OGH vom 13.09.2012, 6Ob81/12y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B***** F*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P***** L*****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 44/12x 23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0012578; zuletzt 1 Ob 191/09h EvBl 2010/59 [ Parapatits ]) ist im Fall einer fideikommissarischen Substitution (§ 608 ABGB) das Eigentumsrecht zwischen Vorerben (hier: die Klägerin) und Nacherben (hier: die Tochter der Klägerin) funktional geteilt. Ihre Berechtigungen ergänzen einander; beide zusammen haben die Rechtsstellung eines Vollerben und damit das uneingeschränkte Eigentumsrecht, wie es sonst dem Alleineigentümer zusteht. Das Eigentum des Vorerben ist zeitlich beschränkt. Seine Rechtsstellung entspricht der eines Fruchtnießers, weshalb er nicht frei über die Liegenschaft verfügen kann. Der Vorerbe kann nur mit Genehmigung der Substitutionsbehörde oder mit Zustimmung des Nacherben die Liegenschaft veräußern oder belasten und unterliegt sohin einem absolut wirkenden Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des Nacherben. Alle Verfügungen, die der Vorerbe über das Substitutionsgut ohne Genehmigung oder Zustimmung trifft, sind, soweit es sich um dingliche Verfügungen handelt, die die Rechte des Nacherben beeinträchtigen, nichtig.
Allerdings ist das diesen Verfügungen vorausgehende Verpflichtungsgeschäft (hier: der Kaufvertrag zwischen Klägerin und Beklagtem) unbeschränkt gültig (RIS Justiz RS0012578). Ein ohne Zustimmung des Nacherben geschlossener Vertrag über die Veräußerung oder Verpfändung einer Liegenschaft ist deshalb nicht nichtig, einer grundbücherlichen Eintragung steht aber die nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG zu beachtende eingeschränkte Befugnis des Vorerben entgegen (1 Ob 191/09h).
2. Dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht ausdrücklich gefolgt. Den in der außerordentlichen Revision dagegen ins Treffen geführten Einwänden kommt keine Berechtigung zu:
2.1. Die Argumentation der Klägerin, ihr Irrtum über die Verfangenheit der Liegenschaft durch die fideikommissarische Substitution sei dem Beklagten gegenüber vor dessen Unterfertigung des Kaufvertrags am aufgeklärt worden, findet in den Feststellungen keine Deckung. Tatsächlich teilte der Ehegatte der Klägerin dem Beklagten am lediglich mit, die Tochter der Klägerin habe die fideikommissarische Substitution und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot „erhalten“, weshalb der Vertrag eines „Zusatzes/Änderung“ bedürfe; er werde am „kommenden Dienstag die entsprechenden Unterlagen zukommen lassen“. Diese Mitteilung lässt aber nur den Schluss zu, dass die Tochter der Klägerin dem Verkauf zugestimmt habe; von einer Aufklärung des Irrtums dahin, dass der Kaufvertrag nicht zustande kommen werde, kann hingegen nicht die Rede sein.
2.2. Eine Unmöglichkeit der Verpflichtung der Klägerin gemäß § 878 ABGB liegt nicht vor; die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt, dass die Tochter der Klägerin „zum jetzigen Zeitpunkt eine Zustimmung zum Verkauf der Liegenschaft an den Beklagten nicht dezidiert ausschließen“ könne. Auch in diesem Punkt weicht die außerordentliche Revision damit vom Sachverhalt ab.
2.3. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Kaufvertrags durch den Beklagten am war der Klägerin die Verlassenschaft bereits mit Beschluss vom eingeantwortet worden; es kann daher nicht wie die außerordentliche Revision meint davon ausgegangen werden, dass der Kaufvertrag tatsächlich zwischen der Verlassenschaft und dem Beklagten zustande gekommen wäre und deshalb einer verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte.