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OGH vom 30.03.2009, 7Ob85/08p

OGH vom 30.03.2009, 7Ob85/08p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dr. Dietmar H*****, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen den Antragsgegner Christian H*****, sowie die weitere Partei, seine Mutter Regina H*****, wegen Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 754/07m-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom , GZ 7 Fam 10/07g-10, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller hat mit der Mutter des am geborenen Antragsgegners in der empfängniskritischen Zeit (§ 163 Abs 2 ABGB) geschlechtlich verkehrt und im August 1990 die außereheliche Vaterschaft zum Antragsgegner anerkannt.

Der Antragsteller ging in der Zeit seiner sexuellen Beziehung und danach davon aus, dass er der Vater des Antragsgegners sei, weil ihm dies die Mutter während ihrer Schwangerschaft mitgeteilt hatte. Im Jahr 1990 oder 1991 teilte ihm ein Studienkollege mit, dass die Mutter in der fraglichen Zeit auch mit dessen Bruder ein geschlechtliches Verhältnis gehabt habe. Ob diese Information zutraf, konnte nicht festgestellt werden. Sie veranlasste den Antragsteller, der damals eine Scheidung erlebt hatte „und andere Sorgen hatte", zu keinen weiteren Handlungen im Sinn von Gesprächen oder Nachforschungen. In den frühen 90er Jahren teilte der Studienkollege der Ehefrau des Antragstellers einmal mit, dass er Vater werde. Zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner gab es zunächst keinen Kontakt. Im Jahr 2002 kam es zu einem ersten Treffen. Dabei dachte sich der Antragsteller, dass er keine besondere Ähnlichkeit zwischen sich und dem Antragsgegner erkennen könne. Er unternahm aber wiederum nichts weiter, „weil die Sache für ihn erledigt war". Es gab auch keine weiteren Kontakte, weil der Antragsteller solche nicht wollte.

Im Zuge der letzten Unterhaltszahlungen und des dazu im Frühjahr 2007 anhängigen (Unterhalts-)Verfahrens konsultierte der Antragsteller einen Rechtsanwalt, der ihn über eine allfällig mögliche Unwirksamerklärung des Anerkenntnisses informierte. Der Antragsteller wollte nun die bei ihm vorhandenen Zweifel beseitigen und die Frage der Vaterschaft abschließend klären. Er brachte am den auf Feststellung der Unwirksamkeit des im August 1990 abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses gerichteten Antrag ein. Neue Informationen darüber, wer tatsächlich der biologische Vater des Antragsgegners sei, erlangte er damals nicht. Das Erstgericht wies den Antrag als „verfristet" ab. Nach den getroffenen Feststellungen habe der Antragsteller von sämtlichen Umständen, die für die Nichtabstammung sprächen, bereits seit mehr als zwei Jahren Kenntnis. Weitere Umstände, die Zweifel an der Vaterschaft rechtfertigen würden, seien nicht hervorgekommen. Das Rechtsgespräch mit seinem Rechtsvertreter stelle für den Antragsteller keine Entdeckung von erheblichen Tatsachen oder Beweismitteln dar. Das Vorbringen des Antragstellers, die Bestreitungsfrist nach § 164 Abs 2 ABGB habe noch gar nicht begonnen, überzeuge nicht; wenn es bedeute, dass dieser gar keine Kenntnis von Umständen erlangt habe, die die Qualifikation des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB erfüllten, wäre er schon wegen Fehlens dieses rechtserheblichen Sachverhaltselements nicht antragsberechtigt. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen werde. Die Rechtsauffassung des Rekurses, dass die Frist (des § 164 Abs 2 ABGB) bei derartiger Fallgestaltung gar nicht zu laufen begonnen habe, sei aus dem Gesetz zwar „ableitbar", reiche jedoch zur angestrebten Entscheidung nicht hin; das Verfahren nicht im Sinn des Beschlusses des Erstgerichts zu beenden, würde der Bestimmung des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB nämlich eine Auslegung geben, die jede gesetzliche Fristsetzung sinnlos machte. Die Bestreitungsfrist beginne, wenn die Umstände einem an der Klärung familienrechtlicher Verhältnisse Interessierten die Vaterschaft unwahrscheinlich erscheinen ließen, wobei nicht erforderlich sei, dass diese Umstände dem Ehemann die feste Überzeugung von der Unehelichkeit des Kindes vermittelten. Es genüge vielmehr, dass sie die Ehelichkeit des Kindes ernstlich in Frage stellten, also die Möglichkeit einer unehelichen Abstammung begründeten. Aus den unbekämpften Feststellungen ergebe sich, dass sich die Angaben im Antrag betreffend einen allfälligen Fristbeginn als haltlos herausgestellt hätten, weil überhaupt keine Bestreitungsgründe erweislich seien. Dies führe aber - entgegen der Auffassung des Rekurses - nicht zu einer Fortsetzung des Verfahrens. Zur Vorgängerbestimmung sei zwar vertreten worden, dass eine Antragstellung vor Beginn der Bestreitungsfrist nicht unberechtigt sei. Damit allein könne aber dem Vater die noch beantragte (aber nicht durchgeführte) Beweisführung durch ein medizinisches Gutachten hier nicht offenstehen. Ein „Begründungssubstrat" für eine Antragstellung nach § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB liege nämlich nicht vor. Würde anders entschieden, wäre jede Bindungswirkung eines Anerkenntnisses beseitigt; dann könnte die Wirksamkeit des Anerkenntnisses nämlich bestritten und eine „Vaterschaftsbegutachtung" erwirkt werden, auch wenn keinerlei taugliche Gründe im Sinn des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB zu beweisen seien. Dies sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB sei der Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist jedoch nicht zulässig, weil entgegen der Auffassung des Rekursgerichts keine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist. Gemäß § 164 ABGB in der am in Kraft getretenen Fassung (Art IV §§ 1 und 5 FamErbRÄG 2004 [BGBl I 2004/58]) hat das Gericht ein (Vaterschafts-)Anerkenntnis auf Antrag des Anerkennenden unter anderem dann für rechtsunwirksam zu erklären, wenn er beweist, dass das Kind nicht von ihm abstammt und er erst nachträglich von solchen Umständen Kenntnis erlangt hat, die für die Nichtabstammung des Kindes sprechen (Abs 1 Z 3 lit b leg cit), wobei dieser Antrag längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Entdeckung der genannten Umstände erhoben werden kann (Abs 2 leg cit). Mit dieser Norm hat sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst befasst, einen außerordentlichen Revisionsrekurs mit Beschluss vom , 2 Ob 182/08s zurückgewiesen und dabei unter anderem Folgendes ausgesprochen:

„Er [Anm: der dortige Antragsteller] nimmt ausschließlich auf den ebenfalls in § 164b ABGB aF (nunmehr: § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB nF) geregelten Tatbestand Bezug, der eine nachträglich eingetretene Änderung seines Kenntnisstands über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände erfordert. Anders als in Ehelichkeitsbestreitungsfällen ist dieses Erfordernis nicht nur für die Auslösung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist für die Antragstellung (früher: Klage) von Bedeutung (vgl 2 Ob 571/91), sondern tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Anwendung der zitierten Norm.

Die frühestens mit der Geburt des Kindes beginnende Ausschlussfrist, die bis zum Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004 mit einem Jahr ab Entdeckung der genannten Umstände bemessen war und seither gemäß § 164 Abs 2 ABGB nF zwei Jahre beträgt (vgl die Übergangsregelung in Art IV § 5 FamErbRÄG 2004), beginnt zu laufen, wenn diese Umstände von so großer Beweiskraft sind, dass der Anerkennende die Abstammung von ihm als höchst unwahrscheinlich ansehen kann; einzelne Verdachtsmomente reichen nicht aus (vgl 1 Ob 501/90; 7 Ob 534/91; 2 Ob 571/91; 3 Ob 313/05h; je zu Ehelichkeitsbestreitungsklagen; ferner 3 Ob 72/01m; RIS-Justiz RS0048265; Hopf in KBB² § 164 Rz 6; Schwimann in Schwimann, ABGB³ I § 164 Rz 21). Dabei ist auf den Maßstab eines objektiv-verständig denkenden Mannes abzustellen (1 Ob 501/90). Der Antragsteller hat nicht behauptet, nach Abgabe des Anerkenntnisses von neuen Tatsachen Kenntnis erlangt zu haben, die objektiv geeignet gewesen wären, (neue) Zweifel an seiner Vaterschaft zu erwecken. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte er vielmehr seit Beginn der Schwangerschaft der Mutter des Antragsgegners Kenntnis davon, dass auch die Vaterschaft eines anderen Mannes mit zumindest gleich großer Wahrscheinlichkeit möglich war. Nach herrschender Auffassung können neue, gegen die Vaterschaft des Anerkennenden sprechende Umstände zwar auch darin bestehen, dass die Glaubhaftmachung (von vornherein vorhandener, den Zweifel an der Vaterschaft begründender Tatsachen) erst nachträglich durch neue Beweismittel, so etwa durch eine DNA-Analyse möglich wird (Schwimann aaO § 164 Rz 21 mwN). In einem solchen Fall beginnt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 164b Satz 2 ABGB aF bzw des § 164 Abs 2 ABGB nF aber bereits mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem eine aussichtsreiche Beweisführung für die Vaterschaft eines anderen Mannes durch Einholung eines Gutachtens objektiv möglich ist (vgl SZ 56/71; 3 Ob 72/01m; RIS-Justiz RS0048296).

