehen einer Dienstbarkeit zur Folge. Das Haus auf dem Grundstück 979/2 (jetzt 979/5) sei bereits zu einem Zeitpunkt errichtet worden, als das Grundstück 979 noch nicht geteilt gewesen sei. Bereits für den Bau sei eine Zufahrt über den streitgegenständlichen Weg erforderlich gewesen. Mit der Errichtung des Hauses, der Teilung der Parzelle 979 in drei Parzellen, unter anderem 979/2 und die strittige Wegparzelle 979/3 (jetzt 979/1) und der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück 979/2 sei ein Servitutsrecht zugunsten der Eigentümer des Grundstückes 979/2 (nunmehr 979/5) entstanden. Die Rechtsvorgänger des Klägers hätten überdies anläßlich der Bauverhandlung 1955 keinen Einwand gegen eine Einfahrt vom streitgegenständlichen Weg her erhoben, dies sei auch als Willenserklärung im Sinne des § 863 Abs 1 ABGB anzusehen. Es liege eine ausdrückliche Zustimmung zur Errichtung einer Liegenschaftszufahrt vor, die zwingend die Benützung des strittigen Weges voraussetze. Servituten erlöschten nach § 524 ABGB nur bei völliger Zwecklosigkeit, gänzlicher Unwirtschaftlichkeit oder Unmöglichkeit der Ausübung für den Berechtigten. Die Stillegung eines auf dem herrschenden Gut betriebenen Unternehmens führe mangels endgültiger Widmung des herrschenden Grundstückes für andere Zwecke nicht zum Untergang der Dienstbarkeit. Dem Beklagten sei zwar wegen des rechtskräftigen Unterlassungsurteiles 2 C 2903/88 derzeit die Zufahrt zu den auf dem herrschenden Grundstück befindlichen Garagen nicht möglich, ohne gegen das Unterlassungsgebot zu verstoßen, weil hiezu zwingend auch das Grundstück 995/1 der Anna H***** mitbefahren werden müßte. Im südlichen Bereich des strittigen Weges liege die zweite Weghälfte aber nicht auf dem Grundstück der Anna H*****, dessen Eigentümer habe das Befahren aber nicht untersagt. In diesem Bereich bestehe die Nützlichkeit der Servitut zum Reversieren jedenfalls noch. Aber auch hinsichtlich des weiteren Wegteiles, also insoweit, als das Grundstück der Anna H***** mitbenützt werden müßte, seien die Voraussetzungen für ein Erlöschen der Servitut noch nicht gegeben, weil die Unmöglichkeit des Befahrens dieses Teiles noch nicht endgültig sei. Dem Beklagten und den übrigen Miteigentümern sei es nach wie vor möglich, mit der Eigentümerin des Grundstückes 995/1 eine entsprechende Vereinbarung zu treffen, so daß es in Zukunft wiederum zur rechtmäßigen Ausübung kommen könne. Hinsichtlich des Abstellens des PKW im Einmündungstrichter des strittigen Weges sei den Ausführungen des Erstgerichtes beizupflichten.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehle, ob ein bestehendes Servitutsrecht bereits dann erlösche, wenn es nicht ausgeübt werden könne, weil die Breite des belasteten Grundstückes nicht ausreiche und hinsichtlich des mitzubenützenden Wegstreifens ein Unterlassungsgebot bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß eine Dienstbarkeit nur dann erlischt, wenn sie infolge Veränderungen der Umstände dem herrschenden Gut keinen Vorteil mehr bringt, doch ist dies bei einer Wegservitut nur dann anzunehmen, wenn eine nun zur Verfügung stehende Straße nach Lage und Beschaffenheit einen vollen Ersatz für den dem Berechtigten zur Ausübung seines Geh- und Fahrrechtes benützte Servitutsweg bietet und wenn die Ausübung der Dienstbarkeit nicht nur vorübergehend, sondern dauernd unmöglich geworden ist. Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist auf eine endgültige Zwecklosigkeit des Wegerechtes abzustellen, so daß die Stillegung eines von dem herrschenden Grund betriebenen Unternehmens, dessen Bedürfnisse Bestand und Maß einer ungeregelten Dienstbarkeit bestimmen, bloß zu einem Ruhen der Rechtsausübung führen und mangels endgültiger Widmungsänderung des herrschenden Gutes für andere Zwecke, nicht aber zum Untergang des Rechtes führen. Sogar der Untergang des dienenden oder des herrschenden Grundes bewirkt nach § 525 ABGB bloß eine als "Einstellung" bezeichnete Latenz des Rechtes und nicht dessen endgültigen Untergang (SZ 60/227 ua).
Die Tatsache, daß das im Miteigentum des Beklagten stehende Grundstück seit dem Jahr 1969 erstmals an einen öffentlichen Weg angrenzt, läßt die Wegeservitut nach Lage und Beschaffenheit der Baulichkeiten, zu deren Nutzung sie dient, keineswegs zwecklos erscheinen und bietet keinen Ersatz für den Servitutsweg. Nicht nur die Einfahrt zu den Garagen, sondern auch die am Weg liegende Hauseinfahrt, der Hauseingang und die Gartentüre sind zum Servitutsweg hin orientiert, der in seinem Einmündungsbereich bis zum Grundstück 995/1, hinsichtlich dessen Benützung ein Unterlassungsgebot besteht, daher nicht nur zum Reversieren mit einem PKW, sondern auch dazu dient, möglichst nahe an die Eingänge und Einfahrten heranreichend als Zubringungsmöglichkeit für Lasten mit zweispurigen Fahrzeugen genutzt zu werden. Gerade in Fällen, in denen ein bereits angelegter Weg auch von dessen Eigentümern als Zufahrt genützt wird, ist deren Belastung durch die Mitbenützung des Weges in gleicher Weise durch einen weiteren Anrainer gering. Diese Mitbenützung wird, wie gerade der vorliegende Fall und das vorangegangene Verfahren 2 C 2903/88p zeigen, vielfach auch jahrelang geduldet und in der Folge nur wegen Ausbruches persönlicher nachbarlicher Streitigkeiten untersagt. Vielfach liegen der Untersagung auch nur finanzielle Erwägungen zugrunde, so daß durch Abschluß einer entgeltlichen Vereinbarung die Wiederbenützung in Zukunft durchaus nicht ausgeschlossen ist. Überdies erscheint auch der Erwerb des erforderlichen (Teil-)Wegstreifens, sei es im Erbgang (die Streitteile sind Verwandte), sei es durch Abschluß eines Kaufvertrages oder auch eine Vereinbarung mit einem Rechtsnachfolger der derzeitigen Eigentümer schon nach der allgemeinen Erfahrung durchaus im Bereich des Möglichen. Die Tatsache allein, daß die Garagen, deren Einfahrt nur vom strittigen Weg aus möglich ist, derzeit mit einem zweispurigen Fahrzeug nicht erreicht werden können, läßt daher noch keineswegs auf eine dauernde Unmöglichkeit der rechtmäßigen Ausübung der Dienstbarkeit des Fahrens schließen. Es ist daher, ähnlich einer vorübergehenden Betriebsstillegung ohne endgültige Umwidmung zu Zwecken, die die Dienstbarkeit endgültig entbehrlich machen, nur von einer Latenz des Rechtes, nicht aber von einer Zwecklosigkeit und dauernden Unmöglichkeit der Rechtsausübung der Dienstbarkeit auch in Zukunft auszugehen. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend ausgeführt, daß die ersessene und darüber hinaus vertraglich zuerkannte, vom Kläger außerbücherlich übernommene Servitut nicht erloschen ist.
Der vom Kläger ohne anwaltliche Fertigung eingebrachte und am eingelangte Schriftsatz war nach dem Grundsatz der Einmaligkeit eines Rechtsmittels und überdies als erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist verspätet eingebracht zurückzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.