OGH vom 26.08.2008, 4Ob89/08d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 26.000 EUR), über den ordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 143/07t-15, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 45/07z-11, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.468,08 EUR (darin 244,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft eines deutschen Fernsehunternehmens. Sie verfügt über eine Rundfunklizenz nach dem Privatfernsehgesetz (PrTV-G) und strahlt in Österreich verschlüsseltes Abonnentenfernsehen aus.
Die Beklagte betreibt ein Mobilfunknetz und bietet ihren Vertragskunden auf Basis ihres UMTS-Netzes mit Hilfe der Streaming-Technologie den Empfang von Fernsehprogrammen an.
Das deutsche Mutterunternehmen der Klägerin erwarb die exklusiven Fernsehverwertungsrechte an den Wettbewerben der Österreichischen Fußballbundesliga für die Spielzeiten 2004/05 bis 2006/07 in Österreich, Deutschland, Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und Südtirol. Am übertrug sie der Klägerin exklusiv die Verwertungs- und Nutzungsrechte an den Spielen der Österreichischen Fußballbundesliga im gesamten Vertragsgebiet. Die Klägerin schloss im Oktober 2006 mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) eine Sublizenzvereinbarung über die Free-TV-Verwertung der Spiele der Österreichischen Fußballbundesliga ab dem 13. Spieltag der T-Mobile-Bundesliga in der Spielzeit 2006/07. Die Bildaufnahmen der Spiele werden von der Klägerin hergestellt und vom ORF unverändert übernommen und gesendet.
Für die Weiterleitung des Programms ORF 1 auf die mobilen Endgeräte der Kunden der Beklagten wird das ORF-Fernsehsignal zunächst in digitaler Form aufbereitet, also das allgemein empfangbare ORF-Ursprungssignal „live" abgenommen, komprimiert, wegen der kleineren Dimension der Mobiltelefonbildschirme auf eine geringere Anzahl von Bildpunkten herunterskaliert und dann in codierter Form als Datenstrom mittels eines Streaming-Servers an die mobilen Endgeräte gesendet. Dabei wird zwischen dem Server und dem mobilen Endgerät, das in die Streaming-Übertragung eingeloggt wurde, eine direkte (individuelle) Verbindung aufgebaut. Der Aufbau der bidirektionalen Verbindung zwischen Sendevorrichtung und mobilem Endgerät erfolgt erst, wenn das mobile Endgerät das Sendegerät dazu auffordert. Die von der Beklagten eingesetzte IPTV-Verbindung eignet sich grundsätzlich auch dafür, Daten vom mobilen Endgerät zum Server zurückzusenden. Um die Übertragung der Fernsehbilder - und anderer Multimediadienste - durchzuführen, baut die Beklagte ein eigenes IP-Netz mit einer ausreichenden Dienstgüte auf. Eine gesonderte Empfangseinrichtung in den mobilen Endgeräten ist nicht nötig.
Die Zahl der Endgeräte, die auf diese Weise gleichzeitig das Fernsehprogramm ORF 1 mitverfolgen können, ist durch die Kapazitäten des Streaming-Servers und die Auslastung der Funkkapazitäten in den Mobilfunkzellen beschränkt. Die in die TV-Übertragung eingeloggten Mobilfunkteilnehmer können auf ihren Endgeräten die Fernsehsendungen „live" empfangen. Von einem Server können etwa 1.500 Teilnehmer gleichzeitig versorgt werden. Durch Zuschaltung weiterer Server kann die Teilnehmerzahl erhöht werden. Eine Speicherung in dem Sinn, dass der Telefonteilnehmer das Signal zu einer beliebigen Zeit auf sein Endgerät übernehmen und von diesem abrufen könnte, erfolgt nicht.
