OGH vom 31.08.2010, 4Ob88/10k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** KG, *****, vertreten durch Ruggenthaler Rechtsanwalts KG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 30 R 47/09s 9, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 11 Cg 139/09t 4, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
„Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung der Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte wird der beklagten Partei bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils ab sofort geboten, die Vervielfältigung und/oder Verbreitung von Gebrauchsgrafiken und ähnlichen Werken, an denen der Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen, oder von Bearbeitungen davon, sofern die Klägerin dem nicht zugestimmt hat, zu unterlassen; insbesondere betrifft dies die [der Entscheidung zweiter Instanz angeschlossene] Grafik „Leben auf dem Mond“ von Christa B***** (Beil ./B).
Das darüber hinausgehende Begehren, der beklagten Partei zu gebieten, ganz allgemein die Vervielfältigung und/oder Verbreitung von Werken der bildenden Künste, an denen der Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen, oder von Bearbeitungen davon, sofern die Klägerin dem nicht zugestimmt hat, zu unterlassen, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei hat 90 % ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens erster und zweiter Instanz vorläufig selbst zu tragen; 10 % der Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 294,28 EUR (darin 49,04 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Sicherungsverfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Hälfte der Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.962,72 EUR (darin 981,36 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Folgender Sachverhalt ist im Verfahren dritter Instanz nicht mehr strittig: Die Klägerin hat in der Ausgabe vom ihrer Tageszeitung „K*****“ eine unter Urheberrechtsschutz fallende Grafik von Christa B***** zum Thema „Leben auf dem Mond“ veröffentlicht, an der sie die ausschließlichen Verwertungsrechte besitzt. Für die Grafik wurden auch aus dem Internet heruntergeladene Bilder der NASA verwendet. Die Beklagte hat dieses Werk mit geringfügigen Abänderungen für die in ihrer Tageszeitung „Ö*****“ am abgedruckte Grafik „Der Weg zur ersten Mond Siedlung“ übernommen, wobei die Unterschiede zwischen den beiden Grafiken nicht ausreichen, die später erschienene Grafik als selbständige Neuschöpfung (§ 5 Abs 2 UrhG) zu beurteilen.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils die Vervielfältigung und/oder Verbreitung von Werken der bildenden Künste, an denen der Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen, oder von Bearbeitungen davon, sofern diese dem nicht zugestimmt hat, zu unterlassen; insbesondere betrifft dies die als Dauerbeilage ./D angeschlossene und einen Bestandteil des Spruchs dieser Entscheidung bildende Grafik „Leben auf dem Mond“ von Christa B*****.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, da es die Werkqualität der als Vorbild genommenen Grafik verneinte.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es dem Sicherungsantrag teilweise stattgab und der Beklagten gebot, die Vervielfältigung und/oder Verbreitung und/oder Bearbeitungen der in der Klagedauerbeilage ./D abgebildeten, einen integrierenden Bestandteil des Beschlusses bildenden Grafik „Leben auf dem Mond“ von Christa B*****, an der der Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen, ohne deren Zustimmung zu unterlassen. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Soweit das Sicherungsbegehren ganz allgemein auf (sämtliche) Werke der bildenden Künste, an denen der Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen, abstelle, orientiere es sich nicht an der konkreten Verletzungshandlung und sei zu weit.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Fassung eines Unterlassungsgebots abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.
Die Klägerin macht geltend, das Unterlassungsgebot stelle allein auf den Anlassfall ab und habe damit die engstmögliche Fassung, weshalb Umgehungen leicht möglich seien und neue Klagsführungen zur Folge haben müssten; die Gefahr weiterer Eingriffe sei sowohl nach der Person der Beklagten als auch nach der betroffenen Branche evident.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach den zuletzt vom Senat in der Entscheidung 4 Ob 93/10w zusammengefassten Grundsätzen zur Fassung von Unterlassungsgeboten, die für Lauterkeits und Urheberrechtsverstöße gleichermaßen gelten, sind die prozessuale Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit des Begehrens und die nach dem materiellen Recht zu beurteilende Frage, wie weit das Begehren angesichts der begangenen oder drohenden Rechtsverletzung gehen darf, auseinanderzuhalten (RIS Justiz RS0037518).
