OGH vom 21.07.2004, 3Ob87/04x

OGH vom 21.07.2004, 3Ob87/04x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei SA ***** Frankreich, vertreten durch Andreas Reiner & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Edith Egger, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 2,309.255,92 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 15/04a-13, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Telfs vom , GZ 6 E 4177/03m-2 und 2a, bestätigt wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Über Antrag der betreibenden Partei erklärte das Erstgericht mit zwei vom selben Tag datierenden Beschlüssen das Urteil des Appellationsgerichtshofs von Versailles, Frankreich, vom , Nr 295, AZ 01/02990, für in Österreich vollstreckbar und bewilligte ihr aufgrund dieses Exekutionstitels zur Hereinbringung von 2,309.255,92 EUR sowie der Kosten des Exekutionsantrags die Forderungsexekution, die zwangsweise Pfandrechtsbegründung und die Fahrnisexekution. Die betreibende Partei hatte sowohl eine Ausfertigung des Titelurteils mit Vollstreckbarkeitsklausel (formule exécutoire) samt beglaubigter Übersetzung als auch eine Bescheinigung gemäß Anhang V der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden nur EuGVVO) vorgelegt. Das Titelurteil wurde den Vertretern der verpflichteten Partei zugestellt, nicht aber der verpflichteten Partei (überdies) persönlich, weil diese unter Hinweis, dass das ihr zuzustellende Titelurteil in französischer Sprache abgefasst sei, die Annahme verweigerte. Das französische Titelgericht bestätigte am gemäß Art 54 und 58 EuGVVO, dass sein am verkündetes (Titel)Urteil in Frankreich vollstreckbar sei.

Nach Art 503 der französischen Zivilprozessordnung (Nouveau Code de Procédure Civile - n.c.pr.c.) ist Voraussetzung für die Exekutionsbewilligung in Frankreich neben der Vollstreckbarerklärung des Titels auch dessen Zustellung an die verpflichtete Partei persönlich; erkennbar, weil die französische Rechtsordnung das Exekutionsbewilligungsverfahren nicht kennt und die Exekution nicht durch Gerichtsbedienstete, sondern durch damit beliehene Private (Huissiers de Justice) erfolgt und somit die Zustellung des Titels auch an die unterlegene Partei persönlich eine Art Warnung oder Mahnung sein mag.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die beiden erstinstanzlichen Beschlüsse. Es wendete auf die Vollstreckbarerklärung die EuGVVO an. Zwar sei die Klage im Titelverfahren vor Inkrafttreten dieser Verordnung eingebracht worden, die Entscheidung selbst datiere aber vom , also nach dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens (Art 76 leg.cit.). Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung sei sowohl in Österreich als auch in Frankreich das EuGVÜ in Kraft gewesen, weshalb gemäß Art 66 Abs 2 lit a EuGVVO deren Bestimmungen anzuwenden seien. Die Vollstreckbarerklärung setze nicht die Rechtskraft oder Endgültigkeit der Entscheidung voraus, vielmehr genüge die bloß vorläufige Vollstreckbarkeit. Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung seien gegenüber dem EuGVÜ bzw. LGVÜ wesentlich vereinfacht. Voraussetzung für die Anerkennung sei nur noch, dass die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats vollstreckbar sei. Die (vorherige) Zustellung sei nicht Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung. Die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit der vom Gericht des Ursprungsstaats erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung sei im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut von Art 45 Abs 1 EuGVVO nicht gegeben. Dies würde auch den Zielsetzungen der Verordnung, nämlich dem Gläubiger rasch und effektiv Rechtsschutz zu gewähren, zuwider laufen. Versagungsgründe nach Art 34 f EuGVVO seien nicht erkennbar. Die vorgelegte Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO entspreche auch dem Formblatt laut Anhang V der Verordnung.

