OGH vom 27.07.2017, 4Ob87/17y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen L***** P*****, geboren am ***** 1999, vertreten durch die Mutter Ing. B***** F*****, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits Rechtsanwältin GmbH, über die Revisionsrekurse des Kindes und des Vaters H***** B*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 43/17x-43, womit der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 2 Pu 299/15d-38, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Minderjährige wurde während der Ehe ihrer Mutter mit Ing. A***** P***** (im Folgenden: Scheinvater) geboren. In einem vor dem Erstgericht geführten Abstammungsverfahren wurde mit Beschluss vom rechtskräftig festgestellt, dass das Kind nicht aus dieser Ehe entstammt. In einem weiteren Abstammungsverfahren stellte das Erstgericht mit Beschluss vom rechtskräftig fest, dass die Minderjährige von H***** B***** (im Folgenden: Vater) abstammt.
Die durch ihre Mutter vertretene Minderjährige modifizierte ihren am eingebrachten Unterhaltsantrag zuletzt dahin, dass der Vater ab zu (nach Zeiträumen variierenden) monatlichen Unterhaltsbeträgen in der Bandbreite von 270 EUR bis 479,50 EUR verpflichtet werde. Die begehrten Beträge entsprächen der Leistungsfähigkeit des Vaters unter Berücksichtigung einer weiteren Sorgepflicht. Der Vater hielt dem Antrag entgegen, dass er sein Einkommen bis gutgläubig verbraucht habe. Zudem habe das Kind bis zu seinem 18. Lebensjahr Unterhalt vom Scheinvater in der beantragten Höhe erhalten.
Das sprach der Minderjährigen für den Zeitraum ab bis 13.610,84 EUR an rückständigem Unterhalt zu, verpflichte den Vater zu einem laufenden monatlichen Unterhalt ab im Ausmaß von 270 EUR und wies das Begehren des Kindes, dessen Unterhalt für das Jahr 2015 mit weiteren 50 EUR festzusetzen, ab. Es stellte das (schwankende) durchschnittliche Einkommen des Vaters seit 2013 und dessen weitere Sorgepflicht fest. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, es sei ohne Belang, ob der Vater sein Einkommen gutgläubig verbraucht habe. Auch eine Unterhaltsleistung durch den Scheinvater enthebe ihn nicht von seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter, die an eine vermögensrechtliche Vereinbarung zwischen den ehemaligen Eheleuten nicht gebunden sei. Das Erstgericht traf weder zu einer derartigen Vereinbarung noch zu allenfalls geleisteten Unterhaltszahlungen des Scheinvaters Feststellungen.
Das gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es das Begehren an rückständigem Unterhalt im Ausmaß von 600 EUR für das gesamte Jahr 2015 mit Teilbeschluss abwies, was in Rechtskraft erwuchs. Im Übrigen hob es den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung bezüglich des für den Zeitraum bis im weiteren Ausmaß von 13.610,84 EUR begehrten Unterhalts sowie bezüglich des laufenden Unterhalts ab auf. Auch das Rekursgericht verwarf den Einwand, dass der Vater sein Einkommen bis Ende November 2015 gutgläubig verbraucht habe. Davon zu trennen sei die Frage, inwieweit allenfalls vom Scheinvater erbrachte Unterhaltsleistungen für den Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem (nunmehr festgestellten) Vater relevant seien. Es gehe dabei nicht bloß um die Frage der Wirkung einer internen Vereinbarung der Mutter mit dem Scheinvater, sondern um die Frage einer erfolgten Unterhaltsleistung. Diesbezüglich fehlten Feststellungen, sodass eine (teilweise) Aufhebung notwendig sei. Das treffe auch auf die vom Vater behauptete Übergabe eines Sparbuchs des Scheinvaters an die Mutter zur Deckung der Unterhaltsansprüche des Kindes zu. Insoweit hinsichtlich der Unterhaltsansprüche der Minderjährigen zwischen den geschiedenen Eheleuten eine Gegenverrechnung mit einem Ausgleichszahlungsanspruch für die Ehewohnung erfolgt sei, stehe die aufhebende Rekursentscheidung in einem Spannungsverhältnis zum Verbot der Aufrechnung, soweit die Unterhaltsbeiträge die Pfändungsgrenze nicht überschreiten. Gelangt man zur Auffassung, eine Anrechnung der Unterhaltsteilbeträge im Gegenzug gegen die gestundete Ausgleichszahlung als geleisteter Unterhalt scheitere am Aufrechnungsverbot, komme es auf die als notwendig erachteten ergänzenden Feststellungen nicht mehr an. Dazu liege jedoch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, sodass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rechtsmittel sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Zum Revisionsrekurs der Minderjährigen:
1.1 Wer für einen Anderen einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, hat das Recht, Ersatz zu fordern (§ 1042 ABGB). Erbringt ein vermeintlich selbst dazu Verpflichteter Unterhaltsleistungen, hat er nach Beseitigung des ihn als Vater feststellenden Rechtsakts – außer bei Schenkungsabsicht – nach der Rechtsprechung grundsätzlich gegen den in Wahrheit nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen einen Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB (7 Ob 60/15x; RIS-Justiz RS0020073). Dabei ist der vom Scheinvater geltend gemachte Anspruch nicht schon deshalb zu verneinen, weil er die Unterhaltszahlung in der Überzeugung leistete, dadurch eine eigene Schuld zu erfüllen (3 Ob 82/60 = SZ 33/41; 4 Ob 201/07y; 2 Ob 74/10m; RIS-Justiz RS0019948). Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass im Ausmaß der vom Scheinvater erfüllten Unterhaltsschuld der Unterhaltsanspruch des Kindes insoweit erloschen ist und der wahre Unterhaltspflichtige damit von seiner Verpflichtung befreit wird (2 Ob 570/92; 10 Ob 115/07w; 3 Ob 134/08i; 4 Ob 198/09k; 4 Ob 46/13p; RIS-Justiz RS0020073 [T1]).
1.2 Das Erstgericht traf keine Feststellungen zu den vom Vater behaupteten Leistungen des Scheinvaters, bei denen durchaus die Möglichkeit besteht, dass der Vater gegenüber dem Kind von seiner Unterhaltspflicht befreit wurde. Wenn das Rekursgericht – anknüpfend an die aufgezeigte Rechtsprechung – deshalb der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RISJustiz RS0042179).
1.3 Insoweit die Minderjährige in ihrem Rechtsmittel die Ausführungen des Rekursgerichts zur Akontierung und Aufrechnung als „hypothetische Feststellungen … ohne sonstige Beweisergebnisse“ rügt, kann sie damit die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels gegen die aufhebende Entscheidung nicht begründen.
1.3.1 Die monierten Ausführungen des Rekursgerichts korrespondieren in der Tat zwar mit keinem Beweisergebnis, sind aber nicht als zusätzliche Feststellungen, sondern nur als rein hypothetische Erwägungen zu verstehen, mit denen das Rekursgericht offenbar eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung aufzuzeigen versuchte.
1.3.2 Die Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen die – wegen des Fehlens jeglicher Feststellungen zu den bisherigen Leistungen des Scheinvaters bzw zu den entsprechenden Vereinbarungen – aufhebende Entscheidung kann nicht auf derart (abstrakte) Rechtsfragen zu einem allfälligen Verstoß gegen ein Aufrechnungsverbot gestützt werden. Auch das Rekursgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass das Erstgericht zu den Vereinbarungen der geschiedenen Ehegatten, zu einer allfälligen Akontierung der Unterhaltsleistung oder zu einer Aufrechnungsvereinbarung „keinerlei Feststellungen getroffen hat“.
1.3.3 Die in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung getroffene Schlussfolgerung, dass „hinsichtlich eines wesentlichen Teils gerade nicht eine Übergabe von Geld, sondern nur eine Gegenverrechnung mit dem Ausgleichszahlungsanspruch“ erfolgte, kann sich weder auf die Feststellungen noch auf unstrittiges Vorbringen der Parteien stützen. Vielmehr hat das Erstgericht die mannigfaltigen Einwendungen des Vaters, der (auch) den Standpunkt vertrat, dass der Scheinvater bis zum 18. Lebensjahr des Kindes tatsächliche Leistungen erbrachte, in seiner Entscheidung keiner näheren Prüfung unterzogen, sondern ist – im Widerspruch zur auch vom Rekursgericht aufgezeigten Rechtsprechung – pauschal von der Irrelevanz sämtlicher Leistungen des Scheinvaters ausgegangen.
1.4 Insgesamt wird gegen die aufhebende Entscheidung, die sich im Rahmen der herrschenden Judikatur hält, somit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, sodass das Rechtsmittel des Kindes unzulässig ist.
2. Zum Revisionsrekurs des Vaters:
2.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass die Geltendmachung eines nicht davon abhängt, ob der Unterhaltspflichtige sein Einkommen bereits verbraucht hat (3 Ob 1505/91; 4 Ob 253/97b; 1 Ob 229/04i; RIS-Justiz RS0108477), wobei der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht von der Kenntnis des Schuldners von seiner Unterhaltspflicht abhängt (RIS-Justiz RS0102045).
2.2 Aus 4 Ob 139/15t ist nichts Gegenteiliges abzuleiten, zumal in dieser Entscheidung gar kein Unterhalt für die Vergangenheit begehrt wurde (bei dem idR das im jeweiligen Zeitraum erzielte tatsächliche Einkommen maßgebend ist, vgl RIS-Justiz RS0053251 [T14, T 15]). Der Senat musste vielmehr die aktuelle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen für den laufenden Unterhalt unter Berücksichtigung seiner Schulden prüfen.
2.3 Damit erweist sich auch das Rechtsmittel des Vaters mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig.
3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00087.17Y.0727.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,20 Unterhaltsrechtliche Entscheidungen |
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