2.1. Ob ein ausreichend konkretes Unterlassungsgebot zu eng oder zu weit gefasst ist, hängt vor allem von der festgestellten Verletzungshandlung ab. Ein Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang nämlich am konkreten Verstoß zu orientieren (RIS Justiz RS0037645, RS0037478, RS0037607 [T34]); es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie um Umgehungen durch den Verpflichteten nicht allzu leicht zu machen (vgl RIS Justiz RS0037733, RS0037607) auf ähnliche Fälle einzuengen. Die an sich wegen der Gefahr von Umgehungen gerechtfertigte weite Fassung von Unterlassungsgeboten darf nur so weit gehen, als die Befürchtung gerechtfertigt ist, der Beklagte werde auch jene Verletzungshandlungen begehen, die unter das weit gefasste Unterlassungsgebot fallen (RIS Justiz RS0037607 [T26, T 38]). Das Unterlassungsgebot ist aber zu eng, wenn es nur eine der festgestellten Verletzungshandlung völlig gleiche Handlung umfasst. Denn der ursprüngliche Verstoß begründet nicht nur die Gefahr der Wiederholung in unveränderter Form; vielmehr ist zu besorgen, dass der Beklagte zumal bei einem zu eng gefassten Verbot Handlungen setzen könnte, die auf ähnliche Weise zum selben Erfolg führen (4 Ob 171/08p). Schon die Prozessökonomie spricht dafür, Begehren so zu fassen und zuzulassen, dass das entsprechende gerichtliche Unterlassungsgebot auch ähnlich naheliegende Rechtsverletzungen umfasst, sodass nicht neuerlich geklagt werden muss (4 Ob 3/91 = ÖBl 1991, 278 Passfoto).
2.2. Nach diesen Grundsätzen ist es zulässig, dem Beklagten nicht nur ein konkret umschriebenes Verhalten zu untersagen, sondern auch die Unterlassung „ähnlicher“ Störungen aufzutragen (4 Ob 93/10w).
2.3. Ein anderer Weg, dem Verpflichteten die Umgehung von Unterlassungsgeboten nicht allzu leicht zu machen, liegt in der Möglichkeit einer allgemeineren Beschreibung der Verletzungshandlung (4 Ob 16/91 = ÖBl 1991, 108 Sport Sonnenbrille; 4 Ob 17/91 = ÖBl 1991, 105 Hundertwasser Pickerln II, jeweils mwN) oder der Verbindung eines konkreten Einzelverbots mit einem verallgemeinernden Verbot, das die tatsächlich verübte Handlung bei ihrer Beschreibung allgemeiner fasst und ihr so einen breiteren Rahmen gibt, ohne dabei über den Kern der Verletzungshandlung also dessen, womit der Beklagte rechtswidrig gehandelt hat hinauszugehen (vgl RIS Justiz RS0037733 [T13]). Der Beklagte darf aber nicht zu einer Unterlassung verhalten werden, zu der er nach materiellem Recht gar nicht verpflichtet ist (RIS Justiz RS0037461).
3.1. Eine Verletzung von Urheberrechten ist gekennzeichnet durch die Verletzungshandlung, den verletzten Schutzgegenstand (Werkkategorie) und die in ihren Rechten verletzte Person (Urheber, sonstiger Rechteinhaber).
3.2. Urheberrechte verletzt, wer ohne Bewilligung des Urhebers in die dem Urheber ausschließlich (vgl § 14 Abs 1 UrhG) zustehenden Verwertungsrechte eingreift. Die urheberrechtlich relevante Verletzungshandlung betrifft demnach regelmäßig eines oder mehrere der nach den §§ 15 18a UrhG vorgegebenen Verwertungsrechte der Vervielfältigung, Verbreitung, Sendung, Aufführung und Zurverfügungstellung zum interaktiven Abruf. Die Fassung des Unterlassungsgebots bei Urheberrechtsverletzungen hat daher in erster Linie auf jenes Verwertungsrecht abzustellen, das durch die konkrete Verletzungshandlung berührt wird, und darüber hinaus aus Gründen des Umgehungsschutzes auch der konkreten Verletzungshandlung ähnliche Fälle zu berücksichtigen (4 Ob 178/06i).
3.3. Bei Urheberrechtsverletzungen im Rahmen eines Gewerbebetriebs ist die Vermutung der Wiederholungsgefahr, die durch den Eingriff in ein bestimmtes Verwertungsrecht begründet wurde, in der Regel nicht auf die Werke des konkret betroffenen Urhebers beschränkt. Vielmehr ist bis zum Beweis/der Bescheinigung des Gegenteils anzunehmen, dass der Täter auch Werke anderer Urheber in gleicher Weise verwerten wird (4 Ob 34/09t mwN).