Die zweite Instanz sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Denn es fehle höchstgerichtliche Rsp dazu, ob entgegen dem Wortlaut des Art 45 Abs 1 EuGVVO im Rahmen des Verfahrens nach §§ 43 ff leg.cit. auch die vom Gericht des Ursprungsstaats erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung des Exekutionstitels auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden könnte. Sollte man sich der bejahenden Auffassung der Lehre anschließen, würde eine nach Art 8 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen der Mitgliedstaaten (EZV) unwirksame Zustellung im Hinblick auf Art 503 n.c.pr.c. (Voraussetzung für die Exekutionsbewilligung sei auch die Zustellung des Exekutionstitels an die verpflichtete Partei persönlich) die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat als Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung nach Art 38 leg.cit. in Frage stellen.

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 83 Abs 2 EO iVm § 78 EO,§ 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Die verpflichtete Partei erhebt zu Recht gegen die Anwendung der EuGVVO keinen Einwand. Es kann daher mit der Einschränkung auf die Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen werden, dass diese Verordnung nach ihrem Art 76 Abs 1 mit (und nicht wie in der Rekursentscheidung: 2003) in Kraft getreten ist. Dies ändert am Ergebnis allerdings nichts. Dass die Bestimmungen der EuGVVO Vorrang vor jenen der EO haben, folgt aus § 86 EO. Aus den Ausführungen im Revisionsrekurs lässt sich nicht entnehmen, dass die verpflichtete Partei Versagungsgründe nach den Art 34 und 35 EuGVVO behauptet. Entscheidungsgegenstand in dritter Instanz ist somit allein die Prüfung der Vollstreckbarkeit der Titelentscheidung im Ursprungsstaat iSd Art 38 Abs 1 EuGVVO. Gegen die Exekutionsbewilligung wird sonst nichts ins Treffen geführt.

b) Die verpflichtete Partei relevierte in ihrem Rekurs gegen die erstgerichtliche Vollstreckbarerklärung die mangelnde Zustellung des Exekutionstitels an sie persönlich allein unter dem Aspekt des Art 25 (richtig: Art 26) EuGVVO. Art 26 EuGVVO ist aber hier nicht anzuwenden, ergibt sich doch aus dem Exekutionstitel selbst, dass dieser nach einem kontradiktorischen Verfahren und nicht als Säumnisentscheidung erging, während Art 26 EuGVVO die mangelnde Einlassung des Beklagten im Titelverfahren zum Gegenstand hat. Schon aus diesem Grund kommt die von der verpflichteten Partei angeregte Aktenvorlage an den EuGH zur Auslegung des Art 26 EuGVVO nicht in Betracht. Auch wenn die verpflichtete Partei in ihrem Rechtsbehelf nach Art 43 EuGVVO den nunmehr allein aufrecht erhaltenen Versagungsgrund nicht als solchen geltend machte und man dessen amtswegige Berücksichtigung, soweit dies aktenmäßig gedeckt ist, in Betracht ziehen wollte (so Burgstaller/Neumayr in Burgstaller, IZVR, Art 43 EuGVO Rz 14 unter Hinweis auf die Materialien der EO-Nov 2000), wäre damit für die verpflichtete Partei nichts gewonnen:

