OGH 19.05.2010, 6Ob81/10w
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. J***** B*****, geboren am , 2. A***** B*****, geboren am , 3. B***** B*****, geboren am , 4. J***** B*****, geboren am , alle *****, wegen Unterhalts über den Revisionsrekurs des Kindesvaters F***** B*****, vertreten durch Dr. Karl Puchmayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 324/09m-35, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
B e g r ü n d u n g :
Der Kindesvater war aufgrund des Scheidungsvergleichs vom zu einer Unterhaltsleistung für die mj J***** und A***** von je 170 EUR und für die mj B***** und J***** von je 150 EUR verpflichtet. Am beantragte der Kindesvater, die Unterhaltsbeträge für alle Kinder auf je 82 EUR monatlich herabzusetzen.
Das Erstgericht setzte die Unterhaltsverpflichtung für die mj J***** und A***** auf je 120 EUR und für die mj B***** und J***** auf je 130 EUR ab herab.
Die Minderjährigen ließen den Beschluss unbekämpft. Dem Rekurs des Kindesvaters, in dem dieser eine weitere Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf 82 EUR je Kind begehrte, gab das Rekursgericht keine Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der „außerordentliche“ Revisionsrekurs des Kindesvaters. Das Erstgericht legte dieses Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist jedoch - in rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten - der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Dann steht einer Partei nur die Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG zu Gebote, mit der eine Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht angestrebt werden kann.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz in Unterhaltsverfahren bestimmt sich nach § 58 Abs 1 JN, also mit dem 36-fachen des im Rekursverfahren strittigen monatlichen Unterhaltsbegehrens (RIS-Justiz RS0042366, RS0103147, RS0122735). Dabei ist der Wert des Entscheidungsgegenstands für jedes Kind einzeln zu beurteilen; eine Zusammenrechnung findet nicht statt (RIS-Justiz RS0112656, RS0017257).
Damit beträgt der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der mj J***** und A***** jeweils 1.368 EUR und hinsichtlich der mj B***** und J***** jeweils 1.728 EUR und übersteigt somit nicht 30.000 EUR.
Daher wäre das Rechtsmittel des Kindesvaters nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern vielmehr dem Rekursgericht vorzulegen gewesen. Ob die Eingabe des Vaters als Zulassungsvorstellung iSd § 63 AußStrG zu verstehen oder ob diesem unter Fristsetzung die Möglichkeit einzuräumen ist, klarzustellen, ob er einen solchen Rechtsbehelf erheben will, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. J***** S***** B*****, geboren am , 2. A***** K***** B*****, geboren am , 3. B***** E***** B*****, geboren am , 4. J***** E*****B*****, geboren am , alle *****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Kindesvaters F***** B*****, vertreten durch Dr. Renate Garantini, Rechtsanwältin in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 324/09m-35, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr-Umgebung vom , GZ 8 P 195/06h-U30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kindesvater war aufgrund des Scheidungsvergleichs vom zu einer Unterhaltsleistung für die mj J***** und A***** von je 170 EUR und für die mj B***** und J***** von je 150 EUR verpflichtet. Am beantragte der Kindesvater, die Unterhaltsbeträge für alle Kinder auf je 82 EUR monatlich herabzusetzen.
Das Erstgericht setzte die Unterhaltsverpflichtung für die mj J***** und A***** auf je 120 EUR und für die mj B***** und J***** auf je 130 EUR ab herab.
Dabei ging das Erstgericht von einem monatlichen Nettoeinkommen des Kindesvaters als Taxifahrer von 911,77 EUR ohne Trinkgeld aus. Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass nach der üblichen Rechtsprechung bei Taxilenkern ein monatlicher Trinkgeldbetrag von zumindest 150 EUR anzunehmen sei, weshalb die monatliche Bemessungsgrundlage 1.061 EUR betrage. Nach Abzug der monatlichen Unterhaltsbeträge von insgesamt 500 EUR würden dem Vater 561 EUR für seine eigenen Bedürfnisse verbleiben, womit er seine Bedürfnisse decken könne.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Rekursgerichts sei sogar von einem höheren Trinkgeldbetrag auszugehen. So sei in der Entscheidung 15 R 385/06b des Rekursgerichts ein Trinkgeld von 250 EUR monatlich angenommen worden; in der Entscheidung EFSlg 99.539 ein Betrag von 204 EUR, in der Entscheidung des Rekursgerichts 15 R 129/07g ein Betrag von monatlich mindestens 180 EUR.
