OGH 24.05.2012, 6Ob81/12y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B***** F*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P***** L*****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 44/12x-23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom , GZ 8 C 80/11z-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Berufungsgericht mit dem Auftrag übermittelt, seine Entscheidung um einen Ausspruch nach § 502 Abs 2 und 3 ZPO zu ergänzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Eine Streitigkeit iSd § 502 Abs 5 Z 2 ZPO liegt zwar (auch) dann vor, wenn beim Streit über eine „Räumung“ (wenn auch nur als Vorfrage) über das Dauerschuldverhältnis selbst und seine wirksame Beendigung zu entscheiden, also zu beurteilen ist, ob das Dauerschuldverhältnis noch aufrecht oder entsprechend dem Vorbringen des Klägers bereits wirksam beendet wurde, etwa durch eine außergerichtliche Kündigung (jüngst 6 Ob 75/12s). Im vorliegenden Verfahren wurde jedoch - nach dem maßgeblichen Vorbringen der Klägerin - das ursprünglich zwischen deren verstorbener Mutter und dem Beklagten abgeschlossene Bestandverhältnis mit einvernehmlich beendet; dies entspricht im Übrigen auch dem Standpunkt des Beklagten und den Feststellungen der Vorinstanzen. Strittig ist zwischen den Parteien vielmehr der Abschluss eines Kaufvertrags zwischen ihnen im Juli 2010; der Beklagte verweigert im Hinblick darauf die Räumung des ursprünglichen Bestandobjekts, die Klägerin behauptet titellose Benützung.
Damit liegt aber keine privilegierte Bestandstreitigkeit iSd § 502 Abs 5 Z 2 JN vor, weshalb das Berufungsgericht eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands vorzunehmen gehabt hätte. Dies wird es nunmehr nachzuholen haben. Sollte es den Entscheidungsgegenstand zwar mit einem 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigenden Betrag bewerten, wird es zugleich auch eine Entscheidung nach § 508 ZPO zu treffen haben.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B***** F*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P***** L*****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 44/12x-23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0012578; zuletzt 1 Ob 191/09h EvBl 2010/59 [Parapatits]) ist im Fall einer fideikommissarischen Substitution (§ 608 ABGB) das Eigentumsrecht zwischen Vorerben (hier: die Klägerin) und Nacherben (hier: die Tochter der Klägerin) funktional geteilt. Ihre Berechtigungen ergänzen einander; beide zusammen haben die Rechtsstellung eines Vollerben und damit das uneingeschränkte Eigentumsrecht, wie es sonst dem Alleineigentümer zusteht. Das Eigentum des Vorerben ist zeitlich beschränkt. Seine Rechtsstellung entspricht der eines Fruchtnießers, weshalb er nicht frei über die Liegenschaft verfügen kann. Der Vorerbe kann nur mit Genehmigung der Substitutionsbehörde oder mit Zustimmung des Nacherben die Liegenschaft veräußern oder belasten und unterliegt sohin einem absolut wirkenden Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des Nacherben. Alle Verfügungen, die der Vorerbe über das Substitutionsgut ohne Genehmigung oder Zustimmung trifft, sind, soweit es sich um dingliche Verfügungen handelt, die die Rechte des Nacherben beeinträchtigen, nichtig.
Allerdings ist das diesen Verfügungen vorausgehende Verpflichtungsgeschäft (hier: der Kaufvertrag zwischen Klägerin und Beklagtem) unbeschränkt gültig (RIS-Justiz RS0012578). Ein ohne Zustimmung des Nacherben geschlossener Vertrag über die Veräußerung oder Verpfändung einer Liegenschaft ist deshalb nicht nichtig, einer grundbücherlichen Eintragung steht aber die nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG zu beachtende eingeschränkte Befugnis des Vorerben entgegen (1 Ob 191/09h).
2. Dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht ausdrücklich gefolgt. Den in der außerordentlichen Revision dagegen ins Treffen geführten Einwänden kommt keine Berechtigung zu:
2.1. Die Argumentation der Klägerin, ihr Irrtum über die Verfangenheit der Liegenschaft durch die fideikommissarische Substitution sei dem Beklagten gegenüber vor dessen Unterfertigung des Kaufvertrags am aufgeklärt worden, findet in den Feststellungen keine Deckung. Tatsächlich teilte der Ehegatte der Klägerin dem Beklagten am lediglich mit, die Tochter der Klägerin habe die fideikommissarische Substitution und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot „erhalten“, weshalb der Vertrag eines „Zusatzes/Änderung“ bedürfe; er werde am „kommenden Dienstag die entsprechenden Unterlagen zukommen lassen“. Diese Mitteilung lässt aber nur den Schluss zu, dass die Tochter der Klägerin dem Verkauf zugestimmt habe; von einer Aufklärung des Irrtums dahin, dass der Kaufvertrag nicht zustande kommen werde, kann hingegen nicht die Rede sein.
2.2. EineUnmöglichkeit der Verpflichtung der Klägerin gemäß § 878 ABGB liegt nicht vor; die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt, dass die Tochter der Klägerin „zum jetzigen Zeitpunkt eine Zustimmung zum Verkauf der Liegenschaft an den Beklagten nicht dezidiert ausschließen“ könne. Auch in diesem Punkt weicht die außerordentliche Revision damit vom Sachverhalt ab.
2.3. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Kaufvertrags durch den Beklagten am war der Klägerin die Verlassenschaft bereits mit Beschluss vom eingeantwortet worden; es kann daher nicht - wie die außerordentliche Revision meint - davon ausgegangen werden, dass der Kaufvertrag tatsächlich zwischen der Verlassenschaft und dem Beklagten zustande gekommen wäre und deshalb einer verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Zivilverfahrensrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2012:0060OB00081.12Y.0524.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAD-68767