c) Denn wie der EuGH zu Art 31 Abs 1 EuGVÜ, der Vorgängerbestimmung des Art 38 EuGVVO, bereits klargestellt hat, betrifft der Begriff der Vollstreckbarkeit nur die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung in formeller Hinsicht, nicht aber die Voraussetzungen, unter denen diese Entscheidungen im Urteilsstaat vollstreckt werden können. Es sei Sache der Gerichte des Vollstreckungsstaats, im Rahmen des Verfahrens wegen eines Rechtsbehelfs nach Art 36 EuGVÜ gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer solchen Entscheidung gemäß ihrem Recht einschließlich des internationalen Privatrechts zu bestimmen, welche Rechtswirkungen eine Entscheidung des Urteilsstaats hat (EuGH Rs C-267/97, Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-02543 - Coursier vs. Fortis Bank und Bellami, verheiratete Coursier, ZER 1999/90 = ecolex 1999, 589 = wbl 2000/135 = IPRax 2000, 18). In dieser Entscheidung führte der EuGH aus (Rz 28), er habe bereits entschieden, das EuGVÜ regle nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen vollstreckbaren Titeln und lasse die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt, die nach wie vor dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats unterliege. Ausgehend von dieser auch auf § 38 Abs 1 EuGVVO anzuwendenden Auffassung ist es daher unerheblich, ob die betreibende Partei auch in Frankreich Exekution gegen die verpflichtete Partei führen könnte oder ein Hindernis in Form des Art 503 n.c.pr.c. entgegen stünde, geht es doch hier nur nur um die Erklärung der Vollstreckbarkeit (vgl. dazu Mankowski in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, Art 38 EuGVVO Rz 11, es sei für die Vollstreckbarerklärung unbeachtlich, ob der Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung im Erststaat konkrete Zwangsvollstreckungshindernisse entgegenstehen, berühre doch dies nicht die für den Titel allein maßgebliche Ebene des Erkenntnisverfahrens). Zutreffend wird in der Lehre auch ausgeführt, es handle sich bei dieser Zustellung (an die Partei persönlich) nicht um eine Voraussetzung der Vollstreckbarkeit, sondern diese betreffe das Vollstreckungsverfahren selbst (Keßler, Die Vollstreckbarkeit und ihr Beweis gem. Art. 31 und 47 Nr. 1 EuGVÜ, 109 [zu Art 31 EuGVÜ]; vgl. auch Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht7 Art 38 Rz 8; Burgstaller/Neumayr aaO Art 38 EuGVO Rz 14, 16). Insoweit ist zwischen dem ausländischen Titelverfahren einschließlich der Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und deren Überprüfung in Österreich und dem nach nationalem Recht durchzuführenden Exekutionsverfahren zu unterscheiden. Im Sinn der zitierten EuGH-Entscheidung ist demnach ein Hindernis für eine Exekution des ausländischen Titels im Ursprungsland - worüber bei einem französischen Titel die französischen Gerichte zu befinden hätten - ohne Relevanz für die Exekution eben dieses Titels nach der österr. Exekutionsordnung in Österreich. Entgegen der Rechtsmittelausführung ist - bei der Exekution - auch ein ausländischer Verpflichteter nicht schlechter gestellt als ein französischer Verpflichteter, richtet sich doch die Exekution in Frankreich nach französischem Recht und in Österreich nach österr. Recht.

Nach österr. Exekutionsrecht setzt die Erteilung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit - im Titelverfahren (Jakusch in Angst, EO, § 7 Rz 98) - für einen gerichtlichen Exekutionstitel zumindest voraus, dass dieser wirksam wurde und keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug mehr unterliegt (Jakusch aaO Rz 92 und 95). Eine Regelung, wonach die Vollstreckung eines gerichtlichen Exekutionstitels in Österreich die vorherige Zustellung (auch) an die Partei persönlich voraussetzen würde, besteht nicht, vielmehr ist nach allgemeiner Regel an den Prozessbevollmächtigten zuzustellen (§ 93 Abs 1 ZPO). Die Zustellung an die durch einen solchen vertretene Partei selbst wäre auch wirkungslos (stRsp, Nachweise bei Gitschthaler in Rechberger2, ZPO,§ 93 ZPO Rz 7).

Für den hier vorliegenden Fall der Vollstreckbarerklärung eines französischen Exekutionstitels für Österreich ergibt sich aus der Aktenlage kein Hinweis darauf, dass ungeachtet der vorgelegten Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO und dem Formblatt gemäß Anhang V dieser Verordnung die Vollstreckbarkeit iSd Art 38 leg.cit. nicht gegeben wäre. Damit ist aber die vom Rekursgericht als erheblich angenommene Rechtsfrage nicht zu prüfen, weil selbst bei Bejahung einer amtswegigen Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Ursprungsstaats ein Hindernis für die Vollstreckbarerklärung nicht vorläge.

Auch die verpflichtete Partei vermag eine derartige Rechtsfrage nicht aufzuzeigen. Insbesondere ist nicht recht verständlich, inwieweit sich eine solche aus der nicht weiter begründeten Behauptung ergeben solle, § 84a EO stelle eine Gesetzeslücke dar.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO. Die betreibende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen, weshalb ihre Revisionsrekursbeantwortung nicht als zur Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden kann.