Die Klägerin beantragte, zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, das von ihr produzierte Signal von Spielen der T-Mobile-Bundesliga, der Red Zac Erste Liga, des Stiegl-Cups, des UI-Cups sowie des ÖFBL All Star Game oder Teilen dieser Spiele in den Ländern Österreich, Deutschland, Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und Südtirol in einer für mobile Endgeräte empfangbaren Weise, etwa im Wege des Streaming, zu senden. Die Beklagte greife seit Bestehen der Sublizenzvereinbarung zwischen der Klägerin und dem ORF in die Rechte der Klägerin ein, wenn sie im Rahmen der ORF-Programme auch die Spiele der Österreichischen Fußballbundesliga sende. Das Recht zur Ausstrahlung der Spiele auf mobilen Endgeräten stehe der Klägerin zu, es sei der Beklagten nie eingeräumt worden. Sportübertragungen seien Filmwerke. Der Urheber habe gemäß § 18 UrhG das ausschließliche Recht, das Werk öffentlich aufzuführen, wobei auch die Benützung einer Rundfunksendung zur öffentlichen Wiedergabe außerhalb des Orts, an dem sie stattfinde, zur öffentlichen Aufführung gehöre. Beim Streaming einer Rundfunksendung auf ein UMTS-Telefon handle es sich nicht um Rundfunk im Sinn des § 17 UrhG, weil dabei bidirektionale „Punkt-zu-Punkt"-Verbindungen und nicht „Punkt-zu-Multipunkt"-Verbindungen zwischen den Basisstationen und den mobilen Endgeräten aufgebaut würden. Es liege keine Kabelweiterleitung nach § 17 Abs 2 UrhG vor, weil beim Streaming das Signal massiv verändert werde, sodass es nur mehr auf Mobiltelefonen empfangen werden könne. Die Bildqualität und die Integrität des Werks würden nachhaltig beeinträchtigt. Die Weiterleitung erfolge auch nicht zeitgleich. Streaming sei Telekommunikation und nicht Rundfunk. Die Anwendung des § 59a UrhG scheitere daran, dass eine unveränderte und zeitgleiche Weiterleitung fehle. Die Must-Carry-Regelung des § 20 PrTV-G gewähre dem Kabelnetzbetreiber kein Recht auf Einspeisung bestimmter Programme, sondern umgekehrt dem Rundfunkveranstalter ein solches auf Einspeisung in bestimmte Kabelnetze.
Die Beklagte wendete ein, Streaming der ORF-Programme sei eine zulässige Weiterleitung nach § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG. Die Echtzeitübertragung von Fernsehsendungen auf mobile Endgeräte sei eine Kabelweiterverbreitung nach der Satelliten- und Kabel-Richtlinie 93/83/EWG. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 59a Abs 1 UrhG umfasse der Begriff der Weitersendung mit Hilfe von Leitungen die in der Richtlinie angeführten Kabel- und Mikrowellensysteme. Gleiches müsse auch für die Auslegung von § 17 Abs 2 und 3 UrhG gelten. Mobilfunk verwende Frequenzen im Mikrowellenbereich (300 MHz bis 300 GHz) und sei daher ein Mikrowellensystem im Sinn der Richtlinie. Der vom österreichischen Gesetzgeber verwendete Leitungsbegriff sei technologieneutral auszulegen und daher für moderne Formen der Punkt-zu-Punkt-Übertragung offen, die auch Mobilfunk einschlössen. Der Sendungsinhalt, auf den abzustellen sei, werde nicht verändert. Die Beklagte übertrage die Rundfunkprogramme unverändert, vollständig und gleichzeitig mit der Erstsendung. Da urheberrechtliche Ansprüche aus der Benutzung von Rundfunksendungen zur Weitersendung nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden könnten, sei die Klägerin nicht aktiv legitimiert. Von der „Must-Carry"-Verpflichtung nach § 20 PrTV-G seien nicht nur Kabelfernsehnetze, sondern auch Festnetze wie etwa Telefonnetze erfasst, soweit darüber Fernsehprogramme integral verbreitet würden. Der Kabelnetzbetreiber habe die Pflicht, die Hörfunk- und Fernsehprogramme des ORF weiter zu verbreiten, was impliziere, dass er zur Weiterverbreitung der ORF-Programme auch urheberrechtlich berechtigt sei. Die Beklagte verstoße gegen § 18 UrhG nicht. Bei öffentlichen Aufführungen sei typischerweise eine räumliche Gemeinsamkeit der Zuhörer oder Zuseher gegeben. Für die TV-Übertragung über das UMTS-Netz der Beklagten sei hingegen die räumliche Zerstreutheit der Empfänger kennzeichnend. Auch eine öffentliche Zurverfügungstellung nach § 18a UrhG liege nicht vor, weil der Kunde beim „Live"-TV keinen Einfluss darauf habe, wann der jeweilige Inhalt übertragen werde.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Übermittlung von Rundfunksendungen des ORF mit Hilfe von Leitungen im Inland gelte als Teil der ursprünglichen Rundfunksendung (§ 17 Abs 3 letzter Satz UrhG). Zugleich sei in § 59a Abs 1 UrhG aF eine gesetzliche Lizenz zur Kabelweiterleitung ins In- und Ausland für ausländische Rundfunksendungen vorgesehen gewesen. Durch die Novelle 1996 sei diese Bestimmung an die europäische Satelliten- und Kabelrichtlinie angepasst und die Verwertungsgesellschaftenpflicht des Kabelweitersenderechts eingeführt worden, ohne zwischen in- und ausländischen Sendern zu unterscheiden. § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG sei unverändert geblieben. Ob das Netz der Beklagten unter diese Bestimmung falle, könne dahingestellt bleiben. Auch wenn nur § 59a UrhG anzuwenden wäre, mangle es der Klägerin an der Aktivlegitimation, weil das Zweitverwertungsrecht der Kabelweiterleitung nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden könne. Für die Auslegung des § 59a UrhG sei die Satelliten- und Kabelrichtlinie maßgebend, deren Art 1 Abs 3 Kabelweiterverbreitung als zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterverbreitung einer drahtlosen oder drahtgebundenen, erdgebundenen oder durch Satellit übermittelten Erstsendung mit Hilfe von Kabel- oder Mikrowellensystemen definiere. Die Begriffe zeitgleich, unverändert und vollständig seien vom Standpunkt des Empfängers zu sehen. Dass die physikalischen Informationsträger technisch identisch blieben, sei nicht erforderlich, weil sich bestimmte physikalische Veränderungen des Signals durch eine Weiterleitung notwendig ergeben müssten. Qualitätsunterschiede seien daher unbeachtlich. Ob die Kommunikation grundsätzlich auch vom Endgerät zum Sender möglich sei, sei ebenso unerheblich, weil der Empfänger auf die Sendung keinen Einfluss nehmen könne. Die technischbedingte Zeitverzögerung von maximal Sekunden ändere nach dem Empfängerhorizont nichts an der Gleichzeitigkeit. Dass durch das Mikrowellennetz der Beklagten nur eine eingeschränkte Zahl von Empfängern erreicht werden könne, schließe die Anwendung des § 59a UrhG nicht aus. Auch Kabelnetze würden eine vorher bestimmte Gruppe von Empfangsgeräten bedienen; deren Kapazität sei gleichfalls beschränkt. Streaming sei keine neue Nutzungsart, sondern eine technisch neue Weiterleitungsform, die in ihrer Wirkung der Kabelweiterleitung gleichzuhalten sei. Eine unzumutbare Einschränkung der Urheberrechte sei damit nicht verbunden. Der Urheber habe durch seine Zustimmung zur Erstsendung in die Weiterverbreitung an eine große, konkret nicht im Vorhinein bestimmte Empfängerzahl eingewilligt und dafür eine Abgeltung erhalten.
Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs infolge Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur urheberrechtlichen Einordnung der Weiterleitung von Rundfunkprogrammen über Mobilfunknetze zulässig sei.