Die Bestimmungen der Exekutionsordnung könnten als Orientierungshilfe bei der Ermittlung der Belastungsgrenze im Rahmen der Unterhaltsbemessung dienen, wobei die Grenze des § 291b EO jedoch im Hinblick auf § 292b EO nicht als Untergrenze der Belastung des Unterhaltsschuldners bei der Unterhaltsbemessung herangezogen werden könne. Die Unterhaltsbemessung könne vielmehr darüber hinausgehen, doch sei zu berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige nicht so weit belastet werde, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet werde.
Bei Nichtausreichen des nach Abzug des § 291b EO verbleibenden Existenzminimums für die Befriedigung der laufenden Unterhaltsansprüche müssten sich nicht nur alle Unterhaltsberechtigten einen anteiligen Abzug gefallen lassen, sondern hätten sich die Unterhaltsschuldner und die Unterhaltsberechtigten den Fehlbetrag angemessen zu teilen. Eine genaue Berechnung scheide jedoch aus. Es sei vielmehr im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen noch am ehesten tragbare Regelung zu treffen. In den Entscheidungen 2 Ob 187/05x und 1 Ob 42/07v habe der Oberste Gerichtshof eine Unterhaltsbemessung akzeptiert, bei der dem Unterhaltspflichtigen bei einer Sorgepflicht ein Betrag von 580,11 EUR verbleibe. Berücksichtige man den Umstand, dass im vorliegenden Fall vier Sorgepflichten bestünden, welche mit den festgesetzten Beträgen weit unterhalb des Regelbedarfs liegen, sowie das monatliche Trinkgeld unterhalb des Mindestbetrags von 180 EUR angesetzt worden sei, sei ein Verbleib von monatlich 561 EUR für den Rekurswerber als für den Einzelfall vertretbar anzunehmen.
Nachträglich ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, durch die nunmehr ergangene Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 160/09z vom (richtig: ) sei eine Änderung der Rechtsprechung eingetreten, weshalb iSd § 63 AußStrG der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses abzuändern gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
Der verstärkte Senat hat in seiner die Unterhaltsbemessung während eines Insolvenzverfahrens betreffenden Entscheidung 1 Ob 160/09z ausgesprochen, dass sich die Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen nach dem Unterhaltsexistenzminimum gemäß § 291b EO richte, das ausnahmsweise in den Grenzen des § 292b EO unterschritten werden könne. Ausdrücklich sprach der verstärkte Senat aus, dass eine allgemein gültige absolute Untergrenze nicht festgelegt werden könne. Der Betrag nach § 291b EO bilde nicht in jedem Fall eine äußerste, starre Untergrenze. Als Richtsatz für die Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen orientiere sich die Rechtsprechung am Unterhaltsexistenzminimum des § 291b EO, das allerdings bei Bedarf in den Grenzen des § 292b EO noch unterschritten werden dürfe. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wobei der verstärkte Senat ausdrücklich auf ganz geringes Einkommen und eine große Zahl von Unterhaltsberechtigten verweist, könne auch unter das - vielfach als „absolute Belastbarkeitsgrenze“ bezeichnete - niedrigste Existenzminimum in Höhe von 75 % des allgemeinen Grundbetrags herabgegangen werden. Eine solche absolute Grenze wäre auch nicht sachgerecht, weil sie zur Konsequenz hätte, dass bei geringem Einkommen nahezu überhaupt kein Unterhalt geschuldet würde.
Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen aber nicht abgewichen. Die konkrete Festlegung des dem Unterhaltspflichtigen jeweils zu verbleibenden Mindestbetrags lässt sich immer nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG. Wenn die Vorinstanzen im vorliegenden Fall in Anbetracht des Umstands, dass der Unterhaltspflichtige für vier Minderjährige sorgepflichtig ist, deren Geldunterhalt ohnedies schon deutlich unter dem sich nach der Prozentkomponente ergebenden Betrag liegt, und im Hinblick darauf, dass das Erstgericht ohnedies zugunsten des Unterhaltspflichtigen von Trinkgeldbeträgen in einer deutlich unter der sonst in vergleichbaren Fällen herangezogenen Höhe ausgegangen ist, ist in der von den Vorinstanzen vorgenommenen Unterhaltsbemessung eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken.
Damit bringt der Revisionsrekurswerber aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00081.10W.0519.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAD-68748