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OGH vom 03.06.2009, 7Ob33/09t

OGH vom 03.06.2009, 7Ob33/09t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Matthias R*****, vertreten durch Liebscher Hübel & Lang Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei und die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 245/08y-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 25 Cg 2076/06z-15, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in ihrem klagsstattgebenden Teil (Punkt 1. des Urteils des Erstgerichts) und in der Kostenentscheidung dahin abgeändert, dass das Urteil insoweit lautet:

(Auch) das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei für den an der Tennishalle der klagenden Partei in Z***** am entstandenen Schaden Deckungsschutz zu gewähren habe, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.629,81 EUR (darin enthalten 763,13 EUR an USt und 1.051 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien besteht hinsichtlich der Tennishalle des Klägers samt Gaststätte in Z***** eine Sturmschadenversicherung, bei der auch Schneedruckschäden gedeckt sind. Der Versicherungsvertrag ist aufrecht. Es liegen ihm die S-ABS 1996 und die S-AStB 1996 zugrunde.

Die ABS lauten, soweit hier von Bedeutung:

„Artikel 3

Sicherheitsvorschriften

1. Verletzt der Versicherungsnehmer gesetzliche, behördliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften oder duldet er ihre Verletzung, kann der Versicherer innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, die Versicherung mit einmonatiger Frist kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Verletzung bestanden hat.

2. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadensfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Schadensfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat, oder wenn zur Zeit des Schadensfalls trotz Ablauf der Frist die Kündigung nicht erfolgt ist.

3. Im Übrigen gilt § 6 VersVG.

...

Artikel 12:

Schuldhafte Herbeiführung des Schadensfalles, Obliegenheitsverletzung nach Schadenseintritt

1. Wenn der Versicherungsnehmer oder eine der in leitender Stellung für die Betriebsführung verantwortlichen Personen den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt, ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber von jeder Verpflichtung zur Leistung aus diesem Schadensfall frei. Werden von den genannten Personen nach Eintritt des Schadensfalls zu erfüllende Obliegenheiten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt, tritt Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG ein.

..."

Die S-AStB lauten auszugsweise:

„Artikel 1

Versicherte Gefahren und Schäden

...

1.3. Schneedruck

Schneedruck ist die Kraftwirkung durch natürlich angesammelte ruhende Schnee- oder Eismassen.

...

Artikel 5:

Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor dem Schadensfall

1. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, die versicherten Sachen, bei versicherten Gebäuden vor allem das Dachwerk, ordnungsgemäß in Stand zu halten.

2. Die vorstehende Obliegenheit gilt als vereinbarte Sicherheitsvorschrift im Sinne des Artikel 3 S-ABS."

Bei der Berechnung des Dachtragewerks der Hallenkonstruktion unterliefen Fehler, sodass die Bemessung nicht normgemäß erfolgt ist. Die angesetzten Schneelasten lagen unter den geforderten Normbelastungen und die als 'Windlasten' geforderten Normansätze wurden vom Statiker gänzlich vernachlässigt. Dadurch waren sowohl die Sekundärbinder als auch der Hauptbinder im First unterbemessen.

Am knickte infolge Schneedrucks auf der Nordseite der Dachkonstruktion ein Leimbinder ein, wodurch die gesamte Dachfläche zwischen dem ersten und dem dritten Leimbinder einbrach. Zum Schadenszeitpunkt befand sich auf dem Dach ca 50 bis 60 cm hoch angewehter Schnee. Die zu geringe Dimensionierung der Leimbinderträger fiel dem schadensaufnehmenden Sachverständigen der Beklagten auf. Im Einvernehmen mit dem Schadensreferenten der Beklagten wurde angeordnet, dass der neue Leimbinder mit stärkeren Ausmaßen eingebaut werde. Auch dem Kläger gelangte zur Kenntnis, dass das Hallendach nicht normgemäß bemessen und die notwendige Tragfähigkeit der Dachkonstruktion, insbesondere für außergewöhnliche Auflasten, nicht vorhanden war.

Der Kläger nahm eine Sanierung des Daches nicht vor.

Am Abend des begann es massiv zu schneien, sodass sich die Schneehöhe von damals maximal 25 cm rasch erhöhte. Der Kläger wurde vom Pächter gegen 22:30 Uhr gerufen, weil es in der Halle „krachte". Am nächsten Morgen konnten Sicherungsmaßnahmen wie Abschaufeln des Hallendaches oder Abstützen wegen akuter Einsturzgefahr und daraus resultierender Gefahr für Leib und Leben nicht mehr vorgenommen werden. Am späten Nachmittag des brach letztlich ein Teil des Hallendaches ein. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich mindestens 60 cm Schnee auf dem Hallendach. Kausal für den Einsturz war eine Überbeanspruchung in den sekundären Leimbinderträgern. Es kann nicht festgestellt werden, ob das Dach auch bei normgemäßer, korrekter Bemessung diesen Schneelasten standgehalten hätte. Der Sachverständige der Beklagten teilte dieser mit, dass die noch nicht eingestürzten Dachteile unbedingt raschest und tragfähig zu unterstellen seien, weil mit weiteren Schneefällen zu rechnen sei. Das Dach sei am nicht abgeschaufelt gewesen.

Die entsprechenden Mitteilungen des Statikers und des Sachverständigen wurden dem Klagevertreter übersandt und auch dem Kläger bekannt. Abstütz- und Räumungsarbeiten seien sofort vorzunehmen. Der Kläger hielt die Information jedoch nicht für wesentlich und beachtete sie nicht. Die Dachkonstruktion wurde nicht unterstellt.

Am kam es zu einem weiteren Einsturz eines Teils des Hallendaches. Zu diesem Zeitpunkt lagen schon seit mehreren Tagen mindestens 50 cm Schnee auf dem Hallendach, sodass der Einsturz neuerlich durch eine Überschreitung der Tragfähigkeit der unterdimensionierten Leimbinderträger verursacht wurde.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht für die Schadensfälle vom und . Es liege keine grob schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Schadensabwendung oder Schadensminderung vor. Beim Teileinsturz im März 2005 sei der geknickte Leimbinder ohnedies durch einen größer dimensionierten Sparren ersetzt worden. Vor dem habe für den Kläger kein Hinweis auf einen drohenden Schneedruckschaden bestanden. Die Schneefälle seien überraschend stark ausgefallen. Der Kläger sei wegen der massiven Gefahr für Leib und Leben nicht im Stande gewesen, für die Abwendung des Schadens zu sorgen. Am habe die Höhe der auf dem Dach befindlichen Schneedecke keinerlei objektiven Anlass zur Befürchtung gegeben, dass ein weiterer Schadensfall eintreten könnte. Der Kläger habe vor dem das Hallendach mehrfach selbst abgeschaufelt und auch abschaufeln lassen. Die Beklagte habe den Kläger vor dem Schadensfall vom keine Weisungen im Sinne des § 62 VersVG erteilt. Er habe keine Obliegenheitsverletzung begangen. Die Beklagte könne sich gemäß § 6 Abs 1 VersVG auch nicht auf ihre Leistungsfreiheit berufen, weil sie den Versicherungsvertrag nicht innerhalb eines Monats ab Kenntnis einer angeblichen Obliegenheitsverletzung gekündigt habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei wegen des zumindest grob fahrlässigen Verstoßes gegen die vereinbarten Versicherungsbedingungen leistungsfrei. Dem Kläger sei bereits nach dem Schadensfall vom die zu geringe Dimensionierung der Leimbinderträger bekannt gewesen, er hätte für eine Verstärkung der Tragelemente Sorge tragen müssen. Trotz dieses Wissens habe es der Kläger zugelassen, dass sich im Winter 2005/2006 auf dem Dach der Tennishalle große Schneemassen angesammelt hätten. Der Kläger sei nach dem Schadensfall vom neuerlich auf Schadensabwehrhandlungen hingewiesen worden, er habe jedoch neuerlich nichts unternommen, sodass das Dach ein weiteres Mal zum Teil habe einstürzen können. Der Kläger habe die Schadensfälle vom und zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, sodass die Beklagte leistungsfrei sei.

Das Erstgericht stellte die Deckungspflicht der Beklagten für den Schadensfall vom fest, wies aber das Begehren auf Feststellung der Deckungspflicht für den Schadensfall vom ab. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger gegen keine Instandhaltungsobliegenheiten verstoßen habe. Der Halleneinsturz am sei nicht grob fahrlässig herbeigeführt worden. Der Kläger sei vielmehr von den gewaltigen Neuschneemassen überrascht worden und habe den Schadenseintritt nicht vorhersehen können. Die Setzung schadensverhindernder Maßnahmen sei ohne Gefährdung von Menschenleben nicht möglich gewesen. Beim zweiten Schadensfall vom sei jedoch dem Kläger vorzuwerfen, dass er in Kenntnis der nicht normgemäßen Tragfähigkeit bzw der beschränkten Belastbarkeit des Daches gewesen sei. Der Kläger habe zwar anfänglich das Dach abgeräumt, jedoch auch die bereits vorhandene eingefrorene Schicht am Dach nicht entfernt und es in weiterer Folge zugelassen, dass letztlich eine Schneelast von zumindest 50 cm auf dem Hallendach gelegen sei. Damit habe er im vollen Bewusstsein der Gefährlichkeit der Situation vor dem keine schadensverhindernden Maßnahmen gesetzt.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Im Hinblick auf die unbekämpfte Negativfeststellung, dass nicht feststehe, ob das Dach auch bei normgemäßer, korrekter Bemessung den Schneemassen standgehalten hätte, sei der Beklagten für den Schadensfall vom der Nachweis der Kausalität zwischen dem grob fahrlässigen Verhalten des Versicherungsnehmers und dem Eintritt des Schadensfalls nicht gelungen. Überdies sei der Beklagten die zu geringe statische Bemessung des Daches nach dem Schadensfall im März 2005 bekannt geworden und sie habe den Versicherungsvertrag nicht gekündigt. Wenn sie nun meine, dass mit der von ihr selbst vorgeschlagenen „Sanierung" gegen die Instandhaltungsobliegenheit verstoßen werde, so hätte sie den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Verletzung nach § 6 Abs 1 VersVG kündigen müssen. Beim zweiten Schadensfall hingegen sei dem Kläger eine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen, weil er in Kenntnis der statischen Gegebenheiten weder seiner Verpflichtung zur Abschöpfung des Daches noch jener zur Unterstützung der Dachkonstruktion nachgekommen sei, obwohl ihm aufgrund zweier vorangegangener Schadensfälle die Gefahr von Schnee am Dach bekannt gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass hinsichtlich beider Schadensfälle der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision hinsichtlich des ersten Schadensfalls zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung dazu, welche Maßnahmen ein Versicherer im Zusammenhang mit sogenannten Instandhaltungsklauseln in allgemeinen Versicherungsbedingungen vom Eigentümer verlangen dürfe, wenn sich die grundsätzlich mangelhafte Errichtung des Gebäudes bei einem ersten Schadensfall herausstelle und inwiefern es sich tatsächlich um einen Verzicht auf die Geltendmachung einer Obliegenheitsverletzung handle, wenn der Versicherer den Erstschaden in Kenntnis der grundsätzlichen Mängel des Gebäudes ersetze, ohne die Versicherung für die Zukunft aufzukündigen. Die Revision hinsichtlich des zweiten Schadensfalls sei jedoch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die unzulässig ist. Der Kläger wird mit seiner außerordentlichen Revision primär auf die Ausführungen zu Punkt 2. verwiesen. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass es sich im Rahmen der Judikatur hält, beim chronologisch dritten Vorfall bereits von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadensfalls und Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 61 VersVG auszugehen. Der Kläger hat nämlich trotz zweier Schadensfälle neuerlich nichts unternommen, um das unterdimensionierte Dach zu sanieren oder abzusichern, was eine besondere Sorglosigkeit darstellt. Hier steht der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Klägers und dem Schadensfall fest. Auf die Beurteilung der Schwere des geschmolzenen Schnees kommt es nicht an. Der Beschluss, mit dem eine außerordentliche Revision zurückgewiesen wird, bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu 2.:

Gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die ordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Den Gegenstand der Revision bildet der (chronologisch zweite) Schadensfall vom .

Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt (§ 61 VersVG). Bei der Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls handelt es sich um einen (verhaltensabhängigen) Risikoausschluss (RIS-Justiz RS0080128). Für das Vorliegen des Risikoausschlusses ist der Versicherer beweispflichtig (RIS-Justiz RS0107031). Das Verhalten des Versicherungsnehmers muss zumindest mit kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls gewesen sein (7 Ob 41/98z; Prölss in Prölss/Martin, VVG27, § 61 Rn 6 und 17). Eine Beweismaßerleichterung kann nicht eintreten (Prölss aaO, Rn 23). Die Kausalität des Verhaltens des Klägers ist infolge der Negativfeststellung zur Frage, ob das Dach auch bei normgemäßer, korrekter Bemessung diesen Schneelasten standgehalten hätte, nicht erwiesen, was auch das Berufungsgericht erkannte, sodass sich die Beklagte nicht auf § 61 VersVG stützen kann. Es bleibt aber zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer nicht auch eine Obliegenheitsverletzung anzulasten ist.

Unter einer Obliegenheitsverletzung ist nicht jeder Verstoß gegen Verpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer obliegen, zu verstehen. Vielmehr muss es sich um die Verletzung solcher besonderer Pflichten handeln, die unter der Sanktion der Leistungsfreiheit stehen (RIS-Justiz RS0080435). Art 5.1. S-AStB regelt als Obliegenheit des Versicherungsnehmers vor dem Schadensfall, dass er das Dachwerk des versicherten Gebäudes in Stand zu halten hat. Nach den Feststellungen war dem Kläger bereits im März 2005 (durch den chronologisch ersten Schadensfall) bekannt, dass die Dachkonstruktion statisch unterdimensioniert ist und nicht dem normgemäßen Standard in dem Maß entspricht, dass es auch nicht zu einem Teileinsturz kommen kann. Zum Instandhalten gehört nicht nur die Erhaltung eines Zustands im engeren Sinn. Die Obliegenheit umfasst auch das Ergreifen geeigneter Maßnahmen, um der Gefährdung der Standfestigkeit durch einen bestehenden Mangel entgegenzuwirken (wie hier: Baumaßnahmen oder rechtzeitiges Abschaufeln auch erst entstehender Schneeansammlungen). Durch die Obliegenheit soll der Versicherungsnehmer zu Sicherungsmaßnahmen veranlasst werden, die die offenbare Gefährlichkeit des versicherten Objekts abwenden. Im Hinblick auf die Instandhaltungsobliegenheit war der Kläger verpflichtet, den ihm im Zuge des chronologisch ersten Schadensfalle bekannt gewordenen Mangel in der Statik der Dachkonstruktion beheben zu lassen. Die von der Beklagten gedeckte Behebung des chronologisch ersten Schadensfalls bezog sich naturgemäß nur auf die beschädigten Binder, nicht auf die gesamte Dachkonstruktion. Die Beklagte hat nicht nur die Wiederherstellung des ursprünglichen (unterdimensionierten) Zustands gedeckt, sondern gleich auf die nötige Verstärkung an den ersetzten Bindern gedrungen. Der Kläger, dem die Fehlkonstruktion bekannt war, unternahm aber in der Folge schlicht nichts, um für eine insgesamt statisch ordnungsgemäße Dachkonstruktion zu sorgen. Er ließ die Sache auf sich beruhen. Damit hat er gegen die Instandhaltungsobliegenheit verstoßen. Der Beklagten ist es also gelungen, eine Obliegenheitsverletzung nachzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es nach dem Beweis des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung durch den Versicherer Sache des Versicherungsnehmers zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe (RIS-Justiz RS0081313). Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (RIS-Justiz RS0043728). Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei (schlicht) vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers Einfluss gehabt hat (RIS-Justiz RS0116979, RS0081313).

Da der Versicherer den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung bewiesen hat, ist zu prüfen, ob dem Kläger grobe Fahrlässigkeit bei der Verletzung der Obliegenheitspflicht anzulasten ist.

Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0030272). Grobe Fahrlässigkeit ist im Bereich des Versicherungsvertragsrechts dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gegebenen Umständen hätte geschehen müssen (RIS-Justiz RS0080371).

Wird einem Versicherungsnehmer im Rahmen eines Versicherungsfalls bekannt, dass das Dach des Versicherungsobjekts, dass sich in schneereicher Lage befindet, unterdimensioniert ist und daher dem Schneedruck nicht ausreichend standhalten kann, ist es als grobe Fahrlässigkeit zu beurteilen, wenn der Versicherungsnehmer diese Sachlage völlig gleichgültig zur Kenntnis nimmt, untätig bleibt und die Gefahrenlage einfach ignoriert. Aufgrund der Witterungsverhältnisse war unter den vorliegenden Umständen jederzeit damit zu rechnen, dass es zu einem neuerlichen Zusammenbruch der noch immer unterdimensionierten Binder kommen kann. Dem Kläger ist daher grobe Fahrlässigkeit anzulasten.

Nun trifft den Kläger die Behauptungs- und Beweislast für den Kausalitätsgegenbeweis, also den Beweis, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat. Es steht fest, dass das Dach jedenfalls wegen der Unterdimensionierung der Tragekonstruktion eingestürzt ist. Nicht hingegen konnte festgestellt werden, ob das Dach auch bei normgemäßer korrekter Bemessung eingestürzt wäre. Für einen erfolgreichen Kausalitätsgegenbeweis hätte der Kläger beweisen müssen, dass die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls hatte, sich dieser also auch dann zugetragen hätte, wenn die Dachkonstruktion instandgesetzt worden wäre. Da dies aber nicht feststeht, sondern diesbezüglich ein non liquet vorliegt, gelang dem Kläger der Kausalitätsgegenbeweis nicht, was zu seinen Lasten geht.

Der Einwand des Klägers, der Versicherer könne sich nach § 6 Abs 1 VersVG nicht auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, weil er nicht innerhalb eines Monats nach dem chronologisch ersten Schadensfall den Versicherungsvertrag gekündigt habe, geht daran vorbei, dass die Verletzung der Obliegenheit beim chronologisch ersten Schadensfall als unverschuldet anzusehen ist, konnte doch der Kläger damals nicht wissen, dass ein Prüffehler des Statikers vorlag. In diesem Fall besteht keine Kündigungsmöglichkeit des Versicherers (§ 6 Abs 1 VersVG). Im Übrigen besteht der Kündigungszwang dann nicht, wenn der Versicherer erst nach dem Schadensfall Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung erlangt hat (RIS-Justiz RS0080523). Der Zweck der Kündigungsvorschrift wird nämlich darin erblickt, dass der Versicherer ihm bekannte Obliegenheiten nicht „auf Eis legen" und trotzdem Versicherungsprämien kassieren dürfe. Dieser Zweck ist bei erst nachträglicher Kenntnis der Obliegenheitsverletzung für den betreffenden Versicherungsfall nicht gefährdet (7 Ob 60/87). Der Beklagten war jeweils vor Eintritt der Schadensfälle die Obliegenheitsverletzung des Klägers nicht bekannt. Sie konnte nicht wissen, inwiefern und in welchem Umfang der Versicherungsnehmer seiner Obliegenheit nicht dennoch nachkommen oder inwiefern er den Witterungsbedingungen angepasste ad hoc-Maßnahmen (Abschaufeln des Daches, Unterstellen) ergreifen wird. Davon, dass die Beklagte den bedingungswidrigen (Dauer-)Zustand gekannt und akzeptiert habe und in Kenntnis gewesen sei, dass sie jedenfalls leistungsfrei werde, kann hier keine Rede sein.

Die Beklagte ist daher auch für den Schadensfall vom leistungsfrei.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der Streitwert für das Revisionsverfahren beträgt nur 6.000 EUR, der Ansatz daher 290,10 EUR.