Das juristische Hauptproblem der integralen Weiterleitung bestehender Rundfunkprogramme via „Handy-TV" bilde die Frage, ob der in § 17 Abs 2 und 3 UrhG sowie in § 59a UrhG verwendete Leitungsbegriff auch die bei Mobilfunk eingesetzten Funkverbindungen erfasse. Der österreichische Gesetzgeber habe sich für eine technologieneutrale, nämlich nicht auf Kabelleitungen und Mikrowellensysteme eingeschränkte Umsetzung der Satelliten- und Kabelrichtlinie entschieden. Im Sinn einer solchen Auslegung des Leitungsbegriffs, unter den nicht nur physische Kabelsysteme, sondern auch drahtlose Übertragungswege zu subsumieren seien, bilde - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - auch das Streaming von TV-Programmen mittels UMTS-Mobilfunk eine integrale Kabelweitersendung „mit Hilfe von Leitungen". Nur dieses Ergebnis werde dem Normzweck des § 59a UrhG gerecht. Kabelunternehmen, die Rundfunksendungen bloß unverändert und zeitgleich weiterleiteten, sollten nicht eine Fülle von Verträgen mit einer Vielzahl von Rechteinhabern an allen in den übernommenen Programmen vorkommenden Werken abschließen müssen, sondern sich nur mit jenen Rundfunkunternehmen, deren Programme sie übernehmen, oder mit der jeweiligen Verwertungsgesellschaft ins Einvernehmen setzen müssen. Auch die Satelliten- und Kabelrichtlinie verfolge den Zweck, den Rechteerwerb der Kabelbetreiber zu erleichtern, wo immer es diesen aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sei, die Rechte aller durch die Weitersendung Betroffenen rechtzeitig im erforderlichen Umfang zu erwerben. Dieser Normzweck gelte unabhängig davon, ob das Kabelunternehmen die Sendungen mit Hilfe von drahtgebundenen Leitungen oder mit Hilfe von Mobilfunkleitungen weiterleite, auch wenn die mit der Weiterleitung einhergehende Veränderung des Signals und die technischbedingte Zeitverzögerung über das UMTS-Netz etwas größer sein möge. Da es beim gleichzeitigen Weitersenden von Rundfunkübertragungen faktisch nicht möglich sei, rechtzeitig die Bewilligung aller Rechteinhaber an allen Werken in sämtlichen Sendungen an weitergeleiteten Programmen einzuholen, wäre mit der gegenteiligen Sichtweise in Wahrheit auch keine Besserstellung der Urheber, sondern nur die Unmöglichkeit der Verwendung neuer Technologien bei der Weiterleitung von Rundfunksignalen verbunden.
Solange der Empfänger das Programm nur passiv abrufen, keinen Einfluss auf den Ablauf oder Inhalt der Sendung nehmen und auch nicht den Zeitpunkt der Wiedergabe auf dem Mobiltelefon bestimmen könne, sei die verwendete Leitungstechnologie unerheblich. Der Begriff der Gleichzeitigkeit sei nicht im streng physikalischen Sinn zu verstehen, sondern diene lediglich als Abgrenzung zu zeitversetzten Sendungen, also zur Aufzeichnungswiedergabe. Das Erfordernis der unveränderten Weiterleitung betreffe den Programminhalt und nicht den technischen Informationsträger. Die Beschränkung des Nutzerkreises sei jeder Kabelweiterleitung, also auch einer drahtgebundenen, immanent. Die inhaltlich unveränderte „Live"-Übermittlung von Rundfunksendungen sei auch dann als integrale Weitersendung mit Hilfe von Leitungen anzusehen, wenn sie mittels Streaming über ein UMTS-Mobilfunknetz erfolge, wodurch nur eine geringfügige Zeitverzögerung beim Empfang eintrete. Die von der Klägerin beanstandete Weiterleitung der Fernsehprogramme des ORF im Inland durch die Beklagte gelte somit gemäß § 17 Abs 3 UrhG als Teil jener ursprünglichen Rundfunksendung, für welche die Klägerin dem ORF das Senderecht erteilt habe. Überdies wäre gemäß § 59a UrhG nur eine Verwertungsgesellschaft oder jener Rundfunkunternehmer, dessen Sendung weitergeleitet werde, zur Klage legitimiert.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Stattgebung des Sicherungsantrags anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Gemäß § 17 Abs 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, das Werk durch Rundfunk oder auf eine ähnliche Art zu senden. Einer Rundfunksendung steht es gemäß § 17 Abs 2 UrhG gleich, wenn ein Werk von einer im In- oder im Ausland gelegenen Stelle aus der Öffentlichkeit im Inland, ähnlich wie durch Rundfunk, mit Hilfe von Leitungen wahrnehmbar gemacht wird. Gemäß § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG gilt die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Übermittlung von Rundfunksendungen des ORF mit Hilfe von Leitungen im Inland als Teil der ursprünglichen Rundfunksendung. Das Recht, Rundfunksendungen von Werken einschließlich solche über Satellit zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen zu benutzen, kann gemäß § 59a Abs 1 UrhG nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden; dies gilt jedoch nicht für das Recht, Verletzungen des Urheberrechts gerichtlich zu verfolgen.
2. Hier ist zu beurteilen, ob die Verbreitung der Fernsehprogramme des ORF (ORF 1 und ORF 2) über das UMTS-Mobilfunknetz der Beklagten als Teil der ursprünglichen Rundfunksendung gilt, in welchem Fall der von der Klägerin der Beklagten vorgeworfene Urheberrechtseingriff nicht vorläge, oder die Weiterverbreitung des vom ORF übernommenen Fernsehsignals über das UMTS-Mobilfunknetz als neue Verwertungsart zu beurteilen ist, die einer gesonderten Genehmigung/Lizenzierung durch den Urheber bedürfte.
Die Lösung dieser Frage hängt davon ab, ob der in den §§ 17 und 59a UrhG verwendete Leitungsbegriff auch die im Mobilfunk eingesetzten Funkverbindungen (Mikrowellen) erfasst. Dies ist mangels gesetzlicher Klarstellung strittig.
2.1. Ein Lösungsversuch im Schrifttum beruft sich auf die Übertragung geschützter Werke über das Telefonnetz, die 1936 zur Regelung des § 17 Abs 2 UrhG geführt habe. Funktionell unterscheide sich der Mobilfunk unter dem Gesichtspunkt der urheberrechtlichen Verbreitung vom klassischen Telefon nicht entscheidend, was für eine Einordnung unter § 17 UrhG spreche. Andere Autoren bezweifeln die Verwirklichung des Tatbestands der Weitersendung mit Hilfe von Leitungen im Fall der weiteren Verbreitung aufgrund der UMTS-Technologie, auch wenn das Signal im Vorfeld über Leitungen im engeren Sinn transportiert wurde (siehe zu diesem Diskussionsstand Lusser/Krassnigg-Kulhavy in Kucsko, urheber.recht 892 mwN). Scherbaum/Ertl („Handy goes TV": Der gesetzliche Rahmen für Mobile-TV in Österreich, MR 2007, 278, [284]) verweisen darauf, dass der Begriff der Weitersendung mit Hilfe von Leitungen sowohl Kabel- als auch Mikrowellensysteme umfasse und daher technologisch weit auszulegen sei, weshalb die Weiterleitung der Fernsehsendungen über das UMTS-Mobilfunknetz als Teil der ursprünglichen Rundfunksendung zu werten sei, wenn es sich um die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Weitersendung von Rundfunksendungen handle. Auch sie verweisen (in FN 79) insoweit auf die ErlRV 1996 zur UrhG-Nov 1996 (abgedruckt in Dittrich, Österreichisches und internationales Urheberrecht5 303 f), wonach sich der österreichische Gesetzgeber unter Bedachtnahme auf die Weitersendung auch mit Hilfe von Mikrowellensystemen für eine technologieneutrale Umsetzung der SatellitenRL in das österreichische Urheberrecht entschieden habe.
Dagegen vertritt Walter (Österreichisches Urheberrecht Handbuch I Rz 676), dass das „ORF-Privileg" (§ 17 Abs 3 letzter Satz UrhG) auf Handy-TV nicht anwendbar sei, weil keine Weitersendung über Leitungen, sondern über Mikrowellensysteme erfolge. Die Übertragung wäre ferner nicht auf das Inland beschränkbar. Vor allem entspreche aber die Übertragung über mobile Telefonsysteme, die sich an die Allgemeinheit richteten, nicht mehr dem Zweck der Begünstigung, dem ORF als öffentlich-rechtlichem Rundfunkunternehmer die Erfüllung seines Versorgungsauftrags in entlegenen Gebieten mit Hilfe lokaler Kabelbetreiber zu erleichtern. Auch Fischer/See (in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Gemeinschaftsrecht und Rundfunk - Revolution oder Anpassung, 93 f) hält die zuvor erörterte technologieneutrale Auslegung für „fragwürdig", weil „das Verbotsrecht der Urheber und Inhaber verwandter Schutzrechte im Hinblick auf den gewährleisteten grundsätzlichen Schutzanspruch in einem nicht vertretbaren Maße konterkariert würde". Eine „analoge Anwendung des § 17 Abs 3 UrhG auf die - technisch in Form von Mikrowellen erfolgende - UMTS-Weitersendung als 'kabelloses Kabelfernsehen' sollte auch deswegen ausscheiden, weil die Praxis der UMTS-Anbieter begrifflich als 'one-to-one-Dienst' einzuordnen" sei. Im Gegensatz dazu handle es sich bei Rundfunk um einen „point-to-multipoint-Dienst". Da sich die Bestimmung des § 17 Abs 3 UrhG auf den Regelungsgegenstand Rundfunk beziehe, sei „eine Anwendung desselben im Rahmen der UMTS-Technologie nicht vertretbar". Die Gleichsetzung der Weitersendung über Mikrowellensysteme mit der Weitersendung über Kabelsysteme in der Satelliten-RL habe andere historische Grundlagen gehabt (Weitersendepraxis in der Republik Irland). Dieser Autor sieht darüber hinaus das Problem, dass bei Anwendbarkeit des § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG im erörterten Kontext der ORF entweder den Urhebern auch die Weiterverwendung der Sendungen zur Weiterverbreitung über Mobilfunknetze in der Vertragspraxis abgelten werde müssen, ohne diese Zusatzkosten auf die kommerziell tätigen Mobilfunknetzbetreiber abwälzen zu können, oder die entsprechenden Senderechte nicht erhalten werde.
3. Der erkennende Senat schließt sich der Ansicht des Rekursgerichts an, wonach kein tragfähiger Grund für eine Verschiedenbehandlung von Kabelleitungen im engeren Sinn und den im Zeitpunkt der Erlassung der EWG-RL 93/83/EWG - Satellitenrichtlinie in Irland bereits bestehenden Mikrowellensystemen einerseits und Mobilfunkverbindungen andererseits erkennbar ist. Der Normzweck, Kabelunternehmen, die Rundfunksendungen - hier des ORF - bloß vollständig, unverändert und zeitgleich weiterleiten, von den Schwierigkeiten des Rechteerwerbs im Einzelnen zu befreien, trifft auf Kabelnetzbetreiber ebenso zu wie auf Mobilfunknetzbetreiber.
3.1. Der von der Klägerin befürchteten Verkürzung der Urheber im Falle einer weiten Interpretation des Begriffs der „Kabelweiterverbreitung" ist im Grundsätzlichen entgegenzuhalten, dass die Verwendung des Mobilfunkendgeräts als Fernseher aus der Sicht des Verbrauchers lediglich den Einsatz kleiner tragbarer Fernsehgeräte substituiert, die das Rundfunksignal unmittelbar empfangen können.
3.2. Die für eine Gleichsetzung der Übermittlung des Sendesignals über das UMTS-Mobilfunknetz im Weg des „Streaming" mit dessen Übermittlung im Weg fester Leitungen geforderten Voraussetzungen der gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Sendung und der Wahrnehmbarkeit für eine breitere Öffentlichkeit sind im Gegensatz zu der von der Klägerin vertretenen Auffassung verwirklicht. Die technischbedingte und von der Zahl der Nutzer abhängige, insgesamt aber geringfügige Zeitverzögerung (von einigen Sekunden) ist unbeachtlich. Abgesehen davon, dass sie für den Verbraucher völlig unbedeutend ist, ermöglicht die geringe Zeitspanne für die technisch erforderliche Signalumwandlung und Ausstrahlung keinen Eingriff in das insofern zeitgleich weitergeleitete Programm. Es kann aber auch aus einer geringfügigen Beeinträchtigung der Bildqualität nicht auf eine veränderte Übermittlung geschlossen werden, soll doch bloß der Eingriff in das Programm an sich ausgeschlossen werden (Weisser/Höppener, Kabelweitersendung und urheberrechtlicher Kontrahierungszwang, ZUM 2003, 597 [602]).
3.3. Unabhängig davon, ob im Sinn der klägerischen Argumentation am Öffentlichkeitserfordernis des § 17 Abs 2 UrhG auch bei der passiven Weitersendung mit Hilfe von Leitungen als Zweitverwertung (§ 59a UrhG) festzuhalten ist, wäre dieses Kriterium ausgehend von den getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die mit einem Server ermöglichte Versorgung von 1.500 Verbrauchern und die zusätzliche Möglichkeit, weitere Server bei Bedarf in Betrieb zu nehmen, erfüllt. Von einer von vornherein limitierten Kapazität kann daher insofern nicht ausgegangen werden. In diesem Punkt verlassen die Rechtsmittelausführungen den Boden des bescheinigten Sachverhalts.
3.4. Auch der Verweis der Klägerin auf die Vertragspraxis (gesonderte Lizenzierung von Sendungen über Mobilfunknetze) oder ein Bestreben der Europäischen Kommission, eine getrennte vertragliche Verwertung der Rundfunksenderechte und der Weiterverbreitung eines Rundfunksignals über Mobilfunknetze zu erreichen, ermöglichen keine zwingenden Rückschlüsse auf die Rechtslage. Vertragsgestaltungen vermögen zwingende gesetzliche Bestimmungen nicht auszuhebeln, weshalb insofern belanglos ist, was die Klägerin mit dem ORF im Einzelnen vertraglich vereinbarte oder nicht vereinbarte.
3.5. Zu Recht hat das Rekursgericht im Übrigen das Vorliegen einer öffentlichen Aufführung nach § 18 Abs 3 UrhG (vgl 4 Ob 309/86 - Hotel-Video = SZ 59/100) verneint, weil es hier nicht um die Weiterverbreitung von Videos im räumlich beschränkten Bereich eines Hotels, sondern um die Übermittlung von Rundfunksendungen im gesamten österreichischen Staatsgebiet geht. Durch die Übermittlung der ORF-Fernsehprogramme über das UMTS-Mobilfunknetz der Beklagten wird ferner im Vergleich mit der Ausstrahlung der Fernsehprogramme durch den ORF selbst insoweit kein neuer Nutzerkreis erschlossen, als die Mobilfunkendgeräte bloß an die Stelle sonst einsetzbarer tragbarer Fernsehgeräte (Taschenfernseher, Notebook mit Fernsehempfang, Autofernsehgerät) treten. Auch aus der von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Rs C-306/05 (SGAE gegen Rafael Hoteles SL) lässt sich nicht ableiten, dass der hier zu beurteilende Sachverhalt § 18 Abs 3 UrhG (öffentliche Aufführung) und nicht § 17 UrhG (Sendung) zu unterstellen wäre.
3.6. Der Umstand, dass die Übermittlung der vom ORF gesendeten Fernsehprogramme über das UMTS-Mobilfunknetz der Beklagten technisch mit Hilfe von bidirektionalen Funkverbindungen zwischen Sendestationen und Mobilfunkendgeräten bewältigt wird und insoweit eine anders strukturierte Technologie Verwendung findet, als bei der Sendung von Rundfunksignalen von einem Sender zu einer unbestimmten Mehrzahl an Empfangsgeräten, ist für die Lösung der erörterten Rechtsfrage ebenso nicht ausschlaggebend. Die Weiterverbreitung der Sendungen über das UMTS-Mobilfunknetz im Weg des Live-Streaming bewirkt für den Nutzer nichts anderes als den Empfang von Rundfunksignalen im herkömmlichen Weg: Es ermöglicht den Empfang von Fernsehsendungen des ORF mit Hilfe eines hiefür geeigneten Endgeräts, nämlich des mobilen Funktelefons.
3.7. Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Die vollständige und inhaltlich unveränderte, lediglich technischbedingt geringfügig zeitverzögerte Übermittlung der Fernsehprogramme des ORF im Inland mittels Streaming über ein UMTS-Mobilfunknetz gilt gemäß § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG als Teil der ursprünglichen Rundfunksendung.
3.8. Da die Klägerin mit dem ORF die Verwertung der von ihr hergestellten Sendesignale für die von jenem ausgestrahlten Fernsehsendungen vereinbarte, verletzte die Beklagte durch die Übermittlung der ORF-Sendesignale im UMTS-Mobilfunknetz die Urheber-/Verwertungsrechte der Klägerin nicht. Die Abweisung des auf Urheberrechtsverletzungen der Beklagten gestützten Sicherungsantrags erfolgte daher zu Recht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.