3.4. Der urheberrechtliche Schutzgegenstand „Werk“ (§ 1 Abs 1 UrhG) umfasst die unterschiedlichsten Werkkategorien und bedarf deshalb bei Fassung des Unterlassungsgebots einer einschränkenden Präzisierung auf den Kern der begangenen Rechtsverletzung.
4.1. Das Rekursgericht hat hinsichtlich des verletzten Rechts den im Begehren verwendeten Oberbegriff „Werke der bildenden Künste“ als zu weit empfunden und das Unterlassungsgebot auf Vervielfältigung und/oder Verwendung der konkret abgedruckten Grafik („insbesondere Teil“ des Begehrens) beschränkt. Der Titel umfasst in dieser Formulierung allein die bescheinigte Verletzungshandlung und ist worauf die Rechtsmittelwerberin zutreffend hingewiesen hat nach den zuvor wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung zu eng, weil er der konkreten Verletzungshandlung ähnliche und naheliegende Fälle, deren Verwirklichung nach den Umständen zu befürchten ist, unberücksichtigt lässt.
4.2. Das Begehren stellt hinsichtlich des verletzten Schutzgegenstands auf die Werkart „Werke der bildenden Künste“ (Überschrift zu § 3 UrhG) ab. Dazu gehören gemäß § 3 Abs 1 UrhG auch die Werke der Lichtbildkunst (Lichtbildwerke), der Baukunst und der angewandten Kunst (des Kunstgewerbes). Letztere Werke haben neben ihrem ästhetischen auch einen Gebrauchswert; dazu zählen Werke der Schmiedekunst, Juwelen, Möbel, Porzellan, Leder ( Dillenz in Dillenz/Gutman , UrhG VerwGesG² UrhG § 3 Rz 10), auch Gebrauchsgrafiken ( Ciresa in Ciresa , Österreichisches Urheberrecht § 3 Rz 22; Tonninger in Kucsko , urheber.recht 137).
4.3. Angesichts dieses vielschichtigen Bedeutungsinhalts der Schutzkategorie „Werke der bildenden Künste“ ist dieser Begriff als allgemeine Umschreibung des verletzten Schutzgegenstands zu weit. Das im Sicherungsantrag formulierte konkrete Einzelverbot („insbesondere...“) ist daher mit dem zwar verallgemeinernden, aber immer noch den Kern der Rechtsverletzung treffenden Verbot, sonstige Gebrauchsgrafiken und ähnliche Werke zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten, an denen der Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen, zu verbinden.
4.4. Zu weit wäre es hingegen, das Handlungsgebot auch auf Werke der Baukunst und ganz allgemein auf Werke der angewandten Kunst (des Kunstgewerbes) zu erstrecken, weil davon auch Werke der Schmiedekunst, Juwelen, Möbel, Porzellan, Leder und ähnliches erfasst sind, die den Kern der konkreten Verletzungshandlung nicht umfassen und Rechtsverletzungen in Ansehung solcher Werke nach dem hier bescheinigten Sachverhalt nicht zu befürchten sind. Das Handlungsgebot war aber entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel auch nicht auf Werke der Lichtbildkunst (Lichtbildwerke) auszuweiten, weil die im Auftrag der Klägerin tätige Grafikerin die für ihre Grafik verwendeten Lichtbilder nicht selbst hergestellt, sondern von der Homepage der NASA heruntergeladen hat; weshalb der Klägerin an diesen Lichtbildern die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen sollen, hat sie nicht vorgebracht (vgl 4 Ob 47/06z).
4.5. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, das Unterlassungsgebot sei auf von Frau B***** hergestellte Gebrauchsgrafiken zu beschränken, ist sie auf die zu Punkt 3.3. gemachten Ausführungen zu verweisen.
5. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Das geringfügige Überklagen der Klägerin war mit 10 % zu bewerten; damit hat sie im Sicherungsverfahren erster und zweiter Instanz mit 90 % ihres Begehrens obsiegt. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens dritter Instanz war nur mehr die Fassung des Unterlassungsgebots. Die Klägerin hat zwar eine Erweiterung des Handlungsgebots, nicht aber die gänzliche Stattgebung des Sicherungsantrags erreicht; ihre Obsiegensquote ist für diesen Verfahrensabschnitt mangels anderer Anhaltspunkte mit der Hälfte festzusetzen.