Der in 3 Ob 72/01m beurteilte Fall hatte einen nahezu identen Sachverhalt zum Gegenstand. Der Oberste Gerichtshof ging in dieser Entscheidung von der Verfristung der Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses aus, weil eine aussichtsreiche erbbiologisch-anthropologische Untersuchung wesentlich früher, als sie tatsächlich durchgeführt wurde, möglich gewesen wäre."

Wenn die Vorinsatzen auch im vorliegenden Fall die Berechtigung des auf § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB gestützten Antrags auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses verneinten, sind sie von diesen Grundsätzen nicht abgewichen:

Ist doch nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124234 = 2 Ob 182/08s) die nachträglich eingetretene Änderung des Kenntnisstands des Antragstellers über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände anders als in Ehelichkeitsbestreitungsfällen nicht nur für die Auslösung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist für die Antragstellung (früher: Klage) von Bedeutung, sondern tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Anwendung des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB idF FamErbRÄG 2004 (vgl 2 Ob 571/91). Ständiger Rechtsprechung entspricht es aber auch, dass die materiell-rechtliche Ausschlussfrist nach § 164 Abs 2 ABGB (bereits) mit der objektiven Möglichkeit einer erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung zu laufen beginnt und durch einen durch eine dritte Person seinerzeit veranlassten Irrtum über die Klagsfrist nicht beseitigt werden kann (RIS-Justiz RS0048296; 5 Ob 208/07k).

Auch im vorliegenden Fall hat der Antragsteller nicht einmal behauptet, nunmehr von neuen Tatsachen Kenntnis erlangt zu haben, die objektiv geeignet gewesen wären, (neue) Zweifel an seiner Vaterschaft zu erwecken. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte er vielmehr schon seit den Jahren 1990 oder 1991 Kenntnis davon, dass auch die Vaterschaft eines anderen Mannes mit zumindest gleich großer Wahrscheinlichkeit möglich war. Nach herrschender Auffassung können neue, gegen die Vaterschaft des Anerkennenden sprechende Umstände zwar auch darin bestehen, dass die Glaubhaftmachung (von vornherein vorhandener, den Zweifel an der Vaterschaft begründender Tatsachen) erst nachträglich durch neue Beweismittel, so etwa durch eine DNA-Analyse, möglich wird (RIS-Justiz RS0124235; Schwimann in Schwimann³ I § 164 ABGB Rz 21 mwN). In einem solchen Fall beginnt aber nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 164b Satz 2 ABGB aF bzw des § 164 Abs 2 ABGB nF - wie bereits ausgeführt - bereits mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem eine aussichtsreiche Beweisführung für die Vaterschaft eines anderen Mannes durch Einholung eines Gutachtens objektiv möglich ist (2 Ob 182/08s mwN).

Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die Berechtigung des erst im Juni 2007 gestellten Antrags, der auch gar nicht mit neuen Erkenntnissen begründet wird, verneint hat. Auch die angefochtene Entscheidung steht daher (zumindest im Ergebnis) in Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, weshalb - entgegen dem Standpunkt des Revisionsrekurses - die Zulässigkeit einer Antragstellung vor Beginn der gesetzlichen Bestreitungsfrist (gemeint: des § 164 Abs 2 ABGB nF) gar nicht geprüft werden muss. Es fehlt hier nämlich schon die tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Anwendung des § 164b ABGB aF oder des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB nF im Sinn einer nachträglich eingetretenen Änderung des Kenntnisstands des Antragstellers über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände. Weiters ist die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 164b Satz 2 ABGB aF oder des § 164 Abs 2 ABGB nF (vgl die Übergangsregelung in Art IV § 5 FamErbRÄG 2004 [BGBl I 2004/58]) ohnehin längst abgelaufen, weil die Möglichkeit einer aussichtsreichen Beweisführung durch die beantragte „Einholung eines Abstammungs- insb DNA-Gutachtens" (ON 1) erst im vorliegenden Verfahren aufgegriffen wurde.

Da die im Revisionsrekurs geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen, ist insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten.